Von Martin Greger
Ende der Achtziger Jahre wohnte ich Parterre in Berlin in einem Hinterhof. Ich war damals ein ziemlicher Pflanzennarr und mein geliebtes Fensterblatt hätte dort - bei den Lichtverhältnissen - wohl nichts zu lachen gehabt. Deshalb besorgte ich mir sieben Tageslicht-Neonröhren und viel Alufolie. Meiner Monstera ging es nun prächtig und der Stromzähler drehte sich natürlich auch fleißig.
Als das erste Unwetter draußen aufzog, erlebte ich etwas Seltsames. Zur normalen Tageszeit, wo ich es gewohnt war, auf die Sträucher neben den Mülltonnen zu blicken, verfinsterte sich alles, aber in meinem Zimmer blieb es taghell.
Na klar, werden Sie sagen, bei sieben Neonröhren ...
Doch was sich mir einprägte, war das plötzliche Finsterwerden im Außen und die strahlende Helligkeit drinnen.
Wenn wir uns im Freien aufhalten und es plötzlich finster wird, passen sich unsere Augen schnell an und wir merken es kaum noch. Aber durch meine Röhren-Bastelei stieß ich auf einen Effekt, der mich nicht mehr losließ.
Unser Bewusstsein ist stark tageslichtabhängig. In der dunklen Jahreszeit bekommen viele Menschen zum Beispiel Depressionen. Unsere täglichen Pflichten orientieren sich am Gang der Sonne und der Jahreszeiten. In der äußeren Dunkelheit kann es aber drinnen hell sein.
Das war mir vor Augen geführt worden. Was heißt „drinnen“?
Dazu mache ich einen Sprung zum Ende der Bibel, zu einer Stelle, die vielleicht sogar das Ende allen Suchens ausdrückt.
„Ich, Jesus, habe gesandt meinen Engel, solches euch zu bezeugen an die Gemeinden. Ich bin die Wurzel des Geschlechts Davids, der helle Morgenstern (Off. 22, 16).
Der helle Morgenstern als Symbol, könnte dies ein Hinweis sein, wie Zeit und Raum sich verwandeln können? Hatten die drei Weisen aus dem Morgenland nicht auch einen Stern gesehen?
Der reale Morgenstern ist wie der reale Abendstern: die Venus. Sie ist vor der Nacht und nach der Nacht hell und schön am Himmel zu sehen.
Der „helle Morgenstern“ ist für mich die Liebe zu einem Ewigkeitswesen, das uns von innen erleuchtet und die Bewusstseinsnacht beendet. Die Venus ist als Stern am Himmel nur ein kleines Licht. Aber ihr Zwilling im Herzen kann der Beginn eines Lichtprozesses werden und uns derart wunderbar erleuchten, dass die Lichter im Außen ihre Dominanz verlieren.