Hierarchie: Gut oder schlecht? (Teil 4 einer Reihe)

in libertarismus •  5 years ago 

Dies ist der letzte Teil der Übersetzung einer Artikelreihe von Larken Rose über grundlegende Konzepte. Ich empfehle euch, vorher Teil 1, Teil 2 und Teil 3 zu lesen. Hier findet ihr den originalen Artikel.

Manchmal kann eine rationale Idee in etwas ausgesprochen Dummes verwandelt werden, indem man alles über einen Kamm schert. Es scheint, als bevorzugen Menschen allgemeine Konzepte als Sündenbock, den sie für Missstände beschuldigen können. Für manche Menschen sind Gier, oder Geld, oder Ungleichheit, oder Waffen, oder Hass, etc. an den Problemen der Welt Schuld. Dieser Artikel befasst sich mit "Hierarchie", einem beliebten Sündenbock unter den politischen Linken, einschließlich einiger Linker, die sich als "Anarchisten" bezeichnen.

Es gibt viele Arten von Vereinbarungen, die als Hierarchie angesehen werden können, so zum Beispiel eine militärische Befehlskette, eine Fußballmannschaft und ihr Kapitän, ein Arbeitgeber und seine Mitarbeiter, ein Lehrer und seine Schüler, und so weiter. Im weitesten Sinne würde das Entfernen jeglicher "Hierarchien" in der Gesellschaft bedeuten, dass man alle Situationen verhindert, in denen eine Person eine andere anweist oder leitet. Dieses Ziel zu erreichen ist, um es deutlich zu sagen, unmöglich, und es überhaupt zu versuchen, ist wahnsinnig.

Stell dir vor, in jedem Unternehmen, jedem organisierten Projekt, oder in jeder Gruppe von Menschen würde niemand den Anweisungen eines anderen folgen. Stell dir eine Fußballmannschaft vor, in der jeder Spieler selbst entscheidet, auf welcher Position er spielt, anstatt sich in die "Hierarchie" des Mannschaftsführers oder Trainers einzugliedern. Stell dir ein Unternehmen vor, das keinen Plan hat, welches Produkt es herstellt, keinen Plan, wer was machen soll, oder wer überhaupt zur Firma gehört. Organisierte Strukturen können sehr strikt sein, oder sehr locker, oder irgendetwas dazwischen, aber jede komplexe Unternehmung wird nahezu unmöglich, wenn jeder nur für sich Entscheidungen trifft.

In dem Moment, in dem es Organisation gibt, gibt es auch eine Art der Hierarchie. Natürlich gibt es bestimmte Formen der Hierarchie, ohne die die Gesellschaft besser dran wäre. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, bei denen eine Hierarchie schon an sich unmoralisch und destruktiv ist: 1) Wenn diejenigen an der "Spitze" Gewalt nutzen, um Gehorsam der "Unteren" zu erzwingen, und 2) wenn diejenigen, die den Anweisungen eines anderen folgen, denken, sie würden keine Konsequenzen für ihr eigenes Handeln tragen. Mit anderen Worten, wenn Hierarchie "Autorität" beinhaltet – wenn die Befehlshaber denken, sie haben das Recht, Befehle zu erteilen, und die Befolgenden denken, sie haben die Pflicht, zu folgen – dann ist dies schrecklich gefährlich. Aber das Problem ist der Glaube an "Autorität", nicht die Anwesenheit einer Hierarchie.

Häufig werden sogar freiwillige hierarchische Vereinbarungen mit autoritärer Terminologie umschrieben. Zum Beispiel werden Arbeitgeber manchmal als "Boss" bezeichnet. Die einzige Macht, die ein Arbeitgeber jedoch hat, ist die, die auch der "Arbeiter" hat: Die Macht, die Vereinbarung zu beenden. Wenn ein Arbeitgeber jemanden nicht mehr für dessen Arbeit bezahlen möchte, heißt es, er "feuert" diese Person. Wenn ein Arbeiter die Vereinbarung beenden möchte, sagt man, er "kündigt". Aber beide haben dieselbe Macht, und keiner von beiden kann den anderen zu irgendetwas zwingen. Bei jedem Arbeitgeber, der versucht, Arbeiter gewaltsam einzuziehen, würde allgemein anerkannt sein, dass er im Unrecht ist.

Weiterhin würde jeder Arbeiter, der auf Anweisung Betrug, Diebstahl, Körperverletzung oder Mord begangen hat, und dann argumentiert, "Hey, ich habe nur getan, was mir gesagt wurde", als im Unrecht befindlich gesehen werden. Denn Menschen, die nicht an Autorität glauben, glauben auch nicht, dass Hierarchie aus etwas Schlechtem etwas Gutes macht.

Es ist nichts falsch daran, wenn ein Individuum freiwillig den Anweisungen eines anderen folgt, während es immer noch die persönliche Verantwortung für seine Handlungen übernimmt. Tatsächlich könnte die Gesellschaft gar nicht existieren, ohne dass solche Vorgänge nahezu ständig ablaufen. Es gibt dafür unzählige Beispiele: Ein Fahrschüler folgt den Anweisungen des Fahrlehrers; ein Landschaftsgärtner erledigt seine Arbeit so, wie der Besitzer es wünscht; ein Wanderer geht in die Richtung, die der Wanderführer vorgibt, ein Orchester folgt der Leitung des Dirigenten, und so weiter und so fort. Das Verurteilen von "Hierarchie" an und für sich bedeutet, einen großen Teil freiwilligen, produktiven, nützlichen und menschlichen Verhaltens zu verurteilen.

Manche Menschen äußern sogar die absurde Behauptung, dass Anarchisten sich jeder Hierarchie entgegenstellen sollten. Aber "Anarchie" bedeutet "Herrschaftslosigkeit", während freiwillige Hierarchie überhaupt nichts mit Herrschaft zu tun hat. Freiwillige Kooperation, bei der man den Anweisungen eines anderen folgt, bedeutet nicht, dass man beherrscht wird. Scheinbar führt das kindliche Verlangen einiger Menschen, nie den Bitten, Anweisungen oder Ratschlägen eines anderen folgen zu müssen, einige Menschen zu der Auffassung, jede Vereinbarung, bei der eine Person einer anderen sagt, was sie tun soll, (d.h. jede Hierarchie), sei unterdrückend und ungerecht.

Diese kindliche Sichtweise ist der Grund, warum viele Menschen das Verhältnis zwischen "Arbeitgebern" und "Arbeitnehmern" als Unterdrückung wahrnehmen. Nein, offensichtlich hat ein "Arbeitgeber" nicht das Recht, dich zu zwingen, das zu tun, was er sagt. Allerdings haben Arbeitgeber das Recht, dich nicht anzustellen, nicht mit dir zu handeln, und überhaupt nicht mit dir zu interagieren. Zu behaupten, dass nicht mit jemandem zu handeln dasselbe wie gewaltsame Unterdrückung ist, ist absurd. Wenn zwei Menschen einvernehmlich eine Vereinbarung treffen, bei der der eine den anderen für das Verrichten bestimmter Arbeiten bezahlt, ist nichts daran unmoralisch oder unterdrückend, auch wenn es als eine Art "Hierarchie" angesehen werden kann.

Freiwillige und erzwungene Hierarchie in einen Topf zu werfen und dann beide zu verurteilen, macht ebenso viel Sinn wie das Gleichsetzen von Handel mit Diebstahl und Körperkontakt mit Überfällen. Das Problem ist, dass Linke mit ihrer Anspruchs-Mentalität nicht die riesigen Unterschiede zwischen den folgenden beiden Einstellungen zu verstehen scheinen:

  1. "Es sollte mir möglich sein, alles zu tun, was ich will, wann ich will, und dass ich nie das machen muss, was andere von mir wollen, und dennoch alles was ich brauche umsonst bekomme."

  2. "Niemand sollte mich zu irgendetwas zwingen, aber es ist häufig sinnvoll, auf freiwilliger Basis und zu beiderseitigem Vorteil mit anderen zusammenzuarbeiten und zu handeln."

Wer ersteres denkt, ist ein Kommunist. Wer letzteres denkt, ist ein verantwortungsbewusster, rationaler Mensch. Das eine schließt das andere aus.

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Sehr guter Text. Ich bin begeistert von dieser kleinen Artikel Serie 👍

Vielen Dank für die Übersetzung!

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Dankeschön, sehr gern. Vielleicht mache ich in Zukunft öfter sowas, da gibt es einige "verborgene Schätze", die mehr Aufmerksamkeit verdient haben.

Das würde mich freuen. Leider ist mein Englisch nicht so gut das ich mich an solche Texte in der original Sprache heran traue.

Posted using Partiko Android

Fuck Authority!

Wir brauchen endlich ein Werkzeug zum zensurfreien Wissensaustausch und zur dezentralen Organisation!

Und in der Steem Blockchain sehe ich dieses Potenzial! ;]

Posted using Partiko Android

Du hast einen Vote von @portalvotes bekommen.

Awww, heute betrunken und trotzdem sage ich, fehlt mir Punkt Drei in der Übersetztung. :-)

Ich steh' auf dem Schlauch. Was meinst du mit Punkt drei? :D

Keine Sorge, ich entschuldige mich dafür, Schläuche in der Gegend herum liegen zu lassen, vor allem im (seltenem) Suff.^^

Bei den letzten beiden Punkten, fehlt mir etwas in der Mitte. Das Entweder/ Oder gefällt mir nicht.
ist mir zu Schwarz/ Weiß gedacht. Da gibt es Leute wie mich in der Mitte. Ich mache was ich will und gleichzeitig arbeite ich dann mit anderen Zusammen wenn es gut ist.
Der Dritte Punkt war vielleicht damit gemeint, einen Ausweg zu bieten der Beides zulässt, um auch die "Dummen"(wie mich=) Glücklich zu machen. :-)

Ich verstehe das auch nicht so, dass es nur die zwei Einstellungen gibt – was Larken hier hervorheben möchte, ist eher der Gegensatz zwischen Anarchokommunisten und Anarchokapitalisten, die aber natürlich beide nur einen Bruchteil der Bevölkerung darstellen. Ich bin dennoch neugierig, wie würdest du denn einen optimalen Mittelweg darstellen? Deine Aussage, "Ich mache was ich will und gleichzeitig arbeite ich dann mit anderen Zusammen wenn es gut ist." hört sich für mich eigentlich fast 1:1 nach 2. an ;) Welchem Aspekt von 2. würdest du konkret widersprechen? Dass Zwang unter Umständen sinnvoll sein kann?

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