Hörsaalgetuschel ist eine Serie, die ich begonnen habe, um mich im Schreiben von Charakteren zu üben. Sie dreht sich um eine kleine Gruppe fiktiver Studierender und ihrem Weg durch den Wahnsinn zwischen Hörsaal, Lernraum und der Suche nach dem großen Plan im Leben.
Heute im Angebot: Ausgabe 3.
Prokrastination
Solange er nun schon Student war hatte Flo immer gehofft um diesen Moment herum zu kommen. Die Uni unterhielt zwar nach wie vor eine eigene Bibliothek aber ihm war nie klar gewesen wieso. Das Mittelalter war doch vorbei, es gab Internet und das Internet wusste doch alles. Wozu also das alberne Spiel mit den Büchern die niemanden mehr interessierten und sowieso beim ersten Aufschlagen in einen Haufen Altpapier zerfielen. Trotzdem saß er nun hier wie so ein Höhlenmensch vor zerfledderten Büchern aus Papier und sollte eine Hausarbeit schreiben.
Das Thema war aktuell, die Bücher waren es nicht. Wie sollten sie auch? Es waren Bücher! Seit der Erfindung des Internets gab es keine mehr und wer etwas auf sich hielt, der sorgte für einen soliden Abstand zu ihnen. So jedenfalls wünschte er es sich. Die bittere Realität sah anders aus und für die Hausübung gab es sogar die Vorgaben, nur die Bücher der Bibliothek nutzen zu dürfen. Analog, von Hand und ohne Internetquellen. Eine Schinderei ohne Sinn, Zweck, oder einem Hintergrund, der sich ihm irgendwie erschließen wollte.
Im Geschichtsunterricht hatte er einmal etwas zu einer großen Bücherverbrennung gehört. Jedenfalls erinnerte er sich blass an etwas in der Richtung. Alle in der Klasse hatten das als außerordentlich schlimm bezeichnet und auch sein Lehrer hatte kein positives Wort daran finden wollen. Flo meinte, der einzige zu sein, der darin kein Problem sah. Im Gegenteil, in diesem Moment wünschte er, es wäre noch immer modern diese Altpapiersammlung als Heizmittel einer sinnvollen Aufgabe zu zu führen. Bücherverbrennungen, was hatten die Leute damals eigentlich noch so für Ideen gehabt? Er sollte das mal im Internet nachsehen, garantiert war da etwas sinnvolles bei. Eine gute Idee kommt schließlich selten allein.
Erik stach ihm seinen Bleistift in die Schulter. „Du träumst wieder nur. Wie weit bist du schon? Mit der Einleitung durch? Wir hatten vier Wochen, in vier Tagen ist Abgabe und du sitzt an der Einleitung.“
„Die Einleitung ist fertig. Ich hab schon die Hälfte der Seitenzahl voll, das muss doch reichen.“
„Fehlt ja nur noch die Hälfte. Na los, schaffst du auch noch. Sogar Paul meinte eben, es fehlt ihm nur noch der Schluss.“
„Paul hat ja auch keine Freunde. Der nervt nur und hat offensichtlich zu viel Zeit.“
„Und du solltest nicht darauf zählen, dass wir dich diesmal wieder aus dem Dreck ziehen. Selbst Mia hat langsam genug von Kuchen. Wir haben immer noch etwas von dem Zitronenkuchen von letzter Woche.“
Das waren schlechte Nachrichten. Wenn Mia keinen Zitronenkuchen mehr mochte, dann hatte er es übertrieben. Bei Schokolade konnte es mal vorkommen, dass sie keine Lust mehr darauf hatte oder bei seinem Käsekuchen. Der Käsekuchen war tatsächlich der einzige Kuchen, den er komplett aus dem Kopf und ohne Backmischung backen konnte. Auf das Rezept war er reichlich stolz denn er gelang immer sehr gut. Aber diesmal konnte ihn selbst der Käsekuchen nicht retten.
Er seufzte schwer, streckte sich und blätterte lustlos in den Büchern, machte sich ein paar Notizen von denen er keine Ahnung hatte, was sie ihm bringen konnten und erinnerte sich an sein Thema. Er las sich seine Aufzeichnungen noch einmal durch. Wenn er sich nicht angewöhnte sauberer zu schreiben, dann konnte er am Ende nicht einmal selbst mehr lesen, was er schreiben würde. Das was er entziffern konnte half ihm allerdings bei seinem Thema kaum weiter. Erik warf einen Blick auf die Papiere, schüttelte mitleidig den Kopf und setzte zu einem neuen Absatz an.
„Weißt du, Mia hat schon abgegeben, sie ist gestern Abend fertig geworden. Ich werde es wohl nachher in den Briefkasten oben werfen können.“ Er machte eine kleine Pause und schrieb eine Zeile ehe er fort fuhr. „Sie meint übrigens, wir sollten dir nicht mehr alles machen. Du musst langsam auch mal lernen, wie der Hase läuft.“
„Ich weiß wie der Hase läuft. Zickzack über den Acker.“ Flo sah nicht von seinem Block auf. Er kam zwar langsam voran aber immerhin schaffte er überhaupt etwas.
„Du musst zugeben, sie hat aber nicht ganz unrecht. Du zögerst zu oft alles bis auf die letzte Minute heraus und am Ende müssen wir in die Bresche springen damit du nicht fliegst.“
Flo knirschte mit den Zähnen. Er gab ihm ja recht und er würde es sogar aussprechen, wenn Erik nicht so ein schrecklicher Besserwisser wäre und vier Tage vor Abgabe mit solchen Gardinenpredigten ankam. Es war ja nicht böse gemeint, das wusste Flo. Mia und Erik halfen ihm wirklich sehr viel. Manches mal kam er sich vor, als hätten sie ihn zu ihrem Adoptivkind erkoren obwohl er der älteste war. Er kritzelte den nächsten Absatz auf seinen Block.
„Das worauf du dich da gerade beziehst steht übrigens in dem anderen Buch. Ab Seite vierundneunzig die drei Absätze. Guck vielleicht noch einmal drüber. Und denk mal drüber nach, wenn du dich selbst dahinter setzt und es kannst, dann musst du es nicht immer aufschieben sondern kannst es einfach selber machen. Ich muss jetzt los, zur Sprechstunde. Hab noch eine Frage zu dem Seminar von heute Morgen“
„Hast du wirklich eine Frage oder willst du nur, dass die dein Gesicht kennen für die HiWi-Bewerbung? Und was meinst du, kann ich den Absatz so stehen lassen?“
„Du gehst zu wenig auf die Fragestellung ein und schweifst besonders zum Schluss hin ab. So, wir sehen uns heute Abend im Tutorium. Komm diesmal nüchtern und spätestens Morgen will ich von dir die fertige Hausübung sehen. Nicht aufgeben!“
Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ die Bibliothek. Flo saß alleine im Arbeitsraum und ließ seinen Kugelschreiber über das Papier tanzen. Die Bücher an seiner Seite wechselten zügig durch, genau so wie die Plastikbecher mit Kaffee vor seiner Nase. Am Ende fehlte ihm nur noch eine halbe Seite für das Fazit. Das konnte er auch noch im Tutorium schreiben beschloss er und räumte seine Sachen zusammen. Unter den aufgeschlagenen Büchern fand er Eriks Aufgabenblatt. Es war mit Anmerkungen und Notizen von Mia übersät. Der ganze Rand war mit kleinen Motivationssprüchen und Liebesbekundungen gesäumt.
Flo las die Anmerkungen durch. Die hätte er früher gebrauchen können, sie waren echt gut, aber vielleicht konnte er das ein oder andere in sein Fazit mit einfließen lassen. Hoffentlich würde ihm niemand einen Strick daraus drehen können. Auf der Rückseite fand er das Abgabedatum und stutzte. Er verglich es mit seinem Kalender und musste fast laut lachen. Die Beiden hatten ihm ein speziell auf ihn zugeschnittenes Abgabedatum verpasst, genau eine Woche vor dem eigentlichen Termin. Sie kannten ihn inzwischen zu gut. Vielleicht sollte er ihnen doch einen Zitronenkuchen machen, nun, da er ihr kleines Geheimnis kannte.
Wenn mein Upvote-Value nicht im tiefsten Keller gelandet wäre, stünde nun ein ordentlicher Transfer an. Aber nachlegen kann ich ja immer noch.
Aber zuerst muss ich nach dem 2. Teil fahnden, der mir irgendwo durch die Lappen gegangen ist.
Nur noch, bevor du den Backofen anwirfst, mehr als Zitronenkuchen haben die Beiden dieses Mal nicht verdient! Ein Schuss mehr Zitrone, als das Rezept vorgibt, bitte!
Was ist außerdem gegen das Vorsichherschieben einzuwenden. Wenn man den ganzen Mist schön angehäufelt hat, lässt er sich besser abarbeiten oder mit einem Käsekuchen entsorgen.
Du hättest den Link zum 2. Teil anhängen können.
Gruß, Wolfram
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Oh vielen Dank! Das mit den Verlinkungen ist echt eine gute Idee. Auf Wordpress ist es immer noch recht einfach, sich auf die Seiten der Blogger zu klicken und einfach dort etwas zu finden. So eine explizite Blogging-Plattform haben wir hier ja bisher nicht. Etwas anders halt.
Und Zitronenkuchen braucht immer mehr Zitrone, als im Rezept vorgesehen ist! Es gibt doch kaum zu wenig Zitrone im Zitronenkuchen. Damit würde Flo sie also reichlich belohnen, statt sie zu ärgern. Kritisch wird die Aufschieberitis halt dann, wenn man so sehr aufschiebt, dass die Frist verstreicht, ohne, dass man fertig geworden wäre.
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