Landleben - eine Hochzeit morgens um 8

Zuerst dachte ich es ist eine finanzielle Entscheidung, eine Hochzeit morgens um 8 zu veranstalten. Vielleicht weil der Saal zu dieser Zeit billiger wäre. Falsch gedacht. Es mag zwar vielleicht Tradition sein morgens zu heiraten, aber hier war es auch gekonntes Zeitmanagment.
Am Tag vorher gab es so etwas wie einen Junggesellenabschied, ähnlich dem, dessen Bässe ich am Vortag in meinem Dorf "geniessen" durfte. Dieser war noch in vollem Gange, als wir abends dort vorbeifuhren, um zwei Freundinnen der Braut zum Hotel, wo die Hochzeit stattfinden soll, einzuladen.
Und dem Anschein nach war es ein richtiger Junggesellenabend, mit Scheintoten am Straßenrand und infernalisch karaokesingenden Thais, die von ihren nicht minder betrunkenen Groupies jedes Geschlechts und Alters unterstützt wurden. Hier war ich zum ersten Mal so richtig froh, dass ich als Anhängsel einer Freundin der Braut beim Schmücken des Veranstaltungsortes anwesend sein muss.
Und so kam es denn auch, ich musste anwesend sein.
Jeder schmückte so vor sich hin, ich habe ein paar Fotos machen dürfen, dann wurde ich geparkt und wahrscheinlich so, dass man mich im Auge hat, ich jedem neu Hinzukommenden aber auch sofort ins Auge springen musste und sie so ein Gesprächsthema hatten.

Kurze Ansage an alleinreisende Männer, die Thailand besuchen.
Wenn Ihr von Thailadies als "handsam" bekomplimentiert werdet, heißt das noch lange nicht, dass Ihr gut ausseht und eine tageslichttaugliche Erscheinung seid. Es heißt vor allem, dass ihr leicht zu führen seid und einen guten Fang abgebt.

So richtig vorwärts ging es dann aber nur seeehr langsam, zum einen, weil da irgendwo ein superwichtiges Volleyballspiel lief, zum anderen, weil auch 31 jährige noch gerne Prinzessin spielen, oder Aschenputtel oder was weiß ich. Außerdem bin ich unter Thais...

Gegen Mitternacht wurde ich dann auf mein Zimmer geschickt, entweder meines hohen Alters wegen oder weil man mir ansah, dass mir 4 Stunden zuschauen reichten.
Knapp 5 Stunden später, kaum dass ich die richtige Einstellung der Klimaanlage und ein halbwegs bequeme Lage auf der brettharten Matratze gefunden hatte, wurde ich geweckt und zwar so, wie ich mir ein einlassbegehrendes Rollkommondo vorstelle. Aufstehen , fertigmachen, aber als ich 20 Minuten später frisch gewässert und gebügelt vor die Tür und in die nächste trat, wurde ich überrascht gefragt, was ich denn jetzt schon hier wollte.
Denn da sah es aus...

Gehe ich halt spazieren. Das Hotel oder besser das Resort oder Motel habe ich ja gestern nur im Dunkeln gesehen.
Ein paar warfen ein paar Bälle, die meisten männlichen Gäste standen aber in der Gegend, als seien sie ähnlich geweckt worden wie ich. Frauen sah ich wenige, bis ich zum Saal kam; dort ballte sich eine Wolke aus Glitzer, Tüll und chinesischer Spitze..Die meisten Gäste hier sind heute Hochzeitsgäste wie wie wir und man sieht sehr deutlich, dass dies ein ländliches Gebiet ist.
Pickups, wohin das Auge sieht, je größer je besser.

Um 8 ging es tatsächlich los, selbst die Braut war überrascht. Allerdings begann die Hochzeit auch mit ein paar Ritualen für den Bräutigam, so fiel ihr Zuspätkommen nicht auf.
Er wurde , natürlich elektronisch verstärkt, von seinen Freunden angespornt diese Schritte zur Aufgabe eines selbstständigen Lebens zu gehen,ja sie wuschen ihm sogar die Füße, damit er sauber zur Selbstaufgabe schreitet.

In Thailand hat die Frau die Hosen an. Sie verwaltet meist das gesamte Einkommen, entscheidet auch mehr oder weniger allein, was gekauft wird. Der Mann gibt in den meisten Fällen sein komplettes Einkommen ab und bekommt ein Taschengeld von seiner Frau. So ergeht es auch vielen Expats, die eine Thai heiraten. Aber so eine thailändische Heirat hat auch ihre Vorteile. Es ist nur ein Versprechen ohne rechtliche Verpflichtungen, die "richtige Ehe" ist auch hier nur ein Verwaltungsakt, welchen man nicht vollziehen muss. Deshalb gibt es hier auch so viele alleinstehende Mütter. Vielen Männern ist es lieber ihr Gesicht als ihr Leben zu verlieren.

Im Saal wurde der Bräutigam unter Zuhilfenahme oder Beistand von Freunden und der Familie seiner Braut, die auf der Bühne wartete, zugeführt und eine entspannte und lockere Zeremonie begann... und dauerte auch.

Ein Mönch sprach einige Minuten, dann dieses Ritual mit den Bindfäden, welches auch die Freunde von Braut und Bräutigam einband, dann sprach der Mönch wieder ein paar Minuten, dann wurde die Braut von ihren Eltern übergeben, dann sprach der Mönch.
Dann dachte ich, es wäre vorbei, aber es wurde nur die Dekoration gewechselt und die Eltern sprachen, und die Onkels und..
Zwischendurch wurden ganz klassisch Ringe getauscht.

Die Wolke aus Tüll und Spitze hat sich zwischenzeitlich wie auch die anwesenden männlichen Gäste an die Tische gesetzt und gleichzeitig mit der Zeremonie begann auch das Essen und Trinken. Dieses fand ich nun wieder sehr angenehm, denn niemand wurde genötigt zuzuhören oder zuzusehen. Jeder konnte essen, trinken, sich unterhalten, Bekannte entdecken und begrüssen oder sich seinem Handy zuwenden und wen das Geschehen auf der Bühne interessierte , der sah halt zu. Überhören konnte es eh keiner, auch hier gab es eine professionelle Verstärkeranlage, die auch (aus)genutzt wurde.

Mittlerweile ist es 10 Uhr und die Gratulationen beginnen. Dazu bekommt man von diesem weihnachtsbaumartigen Dekorationsteil zwei Bindfäden ausgehändigt und bindet diese um die Handgelenke von Braut und Bräutigam. Zuvor übergibt man dem Bräutigam das Geschenk, üblicherweise einen Umschlag mit Geld. Dieser Umschläge bekommt man mit der Einladung und sie liegen auch am Eingang aus. Die Familien beginnen und , das ist anders; jeder Gratulant bekommt ein Geschenk vom Hochzeitspaar, Tücher , Schals, thailändisch traditionelle Kopfkeile , solch Gaben.

Mir wurde so ein Schal um den Bauch gebunden und erklärt, dass es sich um ein Willkommenzeichen handelt. Es kann aber auch gut sein, dass es ein sichtbares Zeichen für "noch zu haben und ganz annehmbar" ist, da ich nur wenige Männer damit rumlaufen sah. Was solls. Ich folge sowieso dem Gleichnis von der Kuh und dem Glas Milch, Bauchbinde hin oder her...

Eine Stunde später, gegen elf, war auch dieses vorbei und der Saal leerte sich zusehends.
Die Fotosessions draußen begannen und drinnen begann das unvermeidliche Karaoke. Und es schien, dass der offizielle Teil zu Ende war. Ich spielte noch eine Stunde Fotomotiv/Fotograph vor der Tür, dann verabschiedete ich mich vom Geschehen. Gehen konnte ich natürlich noch nicht, da ich als Mitbringsel auf meine Führerin warten musste, die als Freundin der Braut blieb, bis gegen zwei endgültig Schluss war. Ein Schläfchen konnte ich auch nicht angehen, da mein Bett (was ist schon meins hier) bereits von anderen beschlafen wurde. Aber ich konnte diesen Post beginnen und dem Wolkenbruch zusehen, der mich aus dem Park des Ressorts vertrieb.

Mittags um 2 und jetzt ist Schluss? Nicht ganz, um 8 geht es weiter, diesmal im Haus der Braut, die ziemlich müde aussieht und dabei schon wieder in Zivil mit einem Geldbündel durch die Gegend läuft und den Service bezahlt. Die Frauen haben hier wirklich die Hosen an.

Aber jetzt wenigstens schnell nach Hause und etwas schlafen?
..... wenn man denn vernünftig wäre.
Denn jetzt wurde es wieder sehr vertraut für mich; wir besuchten noch , die meisten alkoholisiert und alle aufgebrezelt, einen Markt, um ganz dringend ganz Wichtiges einzukaufen. Das kennt jeder, der schon mal auf dem Hamburger Fischmarkt war, nachdem er die viel zu kurze Nacht durchgemacht hat.

Aber geile Taxis haben die hier.

Über heute Abend werde ich nichts schreiben, denn es wird ein Karaokeabend werden. Wie ich mich darauf freue.....

---

geschrieben auf einem richtigen, gepolsterten Hocker,
das Leben kann so schön sein.