Kleider machen Leute

In der Klinik gibt es ein paar feste Regeln für die Kleidung der einzelnen Personengruppen bzw. Berufsstände. Nicht alle sind mir richtig bekannt, deshalb nachfolgend die wichtigsten:
Weiß ist (weitgehend) den Ärzten vorbehalten. Die Oberärzte haben sogar weiße Kittel, auf die ihr Name gestickt ist.
Weinrot tragen die Assistenzärztinnen (und evtl. auch die Pflege) in der Gynäkologie.
Dunkelgrün tragen die Pfleger im Notaufnahme- und Anästhesiebereich und auch die auf der Intensivstation.
Pfleger und Schwestern anderer Bereiche tragen weiß, der "Kragen" des Kasacks ist aber teilweise in sehr hellem Hellblau gestreift.
Praktikanten wie ich tragen weiße Hose und hellgrünen Kasack.
FSJler haben auch weiße Hosen und teilweise gestreifte Kasacks.
Die Reinigungsleute tragen hellblau gestreifte Blusen oder Hemden.
Das angesiedelte Logistikunternehmen hat etwas abweichende Kleidungsvorschriften, besonders die Männer laufen in hellblauen Poloshirts herum.

Und dann gibt es den OP-Bereich, in dem alle in dunkelblau und mindestens mit grünem Häubchen herumlaufen (die meisten auch mit Mundschutz) und man sich anhand der Gesichter merken muß, wer welche Funktion hat.

(Hä? Gesichter merken mit Mundschutz? Doch, das geht. Man merkt sich aber auch nicht so sehr das Gesicht selbst, wie persönliche Eigenheiten der Personen: Größe, Statur, Brille - falls vorhanden, Ohrringe/Makeup/Ketten - falls vorhanden, die Haarfrisur und/oder den Bartwuchs, Form des Halses, Besonderheiten wie Fältchen an Augen usw. Es ist eigentlich nicht anstrengender, als sich im normalen Leben Gesichter und Personen zu merken. Vielleicht braucht es 2-3 Tage länger.)

Heute war ich im OP-Saal für die Gynäkologie eingesetzt. Wir stehen also zu siebt oder acht im Raum: drei Operateure, 1-2 OP-Pfleger (m/w), ein Anästhesist, ein Anästhesiepfleger und ich. Der Anästhesiepfleger war nicht die ganze Zeit dabei, also war ich mit dem Anästhesisten auf dessen Posten alleine.
An seinem Kasack trug er ein Schild mit Name und Funktionsbezeichnung - Oberarzt - spazieren, trotzdem dachte ich "das ist ja ein junger freundlicher Typ" und hab dann auch so mit ihm interagiert (Fragen gestellt usw.). Mit anderen Worten: ich hatte eine gute Zeit.

Am Tisch stand auch ein Oberarzt, wie sich später herausstellte. Allein von dessen Statur und Stimme hatte ich ihn ebenfalls jung eingeschätzt, vielleicht sogar noch jünger als den Anästhesisten. Er gab aber den Ärztinnen Anweisungen. Irgendwie schräg ...

Als dann die OP vorbei war, kamen die Ärztinnen mit mir in die Umkleide. Ich hatte für den Mittag freibekommen und so schlüpften wir drei in die normalen Arbeitsklamotten und gingen zusammen zur Kantine. Kurz darauf kam der Oberarzt nach, jetzt in weißer Hose und weißem Poloshirt. Eigentlich hätte ich ihn gar nicht als den Mann am OP-Tisch erkannt, wenn es nicht diese zeitliche Komponente gegeben hätte.
Ich saß dann zwar am selben Tisch (weil ich einfach meine Lieblingsplätze habe), aber mit Abstand und miteinander geredet haben wir nicht.

Gegen Feierabend kam dann auch der Anästhesist noch mal in "Zivil" (also in Weiß) in unseren Aufwachraum, um sich zu verabschieden, und wieder hätte ich ihn kaum erkannt.
Vor allem aber flößte mir seine jetzt weiße Kleidung nun doch gehörigen Respekt ein!