Heavy Metal Thunder: Wie ein kleiner deutscher Junge ein Steppenwolf und Weltstar wurde

in hive-121566 •  3 years ago  (edited)

Mit dem Namen kannst du nichts werden. Schon gar nicht in Amerika. Und schon gar nicht mit dem Vornamen! Joachim! Nein, der Name muss weg. Mag sein, dass Joachim Krauledat, der später als erster DDR-Bürger überhaupt Rock'n'Roll-Weltruhm ernten sollte, genau diesen Gedanken dachte, damals, Mitte der sechziger Jahre, als ein Hauch von Haschisch durch den amerikanischen Westen wehte und er eben im Begriff war, sich mit seiner alten Wandergitarre unter dem Arm aufzumachen aus dem kanadischen Toronto ins angesagte amerikanische New York.

Jedenfalls, soweit ist die Geschichte verbürgt, nennt sich Krauledat seit dem schlicht Kay, John Kay. Kein Mensch denkt bei diesem Klang mehr an Joachim, an Mutter Krauledat und an den kleinen ostpreußischen Ort Tilsit, in dem im Jahre 1944 Joachims Wiege stand. Die Wirren des Kriegsendes verschlugen die Familie ins ostdeutsche Thüringen, wo sich Joachims Mutter in einem amerikanischen Besatzungssoldaten verliebte, dem sie 1958 nach Ende seiner Dienstzeit über den großen Teich folgte.

Dort infiziert sich der halbwüchsige Joachim nach Ende seiner Schulzeit mit dem Beat-Bazillus. Joachim trampt zwei Jahre kreuz und quer über den Kontinent, treibt sich mit letzten Beatniks und ersten Hippies rum und schließt sich nach seiner Rückkehr der Folkrock-Band The Sparrow an.

Erfolg aber hat Kay, wie sich Krauldat nennt, nicht. Ganz im Gegenteil: Die erste Single „Tomorrows Ship“ wird ein ganz ernsthafter Flop, nach dem die Plattenfirma nicht mehr von den „Spatzen" wissen will. Doch John Kay gibt nicht auf. Nach der Lektüre des Hermann Hesse Romans „Steppenwolf" ändert er nach seinem eigenen auch den Namen seiner Band und wagt von Los Angeles aus einen neuen Anlauf. „Born To Be Wild" heißt die Nummer, die den Jungen aus Thüringen über Nacht an die Spitze der US-Hitparade katapultiert.

Unterstützung kommt nun auch von der nebenan in Hollywood beheimateten Filmindustrie. Peter Fonda sucht zufällig gerade eine Filmmusik für sein Outlaw-Opus „Easy Rider" - und „Born To Be Wild" mit seinen schwermetallichen Gitarrenriffs und dem emphatisch rollenden Refrain scheint ihm genau der richtige Song dafür zu sein.

Seitdem hat Joachim Krauledat alle Höhen und Tiefen durchmessen. Erst auf dem 1990er Album „Rise & Shine" nahm er Stellung zu seiner Herkunft: „Mauer der kalten Angst/du wirst mich nicht halte n/ich will unter der Mauer durch kriechen/meinen Träumen folgend", singt er über seine Gefühle bei der Flucht aus dem Reich der Arbeiter- und Bauern ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Auch der Moment der Grenzüberquerung wurde im Stück „The Wall" wieder Gegenwart: „Dies ist kein Spiel / mein Junge /Mach kein Geräusch / und achte auf den Mann mit dem Gewehr." Und ein Gebet für all jene, die wir zurücklassen, habe seine Mutter noch gesagt.

Er selbst brauchte keine Gebete mehr, denn er hatte Hits wie „Magic Carpet Ride" und „The Pusher", tourte mit Superstars wie Led Zeppelin und The Who, verkraftete Flops wie „For Ladies Only" und auch den Tod seines langjährigen Bassisten Rushton Moreve. Insgesamt verkaufte der Junge aus Thüringen über 20 Millionen Schallplatten, er spielte allein im Jahr 1970 vor zwei Millionen Menschen und verdiente bis heute Millionen Dollar.

Nicht zuletzt liefert Krauledat mit der Textzeile „heavy metal thunder" aus „Born To Be Wild" eine Formulierung, die seitdem eine ganze Musik-Gattung bezeichnet.

Kays kraftvolle Rockmusik, an der alle Moden und Trends vor beigegangen zu sein scheinen, hat bis heute, wo Joachim Krauledat 76 Jahre alt ist, nichts von ihrem Zauber verloren.

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Und noch eine Frage, so rein geschichtlich: 1958 ist er nach Amerika gegangen - die Songs über seinen Abscheu gegenüber der deutschen Mauer, die Angst vor den Todesschützen, war empathisch mit den Menschen in der DDR und nicht eigenes Erleben...?

Nehme ich an. Aber immerhin war er ja da auch schon 14 und seine Mutter wird wohl vieles erzählt haben.

Wie cool! Und ich wußte es nicht...

Das war mir auch neu.
Ein sehr guter Artikel.

Danke!

In den 50gern mußte man noch nicht flüchten, da konnte man noch einfach "rübermachen". Und das haben ja auch viele getan - deshalb wurde 62 die Grenze dichtgemacht.
Aber das der Deutscher war wußte ich nicht. Ist also "Born to be wild" eigentlich Krautrock? :)
Das mit dem Name war wohl keine schlechte Idee. Zwar sind die Amis allerhand deutsche Namen gewöhnt, aber die müssen dann zurechtgefeilt werden, damit sie sie halbwegs aussprechen können. Joachim Krauledat ist dafür ein ziehmlich schwieriger Fall...