Strafverteidigervereinigung Sachsen/Sachsen-Anhalt e.V.
30 August 2018
Die Strafverteidigervereinigung Sachsen/Sachsen-Anhalt e.V. nimmt zu den Vorfällen der vergangenen Tage um die Tötung eines 35-jährigen Mannes in Chemnitz wie folgt Stellung:
Schwere Straftaten, insbesondere Tötungsdelikte, bewegen oft über das Umfeld der unmittelbar Betroffenen hinaus eine Vielzahl von Menschen. Dass sie mit dem Gefühl der Trauer verbunden sind und auch den Wunsch auslösen, weitere Straftaten zu vermeiden, ist verständlich und verdient keine Kritik.
Wenn allerdings Straftaten zum Anlass genommen werden, um Selbstjustiz zu üben oder gar Straftaten gegen völlig unbeteiligte Menschen zu begehen, ist dies ohne jede Einschränkung oder Relativierung zu verurteilen. Wer das infrage stellt, überschreitet die Grenze zwischen Zivilisation und Barbarei.
Straftaten sind allein in einem rechtsstaatlichen Verfahren aufzuklären und gegebenenfalls zu ahnden. Dabei können die strafprozessualen Rechte der Beschuldigten in keiner Weise zur Disposition stehen.
Allein ein auf gesetzlichen Regeln basierendes Verfahren vor einem unabhängigen Gericht ist geeignet, für den einzelnen Menschen, aber auch die Gesellschaft, ein Höchstmaß an Recht, Gerechtigkeit und Freiheit zu gewährleisten. Dass der Haftbefehl gegen einen Beschuldigten an die Öffentlichkeit gelangt ist, stellt einen skandalösen Vorgang dar, der durch die Justiz aufzuklären und zu ahnden ist. Die Veröffentlichung von Dokumenten aus Strafverfahren berührt die Unschuldsvermutung und entfaltet eine Prangerwirkung, die mit der Fairness des Strafverfahrens nicht vereinbar ist.
Die Strafverteidigervereinigung Sachsen/Sachsen-Anhalt e.V. wurde 1996 gegründet und vertritt rund 130 im Strafrecht tätige Rechtsanwälte aus Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Weitere Infos: www.strafverteidiger-sachsen.de