Ein Kapitel aus einem nie veröffentlichten Buch - Das dritte Rom

in russia •  6 years ago 

Ein weiteres Kapitel aus dem unveröffentlichten Buch. Dieses mal über die orthodoxe Kirche.  

Wie viele Autoren sagten, erinnert das, was Jesus lehrte und wie die Urchristenheit lebte, eher an anarchistische Kommunen, als an eine Staatskirche. Wie kam es dann, dass wir heute eine Staatskirche haben? Woher kam diese Idee?  Mark Passio glaubt, dies sei eine Manipulation der Römer und des Kaiser Konstantins. Kann es da aber eine andere Erklärung für geben?  Um diese Frage zu beantworten muss ein Blick auf die Ostkirche gewagt werden. Diese sieht sich als Nachfolgerin des konstantinischen Roms und von Byzanz, weshalb sie sich den Titel „Das dritte Rom“ gibt.  Für das dritte Rom ist die Idee des Katechon entscheidend. Die Idee des Katechon wurde vom Apostel Paulus in das Christentum eingefügt, und taucht unter Anderem im 2. Brief an die Tessalonicher vor.  Paulus versuchte die Frage zu beantworten, warum das jüngste Gericht noch nicht direkt eintraf. Er erklärte, dass die Mächte des Antichristen zwar schon am Werke seien, aber es noch eine andere Kraft geben würde, welche diese Mächte zurück hält. Dies sei der „Katechon“, was Wörtlich als Aufhalter übersetzt wird. Und erst wenn dieser Aufhalter vom Antichristen übertrumpft werde, könnte der Prozess der Endzeit in Gang gesetzt werden, an dessen Ende Gott gewinnt.  Der Katechon würde den Antichristen nie besiegen können und müsse selbst irgendwann vom Antichristen besiegt werden, aber er könne für die gute Seite „Zeit heraus schinden“.  Die frühen Christen glaubten, dass dieser Katechon ein christiliches Weltreich sein würde, was entstehen kann, wenn sich Rom zum Christentum bekehrt. (Das vorherige Rom sei schon vom noch unerkannt arbeitenden Antichristen kontrolliert, aber man könnte es ihm wegnehmen.) Und dass dies darin resultieren würde, dass die Staatsmacht die Christen am Ende verteidigen würde. Deshalb sei Rom auch das prophezeite „letzte große Weltreich vor der Apokalypse“, weil die Aufgabe des christianisierten Roms sein würde, den Antichristen draußen zu halten.  Dies sei auch eine Deutung des Römerbrief, mit dem Inhalt, dass sich Christen an die weltliche Autorität Roms zu halten hätten. Man verachtete zwar die religiöse Seite, aber man wollte die weltliche Seite des römischen Staates nicht gefährden, da man sie am Ende für eigene Zwecke nutzen wollte. Durch die Reform Konstantins sollte dann endlich die Herrschaft des Katechon etabliert werden. Dieses neue Reich sollte nun die staatliche Trutzburg sein, welche ein Stück der Welt dem Antichristen entreißt und zum sicheren Hafen für die Christenheit macht.  Zu diesem Konzept gehörte auch das Konzept, dass sich der Gläubige und insbesondere der Mönch frei machen sollte, von allem, was endlich ist, und sein Leben nur der Erfahrung des Ewigen und des Unendlichen widmen sollte. Dadurch sollte Freiheit geschaffen werden, alles zu denken, über das gedacht werden muss. Dies konnten aber spirituelle Erfahrungen in allen Richtungen sein. Von großer Freude bis zu großer Angst. Sünde sei gleichbedeutend mit der persönlichen Entfernung vom Ewigen und endliche Zeit würde nur dazu dienen, wieder zum Ewigen zu kommen.  Ein anderer Punkt der Orthodoxie war, dass es eigentlich zuerst keine strikte Hierarchien von Wissen geben sollte, sodass der Priester mehr wissen sollte, als das einfache Volk. Das Ideal war, dass irgendwann jeder alles vom Heiligen wissen sollte, und deshalb z.B. ein „Geisteskranker“ mit religiösen Visionen (wie die späteren Yurodiwy in Russland) auch genau so ernst genommen werden sollte, wie ein erfahrener Priester. Dies diente dazu, die Zahl der Wissenden zu erhöhen und damit eine Verfälschung oder Ausradierung des Wissens zu verhindern.  Es sollte keine geheime esoterische Priesterreligion und eine exoterische Öffentlichkeitsreligion für den „Pöbel“ geben. Alle sollten dasselbe Wissen dürfen. Leopold Ziegler deutete das Vater Unser als eine Spur dieses „Reichsgedanken“ des Katechons, dass der Gläubige in seinem tiefsten Inneren die göttliche Ordnung akzeptiert. Diese sich daraufhin in der Gemeinde und im Staat, und dann im Kosmos materialisert. Und dass durch die Akzeptanz der göttlichen Ordnung im heiligen Reich dann auch alle Sünden der Zeiten davor vergeben und vergessen werden könnten, weil diese halteben vor der Etablierung der göttlichen Ordnung passierten, dem neuen Reich also fundamental „Fremd“ sind. Das „tägliche Brot“ sei auch nicht das zu Essen gemeint, sondern die Offenbarung der ewigen Wahrheit.  Die Idee ist also, dass der Mensch durch seinen Willen, zu „Gottes Friedensreich“ zu gehören, im Kleinen, die Ordnung dieses Friedensreichs im Großen stabilisiert und erhält. Diese Periode der Staatskirche wurde auch oft als die Periode des „Tausendjährigen Reiches“ in der Offenbarung des Johannes gesehen, wo Christus den Teufel besiegt und für tausend Jahre herrscht, bevor der Teufel wieder kommt. Interessanterweise war die byzantinische Periode auch fast genau tausend Jahre lang.  (Dies bedeutet folglich auch, die Endzeitchristen aus dem evangelischem Bereich täuschen sich. Das Buch der Offenbarungen hat sich schon erfüllt, und wir sind im Zeitplan schon mehrere tausende Jahre weiter, als diese Leute vermuten.) Diese Byzantinische Einheit zerbrach langsam. Unter Anderem auf Grund von Machtansprüchen von Päbsten, Kardinälen und Adligen, welche die Ideen der Ostkirche verrieten. (Hier ging es unter Anderem darum, dass der Pabst der westlichen Kirche als zentrale Autorität und alleiniger Stellvertreter Gottes wahrgenommen werden wollte, während die Ostkirche sich dezentral und regional organisieren wollte. ) Dies ging auch darum, dass die Westkirche begann, neue unbiblische Lehren wie das Fegefeuer einzuführen. Dies kulminierte dann in der Spaltung der Kirche und den Einmarsch der Türken in Konstantinopel. Dies wurde in der späteren Ostkirche als Fall des Katechon und der Beginn der Stärkung des Antichristen gesehen.  Man versuchte aber, nachdem man von Konstantinopel nach Russland floh, dort den Katechon wieder aufzubauen, was aber als Fehlschlag gesehen wurde.  Die Einheit der russischen Orthodoxie wurde zerbrochen, als Patriarch Nikon den Ritus reformieren wollte. Daraus entstand die Bewegung der Altgläubigen. Diese sahen in Nikons Reform das Werk des Antichristen und rebellierten gegen Staat und Kirche. Einige Altgäubigen Gruppen lehnten auch sogar die Idee von Priestern und Hierarchien im Glauben komplett ab.  Die Staatskirche versuchte die Altgläubigen erbarmungslos zu verfolgen und schickte viele auf den Scheiterhaufen.  Viele Altgäubige versuchten vom Staat unabhängige Kommunen aufzubauen und wurden oft Opfer von Verbannungen. Sie versuchten deshalb, versteckte Dörfer in Wäldern oder an Küsten aufzubauen, welche der Staat nicht finden sollte. Interessanterweise konnten diese Altgläubigen, die die Staatskirche ablehnten, oft wirtschaftlich deutlich besser arbeiten, als die Leute, die sich der Staatskirche unterstellt haben.  Dugin interpretiert, dass die Reformen Nikons den Weg zur Sekularisierung unter dem Tsaren Peter dem Großen und dem damit einher gehenden Verlust der politischen Autorität der Kirche beitrugen. Peter der Große versuchte sogar de Facto, die Kirche ihrer Unabhängigkeit und politischer Kontrollfunktion zu berauben, und vollends zum Propagandainstrument des Staates zu degradieren. Es existiert die Interpretation, dass Antichrist und Katechon zusammen hängen. Und zwar in der Form, dass der Katechon in Form einer Staatskirche den Boden für den Antichristen bereitet, und quasi die Infrastruktur aufbaut, mit welcher der Antichrist am Ende die Welt beherrscht.  Und deshalb kann der Antichrist erst nach dem Fall des Katechon kommen, weil der Antichrist die Staatskirche nicht besiegen wird, sondern sie stattdessen infiltriert und unter seine Kontrolle bringt. Der Antichrist verfälscht dann die Lehre der Amtskirchen in eine antichristliche Lehre, und nutzt die staatliche Macht, um alle wahren Gläubigen umzubringen.  Somit bringen die Staatskirchen dann die Zeit der Christenverfolgung in schlimmerer Form zurück.  Und nicht nur das. Die Politische Ideologie des Antichristen wird das menschliche Leben so entwerten, dass kein großer Unterschied mehr zwischen Nichtexistenz und Existenz besteht. Die Bürger des Antichristen werden ihr Dasein also fast als „lebende Tote“ fristen, denen man alles genommen hat, was ein gutes Leben ausmachen kann. Deshalb kann Paulus Prophezeiung des Katechon fast als Warnung interpretiert werden. Es sollte möglicherweise keine Möglichkeit aufzeigen, den Antichristen fern zu halten, sondern davor warnen, dass dieser Versuch, den Antichristen aufzuhalten, diesen am Ende an die Macht hievt.  Staatliche Macht, die einen Glauben beschützen soll, kann gegen eben diesen Glauben gedreht werden. Zur Überlegung, die Staatskirche könnte der Boden sein, auf dem der Antichrist gedeiht, passt gut ein bekanntes Zitat aus den Nachlassunterlagen des Philosophen Friedrich Nietzsche.    Wir haben also als Missverständnis ... eine kirchliche Ordnung, mit Priesterschaft, Theologie, Kultus, Sakramenten; kurz, alles das, was Jesus von Nazareth bekämpft hatte.       Quellen:  Dugin, A.G. (2018) We are the church of the end times https://www.geopolitica.ru/en/article/we-are-church-end-times   Dugin, A.G. (2018) On the third Rome https://www.geopolitica.ru/en/article/third-rome   Kvasha. Semyon (2013) Discovering Russian Orthodoxy: The Oldbelievers https://www.rbth.com/arts/2013/03/29/shedding_light_on_secrets_of_ancient_russian_orthodoxy_24399.html   Steuckers (ohne Datum) Europe, Globalization and Metapolitics https://www.geopolitica.ru/en/article/europe-globalization-and-metapolitics   Tvtropes.org Useful Notes Orthodox Christianity https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/UsefulNotes/OrthodoxChristianity   Dugin, A.G. (2017) Death and Its Aspects https://4threvolutionarywar.wordpress.com/2017/02/11/death-and-its-aspects-alexander-dugin/   Dugin, A.G. (2017) The intellectual Axis of the Orthodox Tradition https://4threvolutionarywar.wordpress.com/2017/04/04/orthodox-logos-alexander-dugin/   Dugin. A.G. (2016) Russian Orthodoxy and Initiation https://4threvolutionarywar.wordpress.com/2016/05/13/russian-orthodoxy-and-initiation-alexander-dugin/ Dugin, A.G. (2016) Putin and the Conservative Revolution  https://www.geopolitica.ru/en/article/vladimir-putin-and-conservative-revolution   Passio, Mark (2018) Präsentation: Fake Ass Christians   Ziegler, Leopold (2001) Weltzerfall und Menschwerdung  

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