Die Religion ist das Herz in einer herzlosen Welt.

in patriarchat •  7 years ago  (edited)

Wahrer Glaube zeigt sich in gegenseitiger Wertschätzung und Unterstützung, einem Gemeinsinn, und nicht in einer institutionalisierten Religion. Heute wie zu Marx‘ Zeiten möchten die Religionen diese Werte institutionell besetzen, damit sie die Menschen, die sich von Herzen nach ihnen sehnen, für ihre Zwecke ausbeuten können.

Der Artikel ist eine Zusammenfassung meines Videos, in dem ich die Frage beantworte, wie sich der Dualismus zwischen Geist und Materie, das typische Merkmal des Patriarchats, in den Religionen wiederspiegelt:

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Ich möchte zeigen, dass ihre politische Theologie in der Geschichte auf einem religiösen Dualismus beruhte. Es geht darum, das Gemeinwesen von dem „Stachel“ zu befreien, den die institutionalisierte Kirche in es gesteckt hat, um die Menschen zu vergiften.

Marx schreibt in seiner Einleitung zu Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie:

"Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.

Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammerthales, dessen Heiligenschein die Religion ist.“

Marx wollte ausdrücken, dass die Religion lediglich der letzte Rückzugsort für diejenigen ist, die mit der herzlosen Welt nicht mehr klarkommen. Und er hatte Recht. Die Welt ist in vielen Bereichen herzlos (mit Klassenunterschieden, Unterdrückung, Ausbeutung, dem Patriarchat).

Das stimmte zu Marx‘ Zeit und es stimmt heute leider noch immer. Marx machte die Kirche dafür verantwortlich.

Sie steht aus Sicht der Patriarchatskritik für eine politische Theologie, die auf einem religiösen Dualismus beruht. Den kennen wir schon aus der Zeit nach der Neolithischen Revolution:

„Das Patriarchat teilt das Leben in höherwertige und minderwertige Kategorien ein, die es mit dem Etikett „Geist“ versus „Natur“ oder „Bewusstsein“ versus „Materie“ versieht - und in diesem
entfremdeten Symbolismus ist der überlegene „Geist“ bzw. das überlegene „Bewusstsein“
typischerweise männlich (und/oder weiß), während die unterlegene „Natur“ bzw. „Materie“ weiblich (und/oder schwarz) ist.“ (Übersetzt aus: Monica Sjöö/Barbara Mor: The Great Cosmic Mother.)

Man würde das Patriarchat und damit auch die Patriarchatskritik allerdings falsch verstehen, wenn man annimmt, es gehe ihr nur um Männer, die Frauen ausbeuten. Es geht vielmehr darum zu zeigen, wie Unterdrückung in einem politischen und religiösen Kontext generell funktioniert. Die Patriarchatskritik hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern kritisiert, dass das Patriarchat eine Schneise in die Ganzheit unseres Lebenszusammenhangs zieht und darin etwas Höherwertiges von etwas Minderwertigem unterscheidet, und die prinzipielle, natürliche Gleichwertigkeit (in einem normativen Sinn) aufheben möchte, um sich einen machtpolitischen Vorteil zu erschaffen. Man könnte das auch die Unfähigkeit oder den Unwillen, aus den eigenen Mitteln zu leben, nennen.

Die Kirchenvertreter haben den Holismus bzw. Monismus des Lebens in genau diesem Sinne für Ihre Zwecke geteilt. Die Ganzheit des Lebenszusammenhanges besteht sowohl aus den materiellen Bedürfnissen eines Menschen als auch seinen geistigen Bedürfnissen (seinem Bedürfnis nach Liebe). Sie trennten jedoch diese beiden Ausprägungen des Geistes und der Materie in ihrem Dualismus („zogen eine Schneise“).

Wie haben sie das gemacht? Damit die Kirchenvertreter ihren Materialismus leben konnten, mussten sie ihn in ihrer Religion vordergründig verdammen. Sie rechtfertigten die schlimmen Bedingungen, unter denen das Volk ihretwegen leben musste, als Gottes Plan für den Menschen. Das Problem der Zeit vor Marx war also, dass die Kirche eine elitäre Institution war, die für das Volk auslegte, was „Geist“, „Gott“ und „menschliches Schicksal“ bedeuten. Das Geistige wurde sozusagen ausgelagert in eine jenseitige Welt. Die Kirchenvertreter versprachen den Menschen die „wahre Erfüllung ihrer Bedürfnisse“ im Jenseits. Die geistige Welt, die Erfüllung ihrer Hoffnung auf Liebe, wurde ihnen also nur versprochen, das Versprechen wurde aber nie eingelöst. Sie leugneten damit zwar nicht die Liebe an sich, aber ihre Realität in der Welt. Ein ungeheuerlicher Vorgang, denn Leben baut auf Liebe auf. Ohne Liebe gibt es kein Leben auf der Welt.

Marx erkannte, dass die Kirche sich die gesamte Menschheitsgeschichte über immer wieder mit der unterdrückenden Klasse, der politischen Elite, verbündete und wollte die Menschen zukünftig vor der Ausbeutung der Eliten bewahren.

Er hatte also eigentlich den Wunsch, die Menschen vor religiöser Ausbeutung zu schützen. Tragischer Weise verschärfte er die Probleme aber, da er die Realität des Geistes mit der institutionalisierten Kirche verwechselte und letztendlich beide verwarf.

Er verwarf also nicht nur die institutionalisierte Kirche, sondern auch die Kraft, die für den natürlichen Lebenszusammenhang steht: die Liebe (aber auch: Glaube und Hoffnung).

Monica Sjöö/Barbara Mor: „Der Marxistische Kommunismus befreit sich von „Gott“ und „Kirche“, nur um sie dann wieder mit einer weiteren Tyrannei zu ersetzen: mit der Tyrannei des „Staates“, oder der „Maschine“ oder der „Partei“ oder dem „Produktionssoll“. Er befreit die Menschen nicht, sondern ändert nur den Markennamen seiner Fesseln.“ (Übersetzt aus: Monica Sjöö/Barbara Mor: The Great Cosmic Mother.)

Diese Kritik an der Kirche gilt natürlich für alle gesellschaftlichen Institutionen, die eine Trennung provozieren. Heute leiden die meisten Menschen nicht mehr so sehr unter der Kirche, sondern eher anderen gesellschaftlichen Bereichen, die nach einem ähnlichen Muster vorgehen.

Quellen

Monica Sjöo, Barbara Mor: The Great Cosmic Mother - ENGLISCHE ORIGINAL-VERSION

Monica Sjöo, Barbara Mor: Wiederkehr der Göttin - DEUTSCHE, GEKÜRZTE VERSION

Meine Artikel

Mein Artikel zum Thema Patriarchatskritik in Bumerang (Zeitschrift für Patriarchatskritik):

https://fipaz.files.wordpress.com/2016/11/bumerang-2-natur-im-patriarchat.pdf (S.180 - 186)

Über die Serie Outlander: http://www.satt.org/gesellschaft/15_11_outlander.html

Über den Film Walk the Line: http://www.satt.org/film/06_02_line.html

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