Sie starrten aus dem Fenster. Zwei tief blaue Augen, vom Schleier der Zeit umnebelt und in eine seichte unansehnliche Farbe verwandelt. Aber dahinter war immer noch unendliches Blau erkennbar, wie wenn man an einem sonnigen Tag in einen klaren Bergsee hüpfen würde. Doch über die Jahre war dieses Blau immer schwächer geworden. Zu viel Schlechtes, zu viel Leid und Ungerechtigkeit haben sie sehen müssen, bis sie beschlossen hatten weg zu sehen, nicht wahrzunehmen, was eine Nasenspitze von ihnen entfernt passierte. Diese Augen, umrahmt von Tälern aus Geschichten und Bergen von Lebenserfahrungen, schauten in die unendlichen Weiten eines tiefgrauen November Himmels, wo eine Wolke nicht von der anderen zu unterscheiden war. Ein Blinzeln riss den alten Mann aus seinen Gedanken, die kaum mehr waren als ein dünner Fadenstrich in einer langen Reihe von Vielen. Niemand könnte ihm je nehmen, was die Erinnerung an bessere Zeiten ihm gab. Aber dennoch, alles war endlich und letztlich würde der Tod ihnen Herr werden und sie mit seinem Leben auslöschen. Das Bewusstsein darüber, dass alles seine Endlichkeit hat, kein Funke länger bestehen würde, als er müsste, um das Feuer am Leben zu halten, lies dem Mann ein leichtes Lächeln über die sonst in mühseliger Arbeit eingegraben hängenden Mundwinkel huschen.
Als Kind hatte er es nicht wahrgenommen, diese Endlichkeit. Es war ihm zwar bewusst gewesen, dass wenn er eine Blume pflückte, er damit ihr Ablaufdatum bestimmt hatte, aber er hatte es nicht wahrgenommen. Ihm war nicht bewusst, wie sehr er das Leben dieser Blume beeinflusste. Aber der Flügelschlag eines Schmetterlings… Es war ihm entfallen, das Ende. In letzter Zeit passierte das häufiger, er verlor sich in Gedanken, bis er den Gedanken selbst verlor. Vom Gang her drangen geschäftige Geräusche. Es war Mittagszeit. Er roch die Erdäpfel. Ihren frischen erdigen Duft. Er schloss die Augen und erinnerte sich daran, wie gern er als Kind bei seiner Großmutter gesessen hat, in der Küche und ihr zugeschaut hat wie sie das Mittagessen zubereitet hat. Sie sorgsam jede Schale von den Kartoffeln entfernte, diese groben Hände, geprägt vom Alter, in Falten gelegt, mit Flecken versehen. Sie kamen ihm damals so groß vor. Und immer wieder viel ein Stück von den noch warmen, dampfenden Kartoffeln für ihn ab. Aber nicht einfach so, seine Großmutter gab ihm ein Ende der Kartoffel, aber nicht ohne davor die Butter aus dem Kühlschrank zu holen und ein Stück hauchdünne Butterscheibe zusammen mit etwas Salz auf die runde Schnittseite der Kartoffel zu geben. An ihr Gesicht konnte er sich nicht mehr erinnern, egal wie sehr er sich anstrengte, es verschwamm vor seinen Augen. In dem Moment wo es Gestalt annahm, war es als würde jemand einen Stein ins Wasser werfen, und das eben noch klare Bild begann sich aufzulösen und nur noch Farbklekse waren zu sehen. Bis gar nichts mehr zu sehen war, außer die schwarze, einsame Dunkelheit. Sanft wich der Atem aus seinem behäbig gewordenen Körper. Zum letzten Mal hatte sich seine Brust gesenkt. Zum letzten Mal hatte er seine Augen geschlossen.
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