"Ich dachte immer, Angst wäre das schlimmste Gefühl auf der Welt. Ich dachte, mit Depressivität käme ich klar.
Ich hatte das "Glück" beides zu erleben: Angststörung und Depression. Depressiv zu sein, ist alles andere als schön, aber man muss es einfach nur aussitzen. Irgendwann ist der Schub vorüber. Wenn es ganz krass wird, kann man sich ritzen. Ich weiß, dass das objektiv gesehen keine wirkliche Option ist. Aber der Punkt ist: Man kann etwas tun. Hat man jedoch Angst, ist man hilflos ausgeliefert.
Das war meine Meinung... bis heute. Ich bin depressiv. Es ist kein durchgehender Zustand; es ist ein ständiges Auf und Ab.
Die Geburtstagskarte war für eine Freundin. Auf ihrer Geburtstagsparty hatte ich sehr viel Spaß, was insofern problematisch ist, als dass man den Unterschied doller merkt. Wenn es einem durchgehend scheiße geht, ist das leichter zu ertragen, als wenn man vom Guten ins Schlechte fällt. Manche mögen sagen, dass man sich doch einfach freuen soll, dass etwas Gutes passiert ist. Manche Leute sagen, es ist bloß eine Entscheidung, ob man glücklich ist oder nicht.
Alles was ich dazu sagen kann, ist, jetzt gerade in diesem Moment habe ich den heftigsten Depressionsschub meines Lebens. Und es fühlt sich an, als wäre ein schwarzes Loch in meinem Bauch und es saugt alles in sich rein. Es ging los, während ich noch auf der Party war. Ganz auf einmal fällt man ins Bodenlose. Und nichts gar nichts, was ich tun kann, wird diesen Zustand verändern. Es ist nicht meine Entscheidung, ob ich glücklich bin oder nicht. Das funktioniert nur, wenn es einem schlecht geht. Aber damit es einem schlecht gehen kann, muss man fühlen und ich fühle gar nichts. Da ist nichts. Aber das ist keineswegs befreiend, es ist die Hölle. Ich schwöre, es gibt keinen treffenderen Ausdruck.
Als "normaler" Mensch kann man sich das so vorstellen: Fokussiere dich auf das was du siehst. Nimm alle unterschiedlichen Farbtöne war. Manchmal sind es fröhliche Farben, dann bist du glücklich. Manchmal sind es gedeckte Farben, dann bist du traurig. Und wenn du traurig bist, kannst du den Fokus wieder auf die fröhlicheren Farben richten, damit es dir wieder besser geht. Jetzt schnipse mit der einen Hand. In dem Moment, in dem du das Geräusch hörst, schließt du die Augen. Stell dir vor, du bist nicht mehr in der Lage sie alleine zu öffnen. Wieviele Farben siehst du? Richtig gar keine. Genauso läuft es mit den Gefühlen bei depressiven Menschen. Genauso krass ist der Unterschied. Es ist, als würde plötzlich jemand einen Schalter umlegen und nichts wäre mehr da. Gar nichts.
Wenn man sich ritzt, zwingt man seinen Körper zu fühlen, was die Seele für eine kurze Zeit wieder zum Leben erweckt.
Vor ca. drei Stunden hat es angefangen. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als mir die Arme aufzuschlitzen. Irgendwann war ich zu Hause und hab es getan, aber es hat es nicht mal ansatzweise erträglicher gemacht.
Normalerweise hilft es, wenn ich nicht alleine bin, also bin ich zu meiner Mutter gegangen, aber es ist kein Stück besser geworden. Ich kann mir keine einzige Person vorstellen, die mir gerade helfen würde. Nichts gar nichts. Es gibt nichts, was hilft. Ich bin gefangen, in meinem eigenen Körper und er foltert mich unentwegt. Und zum ersten Mal in meinem Leben hätte ich lieber Angst als gar nichts zu fühlen. Ich hätte nie gedacht, dass das mal passiert. "
- 28.12.2017
'Start where you are.
Start with fear.
Start with pain.
Start with doubt.
Start with hands shaking.
Start and don't stop.
Just start.'
- Ijeoma Umebinyuo