WikiLeaks – vom Aufstieg zur Spitze der Medien bis zum Zerfall
Julian Assange (*03.07.1971), der Mitgründer und Star von WikiLeaks, gehörte schon früh unter dem Namen „mendax“ (was so viel wie Lügen/lügnerisch heißt) zu einen der berühmtesten Hackern der Welt. 1996 mit gerade einmal 20 Jahren wurde er in Melbourne, Australien, seinem damaligen Wohnort, wegen vierundzwanzigmaligem Einbruch in geheime Datenarchive von Unternehmen, wie dem amerikanischen Sicherheitskoordinatenzentrum des Militärs, verhaftet. Assange und einige andere hatten darüber ganze zwei Jahre die volle Kontrolle. Obwohl die jungen Leute sogar an einigen Polizeiberichten „herumgebastelt“ hatten und auch die Nasa zu ihren Opfern gehörten, meinte der Richter, dass Assange nur ein neugieriger, junger Mann sei, der niemandem etwas Böses wolle, dieser musste daraufhin nur eine symbolische Strafe zahlen. Damit gehörte er zu einen der ersten, verurteilten Hacker weltweit.
Diese Anklage verstärkte jedoch sein Verlangen für die Freiheit von Informationen zu kämpfen. Zusammen mit ähnlich Denkenden startete er eine Seite auf der unbekannte Meinungen veröffentlicht werden konnten. Dies ging solange gut, bis dort geheime Informationen über Scientology publiziert wurden. Nachdem die Briefe des Rechtsanwaltes von Scientology, in denen er die einzelnen Mitwirkenden WikiLeaks persönlich angegriffen hatte, nicht ihre Wirkung zeigten, ging die in Deutschland anerkannte Sekte einen Schritt weiter und setzten einen Privatdetektiv auf Assange an, der ihn aufspüren sollte. Zunächst gelang es ihm die geheime Telefonnummer des Gesuchten zu bekommen und so tätigte er einige Drohanrufe. Assange begriff schon in jungen Jahren, dass das Veröffentlichen von Informationen über unmoralische oder illegale Machenschaften einen machtvollen Schutz haben kann, da die Verantwortlichen enttarnt und im Idealfall zur Verantwortung gezogen werden konnten. Deswegen registrierte er die Internetadresse leak.org schon 1999.
Erst sieben Jahre später, also 2006, wurde WikiLeaks von Assange und einigen anderen Gegründet.
Alle hatten dort die Möglichkeit auf Machtmissbrauch, über eine geheime Mailingliste, aufmerksam zu machen, ohne dabei in Gefahr zu laufen entdeckt zu werden. Jede Quelle und jeder Informant sollte komplett anonym bleiben während er die Dokumente an WikiLeaks weiterleitete, die auf ihrem Weg zu dem eigentlichen Mailaccount erst von jeglichen Erkennungsmerkmalen gereinigt und dann über ein Netzwerk, das aus Computern auf der ganzen Welt besteht, geschleust wurden, so dass es unmöglich erschien jemals zu erfahren, wer, wie, was, wann, wo publiziert hatte. Alle WikiLeaks-Daten wurden auf einem schwedischen Server gespeichert.
Wie man dem Namen der Webside schon anhören konnte, war diese an die allseits bekannte Wikipedia-Webside angelehnt und versuchte so viele Menschen wie möglich dazu zu motivieren, als anonyme Freiwillige, die gesammelten Informationen auf Echtheit zu überprüfen. Assange rechnete am Anfang mit großem Zulauf, der jedoch ausblieb.
So beschloss die WikiLeaks-Gruppe enger mit den Medien zusammenzuarbeiten, da diese die besten Möglichkeiten hatten, wichtige Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen. Mit dem Guardian, einer bekannten britischen Zeitung, stellte WikiLeaks den ehemaligen Präsidenten Kenias, Daniel Arap Moi, der Staatsgelder in Höhe von Milliarden unterschlagen hatte, und auch das der dortigen Regierung zur Verfügung stehende Killerkommando bloß. Durch diese Zusammenarbeit erhielt Assange wohl auch die ersten Kontakte zu David Leigh und dem Chefredakteur des Guardian, Alan Rusbridger.
WikiLeaks blieb außerhalb von Fachkreisen weiterhin unbekannt, bekam jedoch zu dem radikalen CCC (Chaos Computer Club) erste Verbindungen, wodurch WikiLeaks schließlich Kontakte zu den besten Hackern weltweit knüpfen konnte.
2007 veröffentlichte WikiLeaks ein militärisches Handbuch, welches detailliert beschrieb, wie Terrorverdächtige auf dem US-Luftwaffenstürzpunkt, Guantanamo, in Kuba, behandelt wurden und verdeutlicht, wie Häftlinge durch psychische Isolationshaft gebrochen werden. WikiLeaks schaffte damit, das, was allen Menschenrechtsorganisationen bisher noch nicht gelungen war.
Daniel Domscheit-Berg (*1978), ein deutscher Informartiker aus Berlin, hörte das erste Mal Ende 2007 von WikiLeaks und verstand schon bald, welch ein Potenzial hinter dieser Organisation steckte. Durch einen Chat kam Domscheit mit Assange in Verbindung. Weil er das Gefühl hatte durch seine Mitarbeit etwas in der Welt bewegen zu können, kündigte Daniel zwei Jahre später seinen Job, um so voll in WikiLeaks einsteigen zu können.
Zu einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Guardian kam es, als WikiLeaks Zugriff auf einen indirekten Bericht über Trafigura und den Giftmüllskandal an der Elfenbeinküste bekamen. 10.000de wurden damals krank und brauch(t)en medizinische Hilfe. Der Guardian wollte diese Story groß rausbringen, wurde jedoch, wie alle anderen Medien in Großbritannien Mundtod gemacht. Auch über das Verbot der Berichterstattung durfte die Öffentlichkeit nicht in Kenntnis gesetzt werden.
Eine Hackergruppe hatte in den USA herausgefunden, dass die damalige Kandidatin, Sarah Palin, für die Vizepräsidentschaft Regierungsgeschäfte über eine Yahoo-Adresse führte. Auch dies landete schnell auf WikiLeaks.
Innerhalb der ersten zwei Jahre, hatte WikiLeaks schon über eine Millionen Dokumente veröffentlicht.
Und es sollten noch viele folgen.
Im Oktober 2008 platzte die isländische Finanzblase und fast jede Woche ging eine Bank pleite. Da WikiLeaks Dokumente besaß, die den Zusammenbruch, aufgrund von Vetternwirtschaft, Verstöße gegen das Aktiengesetz und Verletzung der Sorgfaltpflicht zurückführte und diese auch durch die Medien veröffentlichen lassen wollte, setzten die Banker den staatlichen Medien einen Maulkorb vor. Kristinn Hrafnsson, der Erste, der darüber im Fernsehen hätte berichten sollen. Da er dies nun nicht mehr konnte, verwies er dafür mehrmals auf die Webside WikiLeaks.org, dort würden die Zuschauer alles erfahren.
Als Assange und Domscheit später nach Island reisten, waren die Leute begeistert. Die beiden traten in einer TV-Show auf. Sie entwickelten innerhalb der Show die Idee das Modell der Steueroase in eine Oase der Pressefreiheit umzuwandeln und diese als Geschäftsidee in Island einzuführen, so dass die größte, europäische Insel das Zentrum der weltweiten Publikation werden könnte. Dieses Projekt nannten sie „die Schweiz der Bits und Bytes“.
Der isländische Medianaktivist Smári McCarty, der Historiker Herbert Snorrason, die Parlamentarierin Brigitta Jónsdóttir und Julian Assange schrieben in knapp fünf Stunden einen kompletten Gesetzesentwurf, darüber, wie Island seine Pressefreiheit stärken könne und die Banken nie wieder die Macht haben kann, die öffentliche Presse zum Schweigen zu bringen. Das isländische Parlament nahm diesen ihm vorgelegten Entwurf einstimmig an.
Dies war mit einer der größten Siege WikiLeaks.
Bradley, heute Chelsea, Manning** (17.12.1987) wurde in jungen Jahren von seiner Familie auf Grund seiner Homosexualität verstoßen, weswegen er sich mit 17 Jahren als Freiwilliger zum Militär meldete. Seine schon vorhandenen Computerkenntnisse waren ausschlaggebend für seine militärische Ausbildung zum Nachrichtenanalysten. In der Forward Operating Base Hammer (östlich von Bagdad, Irak) stationiert, arbeitete er mit „Top Secret“-Unterlagen.
Es wird allgemein vermutet, dass er derjenige war, der Dokumente, Fotos, sowie Videos WikiLeaks zuspielte. Seine Motive sind unbekannt. Es wäre wahrscheinlich auch niemand darauf gekommen, dass Manning etwas damit zutun haben könnte, wenn er nicht im Mai 2010 als bradass87 durch einen Chat mit Adran Lamo in Kontakt getreten wäre.
Adrian Lamo (20.02.1981) ist ein wie Assange ebenfalls weltberühmter Hacker. Er hackte sich unter anderem in die New York Times, Yahoo! News und Microsoft, sowie in einige Informationssysteme der US-Regierung ein und wurde für seine Vergehen als Straftäter verurteilt.
In dieser vertraulichen, teils sogar emotionalen Unterhaltung, die auch über spiritueller und sexueller Ebene lief, ließ Manning schon anfangs deutlich durchblicken, dass er Zugang zu geheimen militärischen Informationen aus dem Irakkrieg und dem Einsatz im Afghanistan-Krieg hatte.
Als Manning dann erwähnte, dass ein ihm nahestehender Bekannter ins US-Netzwerk eingedrungen war und einige Daten einem verrückten, weißhaarigen Australier zugespielt hatte, wurde Lamo zunehmend beunruhigt. Er realisierte, dass das Leben, der namentlich Genannten, gefährdet wären, wenn diese Dokumente veröffentlich würden. Daraufhin musste er die, wie er sagte, schwerste Entscheidung seines Lebens treffen.
Deshalb arrangierte Lamo einen Chat mit einigen Agenten der Spionageabwehr in Kalifornien, diese waren darüber besorgt, was Manning da trieb, wollten jedoch, dass Lamo zunächst einfach abwartete. Nachdem Lamo zwei Tage lang mit Manning gechattet hatte, verschwand dieser plötzlich.
Assange und Domscheit, die vorerst auf Island geblieben waren, planten schon mit Brigitta Jónsdóttir und Hrafnsson die nächste nun noch größere Enthüllung.
Diesmal: Ein Video aus einem Apache Kampfhubschrauber, der über Bagdad flog. Die Objektive der Kameras haben eine große Reichweite, sodass die Bilder aus einer Höhe von zwei bis drei Kilometern aufgenommen werden können. Die Helikopter fliegen oft so hoch, damit sie nicht von Menschen unten durch Handfeuerwaffen angegriffen werden können. Die Soldaten in diesem Hubschrauber glaubten, zu sehen, wie eine Gruppe von Aufständischen, von denen zwei bewaffnet waren, unter ihnen durch die Straßen liefen. In Wirklichkeit waren es jedoch nur eine Kamera und ein Fotoapparat, die auf dem kleinen Bildschirm wahrscheinlich einfach schlecht zu erkennen waren, mit denen die zwei Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters, Saaed und Namir, ausgestattet waren. Die Amerikaner baten, um Schussfreigabe. Diese wurde ihnen gewehrt. „Let me know when you’ve got them. Lets shoot. Light’em all up. Come on fire!“ („Sag, wenn du sie erwischt hast. Feuer frei. Knall sie alle ab. Los Feuer!“) Sie feuerten auf die Gruppe. Das Feuer wurde erst eingestellt, als alle bis auf einer tot über der Straße verteilt waren. Die Soldaten lachten über die „toten Bastarde“.
Saaed war der einzige Überlebende. Schwer verletzt schleppte er sich über die Straße zum Bordsteinrand. Er versuchte seinen Körper über die Schwelle auf den Bürgersteig zu hieven. Die Soldaten warteten darauf, dass er eine Waffe zieht, damit sie einen Grund haben ihn endgültig töten zu können. Doch bevor sie die Möglichkeit dazu bekamen, fuhr ein Van vor. Ein Familienvater wollte gerade seine zwei Kinder zur Schule bringen. Als er den Verletzten sah, hielt er an und versuchte ihn mit einem Augenzeugen zusammen in sein Auto zu tragen, um ihn ins Krankenhaus zu bringen. Die Kinder, die vorne im Wagen saßen, schauten dem Geschehen zu.
Die Soldaten fragten die Zentrale ein weiteres Mal nach Schusserlaubnis und bekamen auch diese. Die Amerikaner schossen auf den Lieferwaagen.
Der US-Soldat Ethan McCord war einer der Augenzeugen kurz nachdem grauenvollen Schauspiel. Er erreichte den Tatort wenig später mit seiner Einheit. Er war schockiert von dem was er sah und beschrieb es als „unwirklich, wie aus einem schlechten Horrorfilm“. Als McCord einige Fotoaufnahmen macht, bemerkte er, dass der Sohn des Fahrers noch lebte. Er schrie: „Der Junge lebt!“ Er trug ihn rüber zu seinem Fahrzeug und versuchte ihn zu beruhigen.
Nach dieser Situation konnte McCord es nicht mehr vor sich selbst rechtfertigen ein Teil dieses grausamen und sinnlosen Zerstörung zu sein, deswegen war er nicht zum Militär gegangen.
Die beiden Kinder überlebten wie durch ein Wunder.
Ihr Vater starb.
Noch bevor das Video der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte, eskalierte die Situation in Island. Die WikiLeaks-Gruppe driftete, auch wegen Assanges zunehmend autoritären Verhaltens, auseinander.
Eine Kurzfassung dieses Videos wurde von Assange, vertretend für WikiLeaks, auf einer Pressekonferenz am 05.04.2010 in Washington vorgeführt. Auf die Frage, wer ihm das Video zugespielt hatte, verweigerte Assange die Antwort. Die amerikanischen Medien begannen die Quelle zu jagen und interessierten sich eher weniger für die Besatzung des Hubschraubers und das eigentliche Ereignis. Warum auch. Alles was auf diesem Video geschah, war im Rahmen der „rules of engagement“ (Verhaltensregeln für den Krieg). Diese Regeln sind jedoch so ausgelegt, dass die Soldaten genügend Möglichkeiten haben sich innerhalb des Spielraums dieser Regeln zu rechtfertigen.
Später wurde bekannt, dass Bradley Manning im Mai 2010 verhaftet wurde. Das erklärt auch sein plötzliches Verschwinden aus dem Chat mit Lamo.
Daniel Domscheit-Berg fand, dass es für jede Organisation das Schlimmste ist, wenn einer der Informanten verhaftet wird. Obwohl er nicht weiß, ob Manning der Absender der Dokumente und des Videos war, hätte er es für eine angemessene Reaktion gehalten, die komplette Arbeit mit den Kriegsdokumenten einzustellen, um Manning vorerst nicht weiter zu schaden. Assange war da jedoch anderer Meinung und wollte weiter mit den Dokumenten arbeiten. Er genoss zum ersten Mal allseitige Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit, die es ihm ermöglichte sich und die Organisation, als Helfer gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt, zu präsentieren.
Von der Presse unbemerkt wurde Bradley Manning am 6 Juli 2010 ins Militärgefängnis Quantico, Virginia, verlegt.
Nick Davies, der Sonderkorrespondent vom Guardian, wurde auf Mannings Fall aufmerksam. Da man zuvor noch nicht viel von WikiLeaks gehört hatte, weckte diese Organisation, die die Dokumente von Manning zugespielt bekommen haben sollte, seine Neugier. Davies ging zu seinem Kollegen David Leigh und wollte sich mit ihm zusammen auf die Suche nach Assange, der sich versteckt hielt, begeben. Leigh winkte nur locker ab und wünschte ihm viel Glück bei der doch eher hoffnungslosen Suche.
Doch Davies schaffte es Assange, obwohl dieser aufgrund des Besitzes der Dokumente in Lebensgefahr schwebte, schließlich in Brüssel aufzuspüren und sich mit ihm dort im Hotel Leopold zu treffen. Die beiden Männer unterhielten sich ganze sechs Stunden lang. Anfangs wollte Assange einfach alles auf die WikiLeaks-Seite stellen, willige jedoch schnell ein, alles über einen Zusammenschluss der wichtigsten Presseorgane zu veröffentlichen. Sie einigten sich auf den Guardian, die New York Times und später auch den Spiegel. Danach planten Davies und Assange, in welcher Reihenfolge die Dokumente veröffentlicht werden sollten und wie sie die Unterlagen nach London bringen konnten, ohne entdeckt zu werden.
Als Davies zurückkam, versammelten sich alle, darunter auch Leigh, im Büro von Alan Rusbridger, dem Chefredakteur des Guardians. Dort erklärte Davies, dass sie sofort die New York Times dazu bringen mussten mit einzusteigen.
Bill Keller, der Chefredakteur der New York Times, bekam daraufhin einen Anruf von Rusbridger, der ihn fragte, ob sie über eine sichere Leitung sprechen konnten.
Der Korrespondent Eric Schmitt der New York Times flog daraufhin nach London, um dort mit Assange und dem Guardian zusammenzuarbeiten.
Als Georg Mascolo vom Spiegel als dritter Chefredakteur der Runde informiert wurde, war ihm zuerst gar nicht bewusst, wie umfangreich die Datensammlung war. Er schickte den Spiegel-Reporter, John Goetz zum Guardian.
In einem fensterlosen Raum im 4. Stock standen lediglich einige Computer und ein Aktenvernichter. Die Gruppe von Journalisten durften mit niemandem im Gebäude sprechen und auch keine Telefonate mehr führen, nachdem sie den Raum einmal betreten hatten. Und erst dort trafen sie mit Julian Assange zusammen.
Das Material, welches er ihnen mitbrachte, bestand hauptsächlich aus Kriegsprotokollen, die von Soldaten kurz nach den Geschehnissen angefertigt worden waren. Nach der Fertigstellung dieser Protokolle nach Kabul an die jeweiligen Vorgesetzten und von dort nach Washington. Die Texte waren größtenteils mit Militärskürzeln, wie EKIA, was „Feind im Einsatz getötet“ (Enemy killed in action.)
oder WIA, was „im Einsatz verwundet“ (Wounded in action.) heißt. Die 93.000 Akten, die aus den Jahren 2004 bis 2009 stammten, waren chronologisch geordnet, hatten ansonsten jedoch kein weiteres System.
Also gingen die Reporter mit vagen Vermutungen an die Sache heran und durchsuchten die Texte nach den Worten, „zivile Todesopfer“. Sie fanden einige Stellen, die jedoch nirgends in Berichten vermerkt waren. Als sie als nächstes nach „Gewalteskalationen“, was eigentlich nur eine Art der Verschönung ist, um das Töten von Zivilisten zu umschreiben, suchten, fanden sie viele Stellen. Eine immer wieder auftretende Situation war, dass ein Auto zu nahe an ein Militärkonvoi heranfuhr und der Schütze, der im Heck saß, es aus Panik unter Beschuss nahm. Es gab 76.000 solcher und ähnlicher Vorfälle, die als geheim eingestuft worden waren, dazu gehörten noch nicht die streng geheimen. Man konnte aufgrund dieser Informationen nur erahnen, welche Art der Information als streng geheim eingestuft wurden.
Auch gaben die Akten Aufklärung über eine bis dahin unbekannte US-Spezialeinheit.
Die Task Force 373. Sie war meist für die Fälle zuständig in denen es den Amerikanern gleich war, ob ihre Ziele (meist Afghanen, die für Terroristen gehalten wurden) tot oder lebendig gefasst wurden. Ein Bespiel dafür ist die Mission vom 24. Juni 2009. „Millersville“, war der Codename für das Zielobjekt der Operation. Die TF 373 fuhr mit Bodentruppen, begleitet von einem Hubschrauber, zu einem Gehöft auf dem sie den Taliban-Kommandeur Amir Jan Mutaki vermuteten. Er und einige andere waren, einem der vorliegenden Dokument zufolge, bei Überfällen auf Konvois der internationalen Schutztruppen beteiligt gewesen.
Die TF 373 kam auf dem Gehöft an. Vom Helikopter aus wurden sechs Männer niedergeschossen. Die Bodentruppen stürmten das Gebäude. Sie fanden zwei weitere Männer, drei Frauen und sechs Kinder vor. Eines der Kinder wurde von einem Kampfhund des Militärs gebissen. Die Soldaten fanden Bombenmaterial, Panzergranaten und einige Gewehre. Die Operation wurde schon als erfolgreich benannt, obwohl sich erst danach herausstellte, dass einer der toten Männer wirklich der Gesuchten gewesen war.
Dies war nur eine von etlichen nächtlichen Razzien, die die TF 373 durchführte und gehörte zum normalen Alltag des Kriegs.
Mit der Zeit wurden immer mehr Redakteure des Spiegels in die extrem langwierige Arbeit, die kein Ende zu nehmen schien, mit eingebunden, da jedes einzelne Dokument, jede Geschichte so weit es geht überprüft werden musste, um herauszufinden, ob es authentisch war. Einige Male hatten sie sogar Kontakt zur US-Regierung aufgenommen, um nach der Existenz dieser Unterlagen zu fragen.
Holger Stark, ebenfalls ein Spiegel-Reporter, berichtete: „Es hatte insgesamt auch die Atmosphäre einer Gruppe von Computerfreaks, die beieinander saßen.“ Assange selbst war erst spät am Tage zu ihnen gestoßen, meist sichtlich verschlafen und unrasiert. Dann setzte er sich an einen Computer und arbeitete die nächsten zwölf bis achtzehn Stunden durch. Allgemein galt er als nachtaktiver Mensch.
Assange wollte jedoch alle Dokumente unbearbeitet auf WikiLeaks stellen. Viele, darunter auch Light, sagten Assange, dass er dadurch Menschen in große Gefahr bringen könnte. Assange nahm dies zu nächst nicht ernst und machte zynische Bemerkungen, auf Kosten der amerikanischen Informanten, die in Afghanistan lebten. Erst als die Journalisten ihm klar machen konnten, wie menschenfeindlich das war, beschloss Assange 17.000 Dokumente in denen sich, seiner Meinung nach, die meisten Namen befanden zurückzuhalten. Damit, und dem Versprechen alle Namen der Personen aus den Afghanistan-Berichten zu schwärzen, schien der Konflikt zunächst beendet.
Mit dem näher rückenden Tag der Veröffentlichung, wurden die Journalisten und Assange immer nervöser. Sie hatten so lange auf diesen Coup hingearbeitet, dass nun die immer stärker aufkommende Spannung kaum auszuhalten war.
Am 25. Juli 2010 war der Tag der Veröffentlichung.
Assange stellte die Artikel in einer Pressekonferenz kurz vor und dann wartete er, wie auch alle anderen auf die Reaktion der USA.
„Ich bin besorgt über die Offenlegung vertraulicher Informationen...“, sagte Präsident Obama auf einer Pressekonferenz.
Die ganze Welt sprach 48 Stunden lang über TF 373 und den vielen zivilen Opfern.
Entgegen der Absprache zwischen Assange und den drei Presseorganen, wurden kurz darauf unbearbeitete Dokumente, die dadurch das Leben identifizierbarer Afghanen gefährdeten, auf der WikiLeaks-Seite veröffentlicht.
„Es ist richtig die Namen von Politikern, Generälen, Bürokraten, ect. zu veröffentlichen. Es ist auch richtig die Namen von Getöteten, Ermordeten und Leute die Überwacht werden müssen zu veröffentlichen. Und es ist richtig die Namen aller Beteiligten, die nicht unmittelbar beteiligt sind, zu veröffentlichen.“ Weiter sagte Assange, dass es ein Versehen sei, dass die Namen der Dorfbewohner, die Informationen an amerikanische Soldaten weiter gaben, veröffentlicht wurden. Es sei jedoch nicht sein Versehen, sondern dass des US-Militärs, da dieses nicht dafür gesorgt hatte, dass das Material geheim blieb. Und auch der Guardian, die New York Times und der Spiegel seien dafür mit verantwortlich, weil sie dieses Material nicht veröffentlicht hatten, dabei war es doch deren Aufgabe, so Assange. Er habe Nachforschungen betrieben und keine Anzeichen dafür gefunden, dass jemand aufgrund dieser Veröffentlichungen bei WikiLeaks, zu Schaden gekommen sei.
Da Assange jedoch immer noch eine Auslieferung befürchten musste, gab er Leigh für den Guardian im Geheimen eine Kopie des restlichen Materials.
Assange hatte jedoch anscheinend aus seinen Fehlern gelernt. WikiLeaks holte sich erfahrende Journalisten mit ins Team und in den nächsten 400.000 veröffentlichten Dokumente waren alle Namen gelöscht worden. Alleine in diesem Material, das hauptsächlich vom Irak-Krieg handelt, wird von etwa 109.000 Toten gesprochen, von denen vielleicht gerade mal drei Prozent amerikanische und verbündete Soldaten waren. Die anderen 97 Prozent waren Zivilisten. Es gab viele Misshandlungen in Gefängnissen durch irakische Sicherheitskräfte mit dem Wissen der amerikanischen Behörden.
Noch vor der Veröffentlichung gab es Konflikte zwischen Assange und dem Guardian, weil Assange das Irak-Material auch noch an drei andere Presseunternehmen weitergegeben hatte. Davies wurde über diesen Vertrauensbruch sehr wütend.
In der darauffolgenden Pressekonferenz genoss Assange sichtlich das Scheinwerferlicht. Er war sich seiner eigenen Wirkung sehr bewusst und ließ das die ganze Welt wissen. Die dadurch gewonnene Macht ließ er vor allem aber seine Kollegen, darunter immer noch Domscheit, deutlich spüren. Er sah sich mit der Zeit immer mehr wie eine Art Übermensch; der Sonnenkönig von WikiLeaks.
Assange wurde als Held gefeiert, bekam Preise als Vertreter für WikiLeaks überreicht, wurde wie ein Popstar bejubelt und als Internet-Rebell gefeiert. Einige bezeichneten ihn sogar als Engel.
Eine CIA-Einheit, 120 Beamte vom Pentagon und anderer Organisationen wurden auf Assange und die anderen WikiLeaks-Mitglieder angesetzt. Die Rede war von Auslieferung und geplanten Entführungen einzelner WikiLeaks-Mitglieder.
Im August reiste Assange nach Schweden, um dort WikiLeaks als schwedische Netzzeitschrift weiterzuführen.
Leigh war zu der Zeit in Schottland damit beschäftigt das von Assange zugespielte Material zu sichten. Es handelte sich hierbei um Dossiers über ausländische Regierungsvertreter und Politiker, die von amerikanischen Diplomaten angefertigt worden waren. Er realisierte, dass diese Dokumente die diplomatischen Beziehungen der USA zu über hundert Ländern erheblich belasten oder sogar hätte beenden können. Da bekam er einen überraschenden Anruf von Davies, der ihm berichtete, dass Assange in Schweden verhaftet wurde.
Er wurde wegen Vergewaltigung und Missbrauch zweier Frauen festgenommen.
Assange sah das ganz klar als Racheaktion der USA, die nur eine Möglichkeit suchten ihn Mundtot machen zu können und daher Druck auf Schweden ausgeübt hätten. Auch seine jetzigen und früheren Kollegen konnten nicht glauben, was sie da hörten. Die zwei Klägerinnen äußerten sich lediglich in einem anonymen Interview zu dem Vorfall.
Assange bezeichnet alle Vorwürde gegen ihn als unwahr und begann der Presse Kommentare zu twittern, die klarlegen sollten, dass es sich hier um einen schmutzigen Trick der Amerikaner handelte. Assange, der immer für die Wahrheit stand, verstrickte sich nun in eine Verschwörungstheorie, die ihm keiner mehr glaubte.
Nachdem Assange dem Verhör durch die schwedische Polizei, verließ er das Land umgehend.
WikiLeaks zerbrach daraufhin und sein langjähriger Mitstreiter Daniel Domscheit-Berg verließ die Gruppe. Domscheit gründete daraufhin seine eigene Seite OpenLeaks.org gründete, die dazu dienen sollte, dass jeder anonym Dokumente an die öffentliche Presse weiterspielen konnte.
Die New York Times brachte kurz darauf ein wie Assange es nannte, „Schmierenstück“ heraus, das ihn persönlich und WikiLeaks als Organisation diskreditierte. Daraufhin verweigerte Assange ihnen die weitere Beteiligung der Presseallianz mit dem Guardian und dem Spiegel.
Leigh, der das Material von Assange noch besaß, gab der New York Times daraufhin eine Kopie, um die Vereinbarung von seiner Seite aus nicht zu brechen.
Am 1. November stürmte Assange den Guardian zusammen mit seinen Anwälten und hatte ein etwa achtstündiges Meeting mit Rusbridger, dem Chefredakteur, indem Assange den ein oder anderen Wutanfall nicht ausließ.
Nach diesem Gespräch, fragte er beim Spiegel an, ob diese denn noch mit dabei seie, obwohl die New York Times draußen war und er zu keiner Einigung mit dem Guardian kam. Mascolo vom Spiegel lehnte ab, da er das ganze Projekt nur mit der ganzen Gruppe beenden wollte. Assange verließ den Raum mit den Worten, dass er den Spiegel nicht haben müsse.
Mannings Aufsichtmaßnahmen wurden massiv verstärkt. Offiziell hatten sie ein Auge auf ihn, damit er sich nicht selbst Schaden zu fügte. In Wirklichkeit hieß das, dass er jeden Tag um 5 Uhr morgens geweckt, ständig auf Trapp gehalten und alle fünf Minuten gefragt wurde, wie es ihm geht. Darauf musste er antworten. Er durfte nicht schlafen und kein Körpertraining machen. Wenn er es doch versuchte, wurde er gewaltsam daran gehindert. Später nahmen sie ihm sogar seine Kleidung weg.
Ein guter Freund von Manning, der Einzige, der Besuchsrecht hatte, erzählte über den grauenvollen Verfall des jungen Mannes.
Bis zum 3. März 2011 wurden weitere zwanzig Anklagepunkte gegen Manning aufgeführt, darunter auch Kollaboration mit dem Feind, wofür ihm die Todesstrafe drohen kann.
Doch dies scheint die meisten Medien nicht mehr zu interessieren.
Mannings Verhandlungen sind vermutlich noch nicht beendet. Es gibt immer noch einige Aktivisten, die sich für ihn einsetzen, doch auch diese Zahl nimmt ab. Manning war, wie schon so viele vor ihm, einfach in Vergessenheit geraten.
Später kamen der Guardian, der Spiegel und die New York Times wieder mit Assange zusammen. Die zwei Neuen in dem Bunde waren le Monde aus Frankreich und El País aus Spanien. Die Dokumente beinhalteten Berichte und Meinungen der US-Diplomaten über andere Regierungsvertreter.
Zwei Wochen vor der Veröffentlichung teilte die New York Times dem Weißen Haus mit, welch spektakulären Artikel sie dieses Mal veröffentlichen werden.
Fünf verschiedene Zeitungen in drei verschieden Zeitzonen wollten alle zur selben Zeit den Artikel herausbringen.
Am 28. November 2010 wurden die Artikel veröffentlicht. Es wird als der größte Spionageakt der Geschichte beschrieben, den die USA erleben musste. Viele der Weltpolitiker waren persönlich getroffen und Hillary Clinton, die Außenministerin, musste die Wogen wieder glätten.
In England versuchte Assnage immer noch gegen seine Auslieferung nach Schweden zu kämpfen. Er kündigte an alle 250.000 Diplomatendepeschen ohne Schwärzung zu veröffentlichen. Die Journalisten von den Zeitschriften mit denen er zusammen gearbeitet hatte, rieten ihm davon ab, es sei unverantwortlich. Daraufhin ließ Assange bei Twitter darüber abstimmen.
Nachdem das Gericht ihn ausliefern wollte, flüchtete Assange in die paraguayische Botschaft in London. Von da aus versuchte er nach Paraguay auszureisen, welches ihm Asyl angeboten hatte. Es ist ihm bis heute nicht gelungen .
So ist er auch nur nicht zu letzt wegen seines Verhaltens ein Gefangener seiner eigenen Machenschaften.
Quellen:
Websides:
wikileaks.org
spiegel.de
wikipedia.de
Fotos:
http://www.thegatewaypundit.com/2017/10/assange-evidence-emerges-conspiracy-take-dnc-2010/
https://ivn.us/2017/08/30/julian-assange-if-trump-doesnt-keep-promise-i-will/
http://www.deutschlandfunkkultur.de/daniel-domscheit-berg-ueber-die-cia-man-wird-mundtot-gemacht.1895.de.html?dram:article_id=380930
http://sydney.edu.au/news/84.html?newsstoryid=7095
http://wjtv.com/2017/05/17/chelsea-formerly-bradley-manning-released-from-prison/
https://de.wikipedia.org/wiki/Adrian_Lamo
http://www.abc.net.au/local/stories/2015/05/19/4237910.htm
Dokumentationen:
Menschen und Mächte Spezial
WikiLeaks – Geheimnisse und Lügen
Krieg im Netz
**Ich möchte anmerken, dass ich diesen Artikel vor einigen Jahren geschrieben habe (nur die Fotos sind vielleicht aktueller) und er deshalb nicht auf dem aktuellsten Stand ist und Chelsea Menning auch in diesem Artikel auch noch als "er" bezeichnet wird.
Ich wollte einfach mal schauen, ob es hier auf der Plattform ein generelles Interesse für deutschsprachige Texte gibt.
Freue mich über jedes Feedback :)
LG
shirocca
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