Das Einmaleins der Notfallmedizin: Thrombosen

in notfallmedizin •  6 years ago 

Es wird Zeit für neue Beiträge aus der Reihe. Und da mit dem zumindest beginnenden Winter die Zeit für Flugreisen ins Warme kommt, greife ich ein passendes Thema auf: Thrombosen.

Definition, Lokalisation und Häufigkeit

Als Thrombose bezeichnet man die Bildung von Blutgerinnseln in einem Blutgefäß. Meistens tritt dies nach langem Liegen oder Sitzen ohne Bewegung auf und nimmt seinen Anfang in den tiefen Beinvenen. Aber auch die Thrombenbildung an Verzweigungspunkten der Arterien ist möglich. Kommt es dazu, daß das Blutgerinnsel seinen Entstehungsort verläßt, kann es tödlich wirken, z.B. durch Verschluß der Lungenarterien oder der Gefäße, die Gehirn bzw. Herz versorgen.


Illustration einer Beinvenenthrombose,
der Bildausschnitt zeigt einen Thrombus nahe einer Venenklappe

Pro Jahr gibt es laut Statistik 90-130 Patienten, die erstmalig eine Beinvenenthrombose entwickeln. Dabei sind Frauen in manchen Altersgruppen häufiger betroffen als Männer, whrend in anderen Altersgruppen die Zahlen etwa gleich sind. [1]

Als Thrombophlebitis bezeichnet man Thrombosen und entzündliche Prozesse in oben liegenden Venen.

Thrombosen der tiefen Venen der Arme, Achseln und des Schlüsselbeins werden als Paget-von-Schroetter-Syndrom bezeichnet. Etwa 2% aller Thrombosen haben ihren Urspring im Schultergürtel. [2]

Das Budd-Chiari-Syndrom, ein teilweiser oder vollständiger Verschluß der von der Leber wegführenden Venen, ist in den meisten Fällen auch auf eine Thrombose zurückzuführen. Es kann unbehandelt zu Leberversagen führen.

Thrombosen der Pfortadern, der Nierenvenen und der Jugularvenen sind ebenfalls möglich.

Ursachen

Die Ursachen der Thrombose wurden von Rudolf Virchow untersucht und beschrieben; sie sind als Virchow-Trias oder Virchowsche Trias bekannt [3]:

  • Veränderungen bzw. Schäden an der Gefäßwand
  • Veränderungen der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes
  • Veränderungen der Viskosität des Blutes


Rudolf Virchow

Normalerweise sind die Wände von Blutgefäßen glatt und flexibel. Sind sie aufgrund von Entzündungen oder Verletzungen rau geworden, besteht dort eine erhöhte Neigung zur Bildung von Thromben an der Gefäßwand. An solchen Stellen können sich weitere Blutgerinnsel anhaften, bis das Gefäß komplett verschließt. Auch wirkt sich eine solche Änderung auf die Fließgeschwindigkeit des Blutes aus. Durch Flüssigkeitsmangel oder starkes Schwitzen kann sich außerdem die Viskosität des Blutes verändern, sodaß es schneller gerinnt.

Auch Aneurysmen, Krampfadern und Vitien (Herzklappenfehler) sind bekannt dafür, daß sich an diesen Stellen Wirbel im (arteriellen) Blutstrom bilden, die eine Thrombenbildung begünstigen.

Die meisten Thrombosen bilden sich in den Bein- oder Beckenvenen, gern nach langem Liegen oder Sitzen. (Deshalb ist die Versorgung von Patienten, die z.B. nach einer OP liegen müssen, mit Thrombosestrümpfen und Gerinnungshemmern üblich.)

Symptome

Nicht alle Thrombosen machen sich bemerkbar, etwa bei der Hälfte der Fälle entwickelt sich das Geschehen im Stillen und fällt erst auf, wenn der Thrombus lebensbedrohlich wird (Lungenembolie, Arterienverstopfung). Dann ist ein schnelles Eingreifen nötig.

Typische Anzeichen einer ausgeprägten Beinvenenthrombose [4][5]:

  • Schwellung und Wärmegefühl am Fußknöchel, am Unterschenkel oder am ganzen Bein mit Spannungsgefühl
  • Gerötete und gespannte Haut, eventuell Blaufärbung
  • Spannungsgefühl und Schmerzen in Fuß, Wade und Kniekehle (Linderung bei Hochlagerung)
  • Überwärmung des geschwollenen Beins
  • direkt unter der Haut verlaufende Venen werden sichtbar ("Warnvenen")


Tiefe Venenthrombose im rechten Bein, erkennbar an Schwellung und Rötung

Anzeichen der selten auftretenden Thrombose der Venen der harten Hirnhaut (Sinus durae matris, daher der Name Sinusthrombose) sind nicht eindeutig von anderen das Gehirn betreffenden Krankheiten abzugrenzen, sollen aber trotzdem genannt sein [6]:

  • Druckschmerz im Nasenaugenwinkel sowie Sehstörungen als Frühwarnzeichen
  • starke Kopf- und Nackenschmerzen, bis in die Arme ausstrahlend / Kopfschmerzen ausstrahlend von Schläfe über die Stirn bis zur anderen Schläfe
  • Ödem der Nasolabialfalte und der Lider
  • epileptische Anfälle
  • psychotische Symptome und Wesensveränderungen

Diese können sich verschlimmern zu:

  • hohem Fieber (septische Temperaturen)
  • Lähmungen
  • Störungen der Augenbeweglichkeit (Motilitätsstörungen) bis Sehverlust
  • Hervortreten der Augen (Protrusio bulbi)
  • Schwellung der Augenbindehaut (Chemosis)
  • Gefühlsstörungen und Bewusstseinseintrübung
  • erhöhtem Hirndruck
  • Tod

Arterielle Thrombosen der Extremitäten und inneren Organe äußern sich mit folgenden Symptomen [7]:

  • Die betroffene Extremität ist meist kalt und blass, schmerzt stark und ihre Funktion ist stark eingeschränkt. Oft ist kein Puls tastbar.
  • Arterielle Thrombosen des Darms als Vorstufe eines Mesenterialinfarktes gehen mit sehr starken Bauchschmerzen einher, die nach einigen Stunden meist wieder aufhören. Im weiteren Verlauf verhärtet oft der gesamte Bauch schmerzhaft. Sind die Schmerzen krampfartig und mit blutigem Stuhlgang verbunden, besteht die Gefahr einer Darmnekrose (Absterben eines Teils des Darms), deshalb ist schnellstmöglich eine Klinik aufzusuchen.
  • Arterienverschlüsse in einer Niere führen zu starken einseitigen Flankenschmerzen und zu blutigem Urin.
  • Verschlüsse der Augenhintergrundarterien zeigen sich durch Störungen der Sehfähigkeit und können Blindheit des betroffenen Auges zur Folge haben.
  • Sind Gefäße des Gehirns betroffen (Schlaganfall), können alle möglichen neurologischen Ausfälle auftreten.


Thrombus im Gehirn, im CT sichtbar gemacht

Risikofaktoren

Für die Beinvenenthrombose gelten als Risikofaktoren laut [4] und [5]

  • eine bestehende Krebserkrankung
  • Einnahme der Antibabypille (dosis- und fabrikatabhängig)
  • Rauchen
  • Übergewicht
  • Alkohol- und Drogenkonsum (auch die mit intravenöser Versorung einhergehende Schädigung der Einstichstellen)
  • lange Liegezeiten
  • Flüssigkeitsmangel
  • vorangegangene Thrombosen und/oder Lungenembolien
  • starke körperliche Belastung
  • Schwangerschaft
  • Hormontherapie in den Wechseljahren
  • reduzierte Fähigkeit zur Fibrinolyse
  • künstliche Herzklappen, Prothesen großer Blutgefäße

Risikofaktoren für arterielle Thrombosen sind außerdem laut [7]:

  • zunehmendes Alter
  • Diabetes
  • Bluthochdruck
  • erhöhte Blutfettwerte


Entstehung eines arteriellen Gefäßverschlusses

Was mache ich als Ersthelfer?

Unbedingt den Patienten beruhigen. :)

Während Bewegung als Thromboseprophylaxe empfohlen wird, sollte sich ein Patient, bei dem eine Thrombose vermutet wird, nicht mehr anstrengen, sondern die betroffenen Extremitäten (also in der Regel die Beine) hochlagern. Ein Bereitschaftsarzt sollte verständigt werden (Telefon 116117 in Deutschland).

Berichtet der Patient von Brustschmerzen oder Atemproblemen, sollte mit dem Stichwort "Verdacht auf Lungenembolie" ein Notarzt alarmiert werden.

Sind Kompressionsstrümpfe vorhanden, sollten diese angelegt werden. Der Druck unterstützt den Rückfluß des Blutes zum Herzen und wirkt gegen anschwellende Beine.


Kompressionsstrumpf

Wie sieht die weitere Behandlung aus?

Unabdingbar ist die Gabe von Heparin oder sogenannten Faktor Xa-Gerinnungshemmern. [4][8]
Die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) empfiehlt sich dagegen nicht, da zwar eine niedrig dosierte Einnahme gegen arterielle Thrombosen wirken kann, es aber widersprüchliche Ergebnisse zur Wirksamkeit bei Venenthrombosen gibt. [9][10]

Bis etwa zur Jahrhundertwende war auch Thrombolyse üblich, inzwischen ist man wegen der Blutungsgefahr davon abgekommen.

Postthrombotisches Syndrom

Die Prozesse, die zur Auflösung eines bestehenden Gerinnsels führen, gehen oft einher mit Entzündungen im betroffenen Gebiet. Dabei kann es zur Zerstörung von Venenklappen kommen und in Folge zum Rückstau des Blutes in den Extremitäten, besonders in den Beinen. Im weiteren Verlauf können sich Gewebeveränderungen in der Ober- und Unterhaut bilden, oft gehen diese mit Hautverfärbungen einher. Sitzende und stehende Tätigkeiten sollten vermieden werden, laufen und liegen ist weniger schädlich. [11]

Quellen / weiterführende Links

[1] http://www.gesundheits-lexikon.com/Herz-Kreislauf-Gefaesse/Thrombose/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Paget-von-Schroetter-Syndrom
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Virchow-Trias
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Thrombose
[5] https://www.patientenberatung.de/de/gesundheit/themenspecial/themenspecial-thrombose
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Sinusthrombose
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Arterielle_Thrombose
[8] https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/venenthrombose/behandlung-einer-thrombose.html
[9] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-462012/wirkung-zweifelhaft/
[10] http://www.apothekerkammer-niedersachsen.de/presse?view=%7C1905,4
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Postthrombotisches_Syndrom

Bildnachweis für alle Grafiken und Fotos: Wikipedia

Über die Reihe "Das Einmaleins der Notfallmedizin"

In dieser Beitragsreihe erkläre ich in loser Folge Begriffe aus der Ersten Hilfe und Notfallmedizin, die mir gerade wichtig sind. Grundsätzlich dient die Reihe auch dazu, mein eigenes Wissen aufzufrischen.

Bisher sind erschienen:
Das ABCDE-Schema
Die Anamnese
Der anaphylaktische Schock
Adenosin
Verbrennungen
Hitzewirkungen

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Vielen Dank für diesen Artikel!

Ich habe ihn mir unter meinen Favoriten zum Später-Lesen gespeichert ;-)

Lieben Gruß, @double-u

Klasse aufgearbeitet, sehr hilfreich!

Ich kann nur empfehlen, den Post in Ruhe und vollständig zu lesen. Da schlummert einiges Verbesserungspotenzial für den eigenen Lebenswandel...

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  ·  6 years ago (edited)

Hallo @isarmoewe , das ist ein Superartikel . Leider wird Thrombose in unserer Bewegungsarmen Zeit oft unterschätzt . Das mit der ASS wusste ich auch noch nicht . Ich dachte immer das Gegenteil ist der Fall . Als ich wegen doppelseitiger Lungenentzündung gelegen hatte ( Lange her) gab es keine Thrombosespritzen . Als mein Kumpel wg Unfall länger liegen musste , musste er sich täglich selber spritzen . So ändern sich die Zeiten . Ich habe mal gelesen Gartenarbeit ist die beste Prophylaxse , weil sie jeden Muskel trainiert . L G unsuwe

Es gibt bezüglich ASS widersprüchliche Aussagen. Was dieses Detail angeht, ist der Artikel also ein klein wenig lückenhaft, aber ich bin da auch keine Fachfrau.