Entschuldige, daß ich heute erst reagiere, aber irgendetwas hat mich da getriggert - das wollte ich sicherheitshalber 'mal überschlafen und durchdenken...

Und jetzt fällt mir der Einstieg schwer. Auf jeden Fall bin ich nicht stolz darauf, ein Deutscher zu sein. Ich wäre es genausowenig auf britisches, amerikanisches, japanisches oder sonstein Sein. Das habe ich mir weder ausgesucht noch etwas dafür getan. Das ist einfach so passiert, qua Geburt. Wenn ich ein Mitspracherecht dabei gehabt hätte, hätte diese weder in Deutschland stattgefunden noch in meiner Herkunftsfamilie. Wenn ich es so betrachte, könnte ich anfangen mit: ich bin stolz darauf, der Mensch Heike geworden zu sein, der ich heute bin - und zwar trotz meiner Wurzeln. Die haben zwar alles versucht, mich anders zu formen, aber ich habe widerstanden und meinen eigenen Weg gefunden. Der nicht deutsch und nicht traditionell und nicht ehrfürchtig und nicht gesellig ist.

Ich verstehe, was hinter Deinen Zeilen steckt, aber ich halte sie für zumindest einseitig bzw. unvollständig. Jeder braucht Halt in seinem Leben. Werte, an denen man sich orientiert. Die können aus der Familie heraus mitgegeben werden. Die können aus einem starken Glauben resultieren oder aus einer selbst erkämpften Moralvorstellung. Die können auf tiefe Freundschaften gründen, auf Lebenserfahrungen und auf Dinge, von denen ich vielleicht keine Ahnung habe. Alle Kraft den eigenen Wurzeln zuzuschieben und die Rückbesinnung darauf als Allheilmittel für persönliche Unzulänglichkeiten zu empfehlen, stößt mir wirklich sauer auf. Ich wage zu behaupten, den vielen Leuten, die sich bewußt und meist unter schwierigen Umständen von ihrer Familie distanziert haben oder ihre Heimat dauerhaft verließen, geht es ähnlich.