Dieses Gedicht ist von Walter Moers.
Nicht wenig verblüfft die Dressur des Blauen Blumenkohls. Da muss zur Abwechslung der Blütenstand herhalten und nicht der Blattwuchs. Der Blütendolde anerzieht der Gärtner die temporäre Fettsucht. Ihre zahllosen, zu einem kompakten Schirm zusammengedrängten Blütenknöspchen verfetten mitsamt ihren Stielen zu einer unförmlichen Masse von bläulichem Pflanzenspeck. Der Blumenkohl ist also eine vor dem Aufblühen in ihrem eigenen Fett verunglückte Blume, oder genauer gesagt: eine verunglückte Vielheit von Blumen, eine verkommene Rispendolde. Wie in aller Welt kann nun dieses Mastgeschöpf mit seinen zu Speck verquollenen Eierstöcken sich weiterpflanzen? Auch es kehrt nach einem Abstecher in die Unnatur wieder zur Natur zurück. Der Gärtner freilich lässt ihm keine Zeit dazu, er erntet den Kohl auf dem Gipfel seiner Verirrung, nämlich im höchsten und schmackhaftesten Stadium seiner Verfettung - dann, wenn der Pflanzendickwanst im Geschmack einer Frikadelle gleichkommt. Der Samenzüchter dagegen lässt die die blaue Masse unbehelligt in ihrem Gartenwinkel sich zu ihrem besseren Selbst bekehren. Kommt er in drei Wochen nach ihr zu sehen, so findet er statt drei Pfund Pflanzenspeck einen von Bienen, Irrlichtern und Knusperkäfern umsummten, sehr lockeren Blütenbusch. Die vordem unnatürlich verdickten zartblauen Stielchen haben ihre Dicke in Länge umgesetzt, als fleischige Blütenstengel tragen sie nun an ihren Enden eine Anzahl dünn verteilter gelber Blüten. Die wenigen unverwüstlichen unter den Knospen färben sich blau, schwellen an, blühen auf und setzten Samen an. Diese kleine Schar der Aufrechten und Naturgetreuen rettet die Blumenkohlzunft.
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