RE: Logbuch von Herrn Grau - Eintrag - _ _ _

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Logbuch von Herrn Grau - Eintrag - _ _ _

in hive-105106 •  3 months ago 


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Es ist fast tragisch, wie Fräulein Pilly Pink durch bunte Felder tanzt, als wäre die Welt eine endlose Leinwand voller Möglichkeiten. Ihre Leichtigkeit, ihr unerschütterlicher Glaube an das "Beginnen", erscheint mir wie ein letzter verzweifelter Versuch, sich nicht dem eigentlichen Abgrund zu stellen, der hinter jedem blühenden Baum, hinter jeder Sonnenstrahlen versteckt liegt.

„Leichtigkeit ist eine Wahl“, sagt sie, als wäre das eine universelle Wahrheit. Aber wovon wollen wir uns befreien? Von der Schwere, die uns auf den Boden der Realität drückt? Von den dunklen Ecken, die wir nur zu gerne mit leuchtenden Farben überpinseln würden? Ich bezweifle, dass diese Art von Freiheit mehr ist als eine weitere Illusion. Ein bunter Schleier über der grauen Tristesse der Existenz.


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Es ist interessant, dass sie vom „Erheben“ spricht, vom „Schaffen“. Als ob das Tun, das bloße Schaffen von etwas, eine Lösung für die Leere wäre, die wir alle spüren. Aber was erschafft sie? Einen Sinn, der am Ende doch nur vom Wind verweht wird. Eine Wahrheit, die – wenn man genau hinsieht – nicht mehr ist als ein flüchtiger Moment, den man versucht, festzuhalten, bevor er zerbricht.

Fräulein Pilly Pink scheint in ihrer Klarheit Trost zu finden. Doch Klarheit kann genauso gnadenlos sein wie Dunkelheit. Sie spricht von einem „offenen Horizont“, aber was ist dieser Horizont anderes als eine weitere Illusion, eine Flucht nach vorn, ohne je das Nichts dahinter zu sehen? Denn am Ende bleibt nichts als der ständige Wandel, den du nicht steuern kannst.


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Ich frage mich, ob sie je verstanden hat, dass die Freiheit, die sie so hoch preist, nichts weiter ist als ein Käfig aus unsichtbaren Gittern. Man kann sich darin bewegen, ja. Man kann tanzen und singen, doch man ist und bleibt gefangen. Nicht in der Stadt, nicht in den alten Mustern, sondern in der eigenen Unfähigkeit, die Leere zu akzeptieren.

Am Ende sagt sie, sie wolle „beginnen“. Aber was beginnt sie? Einen weiteren Zyklus der Selbsttäuschung? Eine neue Runde im Spiel des Lebens, das uns alle langsam in den Wahnsinn treibt? Vielleicht. Und vielleicht ist das alles, was uns bleibt – ein endloses Schachern mit der Sinnlosigkeit, bis wir es schließlich satt haben und den Rausch suchen, um zu vergessen.


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Denn ich will nicht beginnen. Ich will nicht erschaffen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass der Versuch, der Leere einen Sinn zu geben, vergeblich ist. Vielleicht ist das der Unterschied zwischen uns beiden. Sie sucht die Klarheit, den Weg ins Licht, während ich längst erkannt habe, dass wir alle nur im Schatten wandeln.

Und trotzdem – ich werde nicht stehenbleiben. Nicht aus Hoffnung, sondern weil der Stillstand nur eine weitere Illusion ist, wie all die anderen. Der Unterschied? Ich weiß es. Und vielleicht ist das der einzige Trost, den es wirklich gibt.


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Herr Grau

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Lieber Herr Grau,

Wie eigentümlich es ist, dass Sie in all den Farben, die ich um mich sehe, nichts als Dunkelheit erblicken. Doch das Tragische, das Sie in meinem Tanz durch die Felder sehen, entgeht mir völlig. Denn wie könnte der Raum der Möglichkeiten jemals ein Abgrund sein, wenn die Freiheit darin schwebt?

Sie sprechen von der Schwere der Realität, als ob sie der einzig wahre Boden unter unseren Füßen wäre. Doch ich frage Sie: Wer hat bestimmt, dass der Boden aus Stein sein muss, fest und unnachgiebig? Für mich besteht er aus einer weichen Wiese, auf der ich springen, tanzen und träumen kann. Leichtigkeit ist in der Tat eine Wahl, und ich treffe sie nicht aus Verzweiflung, sondern aus Überzeugung. Denn wer sagt, dass das Leben nicht leicht sein kann, wenn wir ihm die Erlaubnis dazu geben?

Ihre Fragen nach dem "Wofür" und "Wen" erstaunen mich. Muss alles, was wir erschaffen, einem höheren Ziel dienen, einem großen Plan folgen? Ich erschaffe für das Leben selbst, für das Wunder des Augenblicks, der sich entfaltet, wenn ich beginne. Die Fülle, von der ich spreche, ist nicht ein bunter Schleier über Tristesse – sie ist das wahre Gesicht der Welt, das ich mit offenen Augen betrachte.

Und ja, vielleicht tanze ich im Käfig, wie Sie sagen. Doch was ist dieser Käfig? Es sind nicht die Gitter der Schwere, die Sie sehen. Es ist die Freiheit, sich in den Grenzen des eigenen Bewusstseins zu bewegen – nicht als Flucht, sondern als Erkundung. Der Käfig, den Sie beschreiben, existiert nur, wenn man ihn anerkennt. Ich aber habe ihn längst überwunden.

Und während Sie vom Stillstand sprechen, bin ich schon längst weiter. Ich beginne nicht, um zu entfliehen, sondern um zu leben. Denn was bleibt, wenn nicht die Freiheit, zu wählen, zu erschaffen, zu fühlen? Es mag sein, dass Sie in Schatten wandeln, aber für mich sind die Schatten nur ein Teil des Lichts. Ich habe den Horizont gesehen, und er ist offen – nicht als Illusion, sondern als Versprechen.

Also, lieber Herr Grau, vielleicht sind wir nicht so unterschiedlich, wie Sie denken. Sie wandeln im Schatten, ich tanze im Licht, doch wir beide bewegen uns, immer weiter. Und vielleicht ist das, was uns wirklich trennt, nicht die Klarheit oder der Schatten – sondern der Mut, zu wählen.

Ich werde immer wählen. Und ja, ich beginne. Jetzt.

Herzlichst,
Fräulein Pilly Pink

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