Freunde des geschriebenen Wortes, geneigte Leser, Phantasten und heimliche Rebellen, ich stelle euch die Angsthäsin vor.
Kommt mit in den Wald und werdet Zeuge einer einseitig vergnüglichen Begegnung.
Die ganze Geschichte spielt in Berlin, wo ich aufgewachsen bin, und die Krumme Lanke ist quasi mein See. Ich bin in ihr geschwommen, auf ihr Schlittschuh gelaufen, um sie herum gejoggt und habe mich an ihren Ufern berauscht.
Hakki ist Psychotherapeut, der die Gefängnistheatergruppe leitet, in der ausschließlich Muttermörder mitspielen; Elvis ist Schriftsteller und bester Freund von Hakki und Professor ist sein Hund.
„...Die Angsthäsin
Als er den Bulli vor seiner Haustür parkt, kommt ihm Professor schwanzwedelnd aus dem Garten entgegen gelaufen und lässt sich zur Begrüßung ausgiebig streicheln, während es sich Elvis hinten auf einer Liege gemütlich gemacht hat. Hakki folgt dem Hund in den Garten und begrüßt seinen Freund.
„Was machst du denn hier?“
„Ich dachte, wir gehen eine Runde um den See. Es ist ja Mittwoch, da sind nicht so viele Leute da.“
„Gute Idee, warum nicht.“
„Dann kannst du mir auch gleich aus der Anstalt berichten. Hast du ihn gefragt, welches Tier er ist?“
„Nein, es hat sich nicht ergeben. Dafür hat er mit der Tomate gekämpft und zugegeben, dass er gelogen hat. Wir haben heute also enorme Fortschritte gemacht. Und ich habe sogar angefangen, die Hypnose einzuleiten. Es hat super geklappt, er hat eine wichtige Erinnerung beobachtet. Es wird nicht mehr lange dauern und er wird sehen, dass es seine Erinnerung ist. Aber davon kann ich dir ja beim Spaziergang alles genau erzählen.“
Elvis klatscht begeistert in die Hände und springt von der Liege auf. Sie verlassen den Garten, überqueren die Straße und gehen durch den Wald zur Krumme Lanke.
...
Sie unterhalten sich über Hakki's Erlebnisse im Gefängnis und die Entwicklung des Stückes, sie erzählen vom Araber, dem fuchsartigen Achilleus und der taubenartigen Eulengöttin. Ja, man kann wohl sagen, sie befinden sich inmitten der nettesten und schönsten Unterhaltung, als plötzlich von weitem eine Frauenstimme in sie eindringt.
„Leinen Sie den Hund da an!“, ruft sie ihnen zu und erklärt: „Ich habe Angst!“
Elvis reagiert natürlich nicht und auch Hakki fühlt sich zu nichts aufgefordert. Als die Frau das sieht, bleibt sie abrupt stehen und verschränkt die Arme trotzig vor der Brust.
„Ich hab gesagt, Sie sollen den Scheiß Köter anleinen, der is‘ ja gefährlich!“
„Hohoho“, lacht Hakki tief in sich hinein, er ahnt eine hervorragende Szene, und er hat nicht übel Lust, auch ein bisschen mitzuspielen. Er ist gespannt, wohingegen Elvis eher angespannt ist. Er möchte diese Kreatur am liebsten jetzt sofort mit einem Schlag zu Boden werfen. Er möchte ihr mit all seiner Kraft ins Gesicht schlagen und er träumt von einer Welt, in der er das darf. Leicht verlangsamten Schrittes gehen sie weiter auf die Frau zu. Diese fängt an, wild durch die Nasenlöcher zu schnauben, und aus erregter Kehle zu keuchen. Professor trottet patschnass zwischen Elvis und Hakki voran und ahnt, was gleich wieder kommt. Er fällt etwas zurück und lässt den Menschen ihren Auftritt, während er sich im Hintergrund bereit hält und auf den richtigen Moment für sein Erscheinen wartet. Elvis kommt dicht vor dem Gesicht der Frau zum Stehen, deren Augäpfel bedenklich aus den Höhlen hervortreten.
„Und ich“, spricht Elvis sie an und kommt dabei so nah, dass ihre Nasenspitzen fast zusammen stoßen, „ich habe Angst vor hysterischen Weibern. Warum sind Sie nicht angeleint? Denn ich bin der Meinung, dass Sie hochgradig als gefährlich einzustufen sind.“
„Wie haben Sie mich genannt?“, schreit die Frau entrüstet und hüpft einen Schritt zurück.
„Ich habe Sie ein hysterisches Weib genannt, und eine Gefahr.“
„Sie ham‘se wohl nich‘ mehr alle!“
„Was habe ich nicht mehr alle?“, fragt Elvis.
„Na, alle Tassen im Schrank. Sie ticken nich‘ ganz sauber.“
„Ja, das war vorhersehbar. Wie unoriginell. Aber, was geht mich Ihre Angst an?“
„Sie müssen den Köter anleinen.“
„Köter soll abwertend gemeint sein, nehme ich an? Weil er ein bestimmter Hund ist, ist er es nicht wert, Hund genannt zu werden? Sind einige Hunde besser als andere? Ist es das, was Sie meinen?“
„Nich‘ umsonst muss der 'n Maulkorb tragen! Und wenn ich Angst habe, dann ist das Ihre Schuld!“
„Nein“, mischt Hakki sich ein, „das ist es nicht. Ihre Angst ist Ihr Problem, nicht seines. Weder er noch der Hund sind für Ihre Angst verantwortlich und sie brauchen sich nicht darum zu kümmern.“
„Die können ja wohl Rücksicht auf mich nehmen!“
„Da haben Sie recht. Das könnten sie. Aber sie müssen nicht. Und schon gar nicht, wenn diese Rücksicht auf so unangenehme Weise gefordert wird. Sie sind in der Tat schrecklich hysterisch und eine Gefahr für den Frieden. Der Herr hat ganz recht. Sie sollten einen Maulkorb tragen, einen schalldichten. Das wäre sehr viel besser für alle und letztendlich auch für Sie, denn Sie können nie wissen, an wen Sie da mal geraten. Es gibt Menschen, die verlieren die Geduld und schnappen kurz über. Und Sie wissen nicht, was dann alles passieren kann.“ Hakki redet überzeugt und ernsthaft, denn er weiß wovon er spricht. Dem Weib wird etwas mulmig, es sieht sich unauffällig um, ob da nicht irgendwo ein paar Menschen kommen, aber es kommt keiner. Elvis freut sich wie ein Kind, so viel Spaß hat es ihm schon lange nicht mehr gemacht. Er reibt sich die Hände, feixst in sich hinein und sagt freudig:
„Wissen Sie, was ich komisch finde? Das der Frauenchor männlich ist. Der Frauenchor ist eine große Ansammlung von ausschließlich Frauen, es ist quasi eine ganze Herde voller Frauen. Und der Frauenchor ist ein männliches Wort. Finden Sie das nicht sexistisch? Ich meine, was soll denn das bedeuten? Daß viele Frauen in einem Mann zusammen gefasst sind? Was soll das heißen? Ist das nicht frauenfeindlich?“
„So ist halt das Wort“, antwortet das Weib verdattert.
„Sie fühlen sich dadurch also nicht als Frau diskriminiert?“
„Nein, warum denn? Was interessiert mich der Frauenchor.“
„Dann macht es Ihnen also auch nichts aus, wenn ich Sie Angsthase nenne. Der ist nämlich auch männlich, der Hase. Oder soll ich Angsthäsin sagen? Das geht ja auch. Müssten Sie als moderne, emanzipierte Frau nicht darauf bestehen, Angsthäsin genannt zu werden? Oder sind Sie gar nicht modern und emanzipiert?“ Elvis zieht die Augenbrauen zusammen und mustert sie prüfend.
„Was meinst du?“, fragt er Hakki, „muss ich sie korrekterweise Häsin nennen oder darf ich Hase zu ihr sagen?“
„Ich bin nicht Ihr Hase!“, ruft es, er oder sie völlig entrüstet.
„Siehst du“, sagt Hakki, „sie hat sich selbst als Hase bezeichnet. Ich denke also, es ist vertretbar, wenn du Hase zu ihr sagst.“
„Ich bin kein Hase!“, schreit sie wieder dazwischen.
„Jetzt verleugnet sie es“, sagt Elvis und kann sich kaum mehr vor Lachen halten.
„Ja“, prustet Hakki, „sie will es nicht zugeben.“
„Schade, dass wir keine Möhre dabei haben, sonst könnten wir sie damit locken und als Hasen, der Möhren mag, entlarven.“
„Aber nicht alle Hasen mögen Möhren.“
„Warte, ich frage.“ Elvis wendet sich an den Angsthasen und fragt: „Mögen Sie Möhren?“
„Nein, ich mag keine Möhren!“
„Er mag keine Möhren.“
„Ich bin kein Er.“
„Aber ja, wir haben uns doch darauf geeinigt, dass Sie der Angsthase sind.“
„Genauer gesagt“, wirft Hakki ein, „ein Angsthase, der keine Möhren mag. Das ist ein wichtiges Detail.“
Die Frau ringt verzweifelt mit Händen und Luft, keift ein paar Worte und marschiert eilig und völlig durcheinander davon, vorbei an Professor, der unbeweglich am Boden liegt.
„Da hat die doch glatt ihre Angst vergessen.“
„Ja, es war nichts außer Eitelkeit. Die soll froh sein, dass du dabei warst, Hakki, ich weiß nicht, wie das geendet wäre.“
„Der Witz hat dich gerettet.“
„Ja. Aber die sah wirklich ein bisschen häsig aus.“
„Ja, total.“
„Ach, du solltest öfter mitkommen. Mit dir ist es nicht nur erträglich, es ist sogar lustig. Ich glaube, die dachte, wir sind komplett verrückt.“
„Ja, die hatte richtig Angst vor uns.“
„Zurecht!“, bekräftigt Elvis. ...“
Auf die Häsin und den Witz, Prost!
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I know. Thanks.
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