RE: Logbuch von Herrn Grau - Eintrag 187

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Logbuch von Herrn Grau - Eintrag 187

in hive-105106 •  22 days ago 

Logbuch von Herrn Grau:


Eintrag-333


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Dämonischer Kaninchenkult

Wieder ein Tag, an dem die Straßen der namenlosen Stadt mich wie ein labyrinthisches Netz umschließen. Die Fassaden bröckeln, als könnten sie die Last der vergangenen Epochen nicht mehr tragen. Der Regen prasselt monoton, eine Sinfonie aus Tropfen und Verfall.

Da stehe ich, gefangen in einem Augenblick der Stille, als sich vor mir dieses groteske Monument erhebt: Ein Hase, aber nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus kaltem, unnachgiebigem Metall gegossen. Seine Augen starren durch mich hindurch, funkelnd, als wüssten sie mehr über das, was sich jenseits der Schatten verbirgt. Der Riss in seiner Oberfläche wirkt wie eine Mahnung — ein Symbol der Verwerfung, als hätte er einstige Schönheit gegen eine mechanische Kälte eingetauscht.

Dieses Wesen, diese absurde Statue, thront in einem Rahmen aus rostigem Eisen, als wäre es ein Relikt aus einer Zeit, die längst den Verstand verloren hat. Es erinnert mich an die unzähligen Schichten unserer Existenz: die stählerne Umklammerung der Bürokratie, die uns niederdrückt, und die unvermeidbare Erosion unseres Geistes.

Der Hase trägt ein Amulett — was für ein Hohn, als ob ein Symbol der Schutzlosigkeit eine Bedeutung hätte in einer Welt, die längst alle Hoffnung aufgegeben hat. Ein groteskes Lächeln zeichnet sich auf seiner unmenschlichen Fratze ab, ein stummer Spott über unsere verzweifelten Versuche, Sinn in einem sinnlosen Mechanismus zu finden.

Vielleicht ist er nur eine weitere Illusion, eine Manifestation des Wahnsinns, der sich wie ein Schatten über die Stadt gelegt hat. Oder vielleicht ist es ein Spiegelbild, ein stiller Beobachter unserer kleinen Tragödien, unserer nutzlosen Fluchten und unerfüllten Hoffnungen.

Doch was bleibt uns, wenn selbst der Hase in seiner goldenen Starre mehr Substanz zu besitzen scheint als wir in unserer flüchtigen, brüchigen Existenz? Ein Symbol des ewigen Wartens, der unaufhörlichen Suche nach einem Ausgang, der sich vor unseren Augen immer wieder verflüchtigt.

Und so bleibt er dort, der Hase, ein stiller Zeuge einer Welt, die sich selbst vergessen hat. Ein weiterer Eintrag in das unendliche Logbuch eines Lebens, das sich in einem endlosen Refrain aus Fragen und unbeantworteten Gedanken windet.

Herr Grau

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Logbuch von Herrn Grau:


Eintrag-335

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Die stählerne Gestalt im Dunkel

In den unnachgiebigen Augen des metallischen Wesens spiegelt sich die Distanz unserer Zeit, ein Panorama aus Kälte und Stille. Es steht da, monumental und doch verloren, ein Wächter ohne Zweck. Ein Hase, ja, aber in dieser Gestalt eher ein Abgesandter aus einer Welt, in der jedes Gefühl zu Schweigen erstarrt ist. Auf den ersten Blick harmlos, fast grotesk, doch sein Antlitz birgt eine Stille, die schwerer wiegt als alle Worte. Man könnte ihn als eine Metapher für die inneren Brüche betrachten — jene Risse, die man nur mit geschlossenen Augen ertragen kann.

Traditionell ein Symbol der Flucht, verweigert sich diese Figur dem Instinkt der Bewegung. Stattdessen: starres Metall, das den inneren Konflikt in Form presst. Ein Bild des Widerstands gegen die eigene Natur, ein Exil im eigenen Körper. Die Oberfläche, durchzogen von Rissen, erzählt leise von den unsichtbaren Belastungen. Nicht bloß fehlerhafte Handwerkskunst, sondern die Fraktur einer vergeblichen Abwehr gegen das, was in der Tiefe lauert.

Das Amulett um seinen Hals funkelt düster, als wäre es ein letzter Versuch, etwas Heiliges zu bewahren, wo nichts mehr heilig ist. Es ist ein Zeichen der verzweifelten Ordnung in einer chaotischen Welt, ein Totem der Kontrollwut, die wir uns auferlegen. Doch hier wird es zur Last, die den Hals hinunterdrückt, als hätte sie die Schwere all unserer unausgesprochenen Ängste gesammelt. Ein Spiegelbild der Regeln und Fetische, die uns nicht schützen, sondern fesseln.

Analytisch betrachtet, könnte dieses Wesen den stummen Zeugen des Über-Ichs verkörpern — eine autoritäre Figur, die jeden Fehltritt kommentiert, jedoch selbst keine Erlösung bietet. Der rostige Rahmen, der ihn einhegt, ist mehr als bloß eine Kulisse: Er ist das Gefängnis der sozialen Konventionen, die uns einengen und doch keinen Schutz bieten. In seiner Unnachgiebigkeit erinnert er uns an die Kälte, die jede Abweichung als Bedrohung empfindet.

Und dann ist da die Finsternis hinter ihm, eine unbarmherzige Abwesenheit von Licht und Hoffnung, die alles verschlingt. Sie ruft die Vorstellung des Unbewussten wach, das sich lautlos ausbreitet, ein unkontrollierbares Flüstern im Hintergrund. Hier endet die Struktur, und die unendlich schwarze Leere übernimmt. Es ist das Chaos, das wir so verzweifelt zu ordnen versuchen, ein schwarzes Loch, das jede Bedeutung verschluckt und nichts zurückgibt.

Für Herr Grau ist dieser Hase mehr als nur eine stumme Skulptur. Er ist ein lebloser Zeuge des Alltags, der sich uns wie ein Traumgesicht präsentiert — ein schweres Symbol für die tiefsitzende Unruhe, die uns alle erfasst. Die Widersprüchlichkeit zwischen dem Leben, das er symbolisiert, und der Kälte, die er ausstrahlt, ist nicht nur eine ästhetische Entscheidung, sondern eine Spiegelung unserer inneren Konflikte.

Hier steht ein Wesen, das nicht flieht, sondern verharrt; nicht lebendig, sondern ausdruckslos in seiner stählernen Hülle. Es ist ein Sinnbild der Lähmung, eine stille Konfrontation mit dem, was wir nicht sehen wollen. Der metallene Blick, die erstickte Präsenz — es ist ein leiser Vorwurf, ein ewiger Schatten über dem, was wir hoffen und nicht erreichen können. Ein stiller Zeuge der Zerrissenheit, die wir in uns tragen, während wir durch die engen Gitter unserer Gedanken streifen. Eine Mahnung daran, dass auch die starrste Fassade irgendwann bröckeln wird, und darunter nur die Dunkelheit wartet.

Herr Grau