english below...
Jeder Urlaub hat einmal ein Ende, die wunderschönen Eindrücke haben wir noch im Kopf. Der September ist spontan so übervoll mit Terminen und Aufgaben (Kuratieren ist nicht die kleinste davon...), daß mir vermutlich seit langem einmal keine Zeit bleibt, nebenbei etwas zu lesen. Das bedauernd fiel mir ein Buch ein, daß ich längst hier vorgestellt haben wollte...
EIN Buch ist dabei allerdings irreführend: hier ist die Rede von einer Trilogie, die drei in sich abgeschlossene (und dennoch eng miteinander verwobene) Romane enthält: "Feuer in Berlin", "Im Sog der dunklen Mächte" und "Alte Freunde - neue Feinde". Vielleicht verraten es die Titel schon ein wenig - es handelt sich um eine Kriminalsaga. Nun lese ich generell ganz gerne gute, düstere Krimis. Dieses Werk bietet aber viel, viel mehr.
Alle drei Bücher spielen überwiegend in Berlin, an Schauplätzen, die man selber (als Temporär-Berliner) wiedererkennt. Das gibt beim Lesen zusätzliche plastische Vorstellung vom beschriebenen Geschehen. Dieses erstreckt sich über viele Jahre. Drei verschiedene Epochen: zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, die Kriegsjahre von 1939-1945 und die Nachkriegszeit. Und es geht um eine klassische Detektivfigur, wie man sie von Hammett in Perfektion kennt: die deutsche Version seines Sam Spade kommt ebenfalls etwas abgehalftert und nah am finanziellen Abgrund daher, wirkt plump, burschikos und auch nicht allzu weise, wird dabei aber absolut unterschätzt und wartet mit versteckten Qualitäten auf, die seine Gegenspieler und den Leser überraschen.
Was mich jedoch am allermeisten begeistert hat bei der Lektüre...: es gibt sehr viel Literatur über diese düstere Phase der deutschen Geschichte. Wir kennen Dokumentationen, Filme, die Erzählungen unserer Großeltern. Was sie alle eint, ist zumindest für mein Empfinden die Teilung der Nation in zwei Parteien. Da waren die Opfer, die Verfolgten, die Gegner der Nazis und die Überzeugten, die Mitläufer und Duckmäuser. Das schien mir immer ein wenig flach und ich konnte mir z.B. mich in vergleichbarer Situation in keiner der beiden Gruppierungen so recht vorstellen.
Philip Kerr, ein gebürtiger Schotte, liefert hier ein beeindruckendes Werk der Geschichtsschreibung ab, das sich an akkurater Recherche orientiert, also faktenbasiert aufgebaut ist. Und er bietet einen Protagonisten, der nicht zu den Verfolgten des Regimes gehört, sich aber auch durchaus nicht auf die Barrikaden stellt und dagegen kämpft. Dennoch macht er sich nicht mitschuldig an dessen Verbrechen. Er "läuft nicht mit". Er handelt nach seinem eigenen moralischen Kodex und bleibt sich selbst konsequent treu. Er ist sich der Risiken, die er mit einem "Nein" zur Zusammenarbeit mit Wehrmacht und SS eingeht, bewußt. Er wägt sie ab - und handelt nach seinem Gewissen. Daß da auch eine ganze Menge Wissen aus seinen beruflichen Erkenntnissen heraus hereinspielt, macht den Krimi wiederum aufregend und tiefgründig.
Wenn Euch also 1066 Seiten nicht abschrecken, sei Euch der Dreiteiler wärmstens ans Herz gelegt... ;-))
english version:
Every holiday comes to an end, the wonderful impressions are still in our minds. September is spontaneously so full of appointments and tasks (curating is not the smallest of them...) that I probably don't have time to read something on the side for a long time. Regretting this, I remembered a book that I wanted to present here long ago...
ONE book, however, is misleading: this is a trilogy of three self-contained (yet closely interwoven) novels: "March Violet", "The pale criminal" and "A German Requiem". Perhaps the titles already give it away a little - it is a crime saga. Now, I generally enjoy reading good, dark crime novels. But this work offers much, much more.
All three books are set mainly in Berlin, in locations that one recognises oneself (as a temporary Berliner). This gives an additional vivid idea of the events described. The events take place over many years. Three different eras: between the First and Second World Wars, the war years from 1939-1945 and the post-war period. And it's about a classic detective character, as we know it from Hammett in perfection: the German version of his Sam Spade also comes across as a bit stale and close to the financial abyss, seems clumsy, tomboyish and not too wise either, but is absolutely underestimated and comes up with hidden qualities that surprise his antagonists and the reader.
But what excited me the most while reading...: there is a lot of literature about this dark phase of German history. We know documentaries, films, the stories of our grandparents. What unites them all, at least for me, is the division of the nation into two parties. There were the victims, the persecuted, the opponents of the Nazis and the convinced, the followers and the cowards. That always seemed a bit shallow to me and I couldn't really imagine myself, for example, in a comparable situation in either grouping.
Philip Kerr, a native of Scotland, delivers an impressive work of historiography here that is guided by accurate research, i.e. fact-based in structure. And he offers a protagonist who is not one of the regime's persecutees, but who also certainly does not take to the barricades and fight against it. Yet he is not complicit in its crimes. He does not "run with it". He acts according to his own moral code and remains consistently true to himself. He is aware of the risks he takes by saying "no" to cooperation with the Wehrmacht and the SS. He weighs them up - and acts according to his conscience. The fact that a lot of knowledge from his professional experience also plays a role makes the thriller exciting and profound.
So if 1066 pages don't scare you off, this three-parter is highly recommended... ;-))
Hallo @weisser-rabe,
Vielen Dank für deine Buchempfehlung. Ich habe Kerr's Berlin-Trilogie auch diesen Sommer gelesen, und ich kann mich deiner Empfehlung nur anschließen!
Der Autor schafft mit "Berlin Noir" tatsächlich ein sehr immersives, düsteres Setting und verwebt dieses mit spannenden Kriminalfällen. Auch die verschiedenen Charaktere und Motive sind sehr detailliert ausgearbeitet, sodass die eigentlichen Kriminalgeschichten fast schon in den Hintergrund rücken vor einer Gesellschaftsstudie der deutschen (Nach-)Kriegszeit des 20. Jahrhunderts.
Die Berlin-Trilogie ist also eine Leseempfehlung für alle Krimifans, Geschichtsinteressierte und Leser mit etwas mehr Zeit.
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Liebsten Dank für Deine Bestätigung - und ein herzliches Willkommen auf dem Steem! Vielleicht magst Du Dich unter anderem in dieser wunderbaren kleinen Community wohl fühlen? Deine Antrittsrede hat mich schon 'mal "abgeholt" - Deine Schreibe findet hier ganz sicher Leser ;-)) Alles Gute für Dich!
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Besten Dank =) Das freut mich zu hören, wenn meine Worte Anklang finden. Das System hier ist mir noch relativ neu, da ich sonst meist auf Medium schreibe.
Bei Deutsch Unplugged habe ich mich schon angemeldet - da habe ich auch deine Rezension gefunden. Oder meintest du eine andere Community?
Ebenfalls Alles Gute =)
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Nein, genau die meinte ich. Aber die World of Xpilar ist auch einen Blick wert, so generell. Und zu Deinen Themen findest Du mit der Zeit spezielle, die ich wahrscheinlich gar nicht kenne...
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I got this book, äh, hallo, ich bin ja hier, also:
Ich bekam dieses Buch zum Lesen von einem Bekannten und habe es in den vergangenen zwei Jahren (oder sind es schon mehr?) nicht einmal geschafft, damit zu beginnen...
Zum einen mache ich mir nichts aus Krimis, aber dieser könnte ja wirklich interessant sein. Zum andern ist mein Lesepensum in den letzten Jahren sehr stark gesunken (von vordem 500 Seiten pro Woche auf jetzt etwa 500 Seiten pro Jahr), und da stehen jetzt eher Sachbücher in der Schlangenwarte...
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So ein Tiefstapler...!
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Hello @weisser-rabe
As you say, there is a lot of content regarding what happened, or at least the version of what happened that whoever writes or makes a video about the WWII season wants to show us, which regardless of the approach I think can be summarized without fear of being wrong that it was something terrible.
Surely the vision raised by someone who is in a middle point of the situation lived at that time must be very interesting, in the light of what that trilogy you mention says.
About two weeks ago I saw a video that caught my attention, and I am sure you could clarify that doubt. In this video it was said that during the whole period of basic training in Germany they studied what happened in WWII, and all the atrocities attributed mainly to Hitler and his close associates. And something that caught my attention is that it is an important area of study, that the German state through its ministry of education makes this topic relevant, that it assumes its responsibility for what happened and that education is to make known that it happened and that "never again should something similar happen".
I think you could be the one to clarify for me whether this is true or not. I found that particularly interesting.
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Yes, Germany's responsibility resulting from its role in the world wars is prominently addressed in school education. In my opinion, not always in a meaningful way - if you are given "The Diary of Anne Frank" as compulsory reading and a visit to the former concentration camp as a class trip, then at best you get a few impressions around a few facts. The living stories of the grandparents fade, the contemporary witnesses die out. The majority of today's parents' generation has no connection to this part of the past. I think something important is being lost. And not only in relation to our country's Nazi past, but overall in terms of historical contexts. The less people know about it, the harder it is for them to judge current situations. I very much regret this loss of old knowledge.
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It is very interesting to confirm the information I saw about it, but even more interesting to know that there are also other aspects that can be improved. The memory of the people should be more than structures, the spoken word, words based on facts and experiences have a greater weight, and to put them aside is not a good thing.
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Ich kenne die Teile Zwei und Drei der Trilogie und kann mich der Empfehlung nur anschließen: es sind wirklich gute Kriminal-Romane.
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