ÄGYPTOLOGIE: Wissenschaft im Alten Ägypten, Teil 2

in de-stem •  7 years ago 

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In meinem vorigen Artikel über die Wissenschaft im Alten Ägypten, hab ich euch einpaar interessante Fakten über die Astronomie und die Mathematik in der Antike erzählt. Wie versprochen, möchte ich nun die neuesten Erkenntnisse mit euch in Bezug auf weitere "Wissenschaftsbereiche" teilen, die zu den so genannten Naturwissenschaften gehören. Die Gänsefüßchen am Begriff "Wissenschaftsbereiche" sind mit Absicht gesetzt, denn ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass die Alten Ägypter keine Wissenschaft nach unserem modernen Verständnis betrieben. Sie dachten und handelten innovativ, um Probleme des täglichen Lebens zu lösen. Dabei ging es um mehr als das übliche "Anhäufen" von Wissen.
Darüber hinaus hielten sie ihren Erfahrungsschatz in Papyri und an Grabwänden nicht etwa für die Nachkommen fest. Sie glaubten an ein Leben nach dem Tod in Ewigkeit und deshalb waren sie so "versessen" darauf, alles, was in ihrer Lebenswirklichkeit gut funktionierte und von dem sie profitierten, bildlich und schriftlich zu fixieren und so auf magische Weise in die Anderswelt zu übertragen – seien es Aktivitiäten des einfachen Lebens oder auch komplexe Vorgänge.

Wir sind heute diejenigen, die genau davon profitieren. Deshalb wird dieser Blogpost einwenig tiefer eintauchen in:

• Geographie
• Geologie und
• Biologie

Geographie im Alten Ägypten

Was fällt euch spontan ein, wenn ihr "Geographie" hörst? Vielleicht, dass moderne Geographen von heute GPS Tools oder andere abgefahrene Dinge nutzen, um die Landschaft zu vermessen? Aber wußtet ihr, dass die institutionalisierte Geographie erst recht spät im 19. Jh. von Alexander von Humboldt (1769–1859) und Carl Ritter (1779–1859) gegründet wurde? In diesem Zusammenhang mag es vielleicht verwundern, dass die Alten Ägypter bereits die "Geopgrahie" nutzten, um die Herausforderungen des täglichen Lebens zu bewältigen. Die Wortherkunft stammt ursprünglich aus dem Griechischen γεωγραφία und meint ganz einfach "die Erde beschreiben". Vor der Beschreibung steht jedoch stets die Beobachtung.
Und die Alten Ägypter beobachteten ihre Umwelt sehr geduldig bis ins kleinste Detail. Als Beispiel: sie wollten alles über den Nil wissen, denn seine Ebbe und Flut war Fluch und Segen zugleich. Das Wissen um die Zyklen der jährlichen Überschwemmung konnte über Leben und Tod entscheiden. Die Menschen waren in der Lage, rechtzeitig ihre Ernte in Sicherheit bringen und ihre Häuser und persönliches Hab und Gut beschützen, wenn sie die zeitlichen Abläufe dieser starken Naturgewalt kannten.

Eine der großen Bergbau-Expeditionen des Neuen Reiches ging in das Wadi Hammamat. Quelle

Interessanterweise besitzen wir heute nicht viele Quellen für Navigationswerkzeuge der Alten Ägypter. Topographische Karten auf Papyrus sind sehr selten. Dennoch ist eine davon relativ gut erhalten und befindet sich heute im Ägyptischen Museum in Turin (Italien). Sie zeigt eine ganz detailierte Beschreibung der Landschaft des sogenannten Wadi Hammamat (ein ausgetrocknetes Flußtal zwischen dem Nil und dem Roten Meer) mit seinen "Goldbergen". Sogar Bäume und anderer Pflanzenbewuchs sind darauf abgebildet. Es datiert ungefähr in das Jahr 1150 v. Chr. und wurde vom königlichen Schreiber Amennacht entworfen im Zuge der Expedition in das Wadi durch Ramses IV. (20. Dynastie).

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Papyrus Turin: Diese "Schatzkarte" zeigt nicht nur die Orte, in denen Gold zu finden war. Die spezielle Kolorierung wies auch auf Lagerstätten verschiedener Gesteinsarten hin, wie z.B. roten Granit. Quelle.

Profitabler Bergbau war nicht die einzige Motivation für derartige Expeditionen. Auch militärische Aktivitäten waren häufig der Grund, weshalb man ausgedehnte Reisen in die Wadis und Wüstengebiete unternahm. Die Alten Ägypter erkundeten die geopolitischen Ziele auch zu Zwecken des Rückzugs im Kampf und zum eigenen Schutz. So wußte man, wo man sich im Ernstfall gut verstecken oder aus einem Hinterhalt angreifen kann.

Geologie im Alten Ägypten

Geologie spielte auch eine große Rolle im Alten Ägypten. In einigen Epochen beispielsweise begruben die Menschen ihre Vorfahren in Felsgräbern, wie im Tal der Könige nahe Luxor. Deshalb benötigten sie auch ein profundes Wissen über das entsprechende Material (z.B. Kalkstein). Dennoch ist auch bekannt, dass dabei anfangs noch Unfälle passierten. Eingefallene Grabdecken oder ähnliche Katastrophen entstanden aufgrund der damals noch fehlenden Erfahrung in Bezug auf Statik und die Stabilität der geologischen Umgebung. Mit fortschreitender geologischer Kenntnis wurden die unterirdischen Grabanlagen später immer komplexer.

Reste des Tempels von Serabit Al-Khadim Quelle

Darüber hinaus kennen wir all die künstlerisch hergestellten Gefäße aus sehr hartem Gestein, die uns wegen ihrer Präzision in der handwerklichen Ausführung heute noch verblüffen.
Dieses Material wurde von den Alten Ägyptern in der Wüste aufgesammelt (z.B. das sogenannte Wüstenglas, das ich im folgenden Artikel näher beschreiben werde), aber auch systematisch in Minen abgebaut. Die Ägypter suchten nach Goldvorkommen und anderen Edelmetallen, wie dem Elektrum, einem natürlichen Konglomerat aus Silber und Gold.

Türkis, als Beispiel, der wunderschöne grün-blaue Halbedelstein wurde als Stein der Göttin Hathor angesehen. Er wurde für die Schmuckherstellung seit der Prädynastischen Periode (ca. 5500 v. Chr.) verwendet und konnte vorallem in den Bergen der Sinai-Halbinsel gefunden werden. Eine der bedeutendsten Türkis-Minen in der Antike war "Serabit Al-Khadim", in deren Nähe auch Überreste eines Tempels gefunden wurden, der der Götthin Hathor geweiht war. Diese sollte den Ort und die Bergbauaktivitäten beschütze.

Später wurde der Türkis mit Hilfe einer speziellen Keramik nachgeahmt: der Altägyptischen Fayence. Dieses Material bestand hauptsächlich aus Quartzsand, Kieselsäurepulver und Kalkstein. Die Glasur schimmerte himmelblau und türkis wegen des hohen Anteils an Eisenoxid und wurde daher zur Dekoration von Gefäßen aus Keramik, aber auch für andere Objekte wie kleine Statuetten oder für Schmuck verwendet.

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Ein kleines Nilpferd aus Fayence, der typischen türkisfarbenen Keramik. Quelle.

Ein Gefäß aus agyptischer blauer Keramik, Neues Reich (1380-1300 BC). Quelle

Weitere häufig abgebaute (Halb-) Edelsteine waren der blaue Lapislazuli, der violette Amethyst und der rötlich-gelbe Karneol. Die Alten Ägypter liebten die Farbe Blau. Sie war den Mitgliedern der königlichen Familie vorbehalten. Heute kennen wir die Farbe als "Ägyptisch Blau", einem natürlichen Mineral aus Lapislazulipulver, das jedoch sehr rar war (und ist) und daher künstlich erzeugt wurde. Die Alten Ägypter waren berühmt dafür, dass sie die Farben aus verschiedenen Pigmenten zusammenmischten. Heute kennt man Ägyptisch Blau auch unter dem Begriff "Kalziumkupfersilikat".

Biologie im Alten Ägypten

Wenn es um das Thema "Biologie" als wissenschaftliches Fach geht, finden wir in der Antike keine direkten Quellen darüber, dass die Alten Ägypter danach strebten, sich auf bewusste Weise mehr Wissen über "Mensch und Natur" anzueignen. Wir wissen nichts von "Experimenten" oder theoretischen Gedankenspielen. Dennoch gibt es natürlich Hinweise über ein profundes Wissen über die natürliche Umgebung, in der sich die Menschen befanden. Sicherlich wußten sie nichts von genetisch verändertem Getreide, jedoch waren sie in der Lage, ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten so zu steuern, dass der Ertrag von Getreide und anderen Produkten profitabler wurde. Sie wußten exakt, wann und wo sie etwas pflanzen mussten. Auf diese Weise entwickelten sie einen komplexen Aussaat-und Ernte-Kalender in Verbindung mit der jährlichen Nilflut.

Ägyptische Mumie im British Museum. Quelle

Aber auch das Wissen um den menschlichen Körper führte zu fortschrittlichen Techniken der Mumifizierung und Einbalsamierung. Sie öffneten dabei nicht einfach den Körper, um reinzuschauen. Anatomie und physiologische Prozesse wurden nicht als reiner Selbstzweck studiert. Das Ziel der Alten Ägypter war es, mehr über den Vorgang des "Werdens und Vergehens" zu erfahren, um den Körper bestmöglich auf ein Leben nach dem Tode vorzubereiten und ihn so zu präparieren, dass er in Ewigkeit fortbesteht. Nur ein perfekt erhaltener Körper in dieser Welt konnte sicherstellen, dass der Verstorbene über diesen auch in der Anderswelt verfügen konnte – und zwar in Ewigkeit. Also lernten die Ägypter über hunderte Generationen im Zuge von "Versuch und Irrtum", wie ein biologischer Organismus "in Form" gehalten werden konnte über einen solch langen Zeitraum. Ganz am Anfang wurden Verstorbene mehr durch Zufall mumifiziert, wenn sie nach ihrem Tod in Tierfelle gewickelt und im Wüstensand begraben wurden. Die heiße Luft verursachte ein schnelles Austrocknen des Körpers, so dass dieser nicht von Mikroorganismen zersetzt werden konnte. Aber die ersten absichtlichen Mumifizierungen liefen schief, und zwar so lange, bis sie herausfanden, dass sie die inneren Organe eines Verstorbenen entfernen mussten. Sie erkannten, dass nur ein "leerer" Körper für immer existieren konnte. Dennoch, nach der religiösen Vorstellung der Alten Ägypter, durfte man die Organe nicht einfach entsorgen. Demnach wurden Magen, Leber, Lunge und Darm separat einbalsamiert und in speziellen Gefäßen, den sogenannten Kanopen, in der Nähe der Mumie, meist in einer Box oder kleinen Nische im Grab, aufbewahrt. Das Herz war besonders wichtig. Es wurde entfernt und oft durch einen Herzskarabäus oder herzförmigen Edelstein ersetzt, den man häufig beim Auswickeln einer Mumie zwischen den Mumienbinden fand. Eine Ausnahme bildete das Gehirn: dieses Organ schien den Alten Ägyptern nutzlos. Sie entfernten es und warfen es weg. Es wurde weder präpariert noch durch irgendetwas ersetzt.

Habt ihr vielleicht eine Idee, warum? War ihr biologisches Wissen zu gering, um die Bedeutung des Gehirns zu erkennen? Oder mißverstehen wir die Alten Ägypter in Bezug auf ihre Vorstellung von dem Funktionieren des Körpers in der Anderswelt nach dem Tode?


Noch mehr Wissenschaft im Alten Ägypten

Einige denken nun vielleicht – wo ist Physik und Chemie? Diese Fachgebiete werden im kommenden Artikel besondere Aufmerksamkeit erhalten, wo ich einen Schwerpunkt auf Technologie und Innovation im Alten Ägypten setzen werde, denn sie waren in ihrem Handeln von je her auf eine praktische Ausrichtung ihrer Erkenntnisse fokussiert. Ich werde euch dann überraschende Beispiele aus dem Wissensschatz der Ägypter geben, von denen ihr möglicherweise vorher noch nie etwas gehört habt. Also, bleibt dabei! ;)


Quellen und weiterführende Literatur:
• Liszka, Kate, Wadi el-Hudi Site 4: a lost amethyst mining settlement, in: Egyptian Archaeology 51, Autumn 2017, 38–39.
• Harrell, J.A. and V.M. Brown, 1992b, The oldest surviving topographical map from ancient Egypt (Turin Papyri 1879, 1899 and 1969), Journal of the American Research Center in Egypt 29 (1992), 81–105.
• Nicholson, Paul T., Egyptian Faience and Glass (= Shire Egyptology. Band 18), Oxford (UK) 1993.
• Giveon, R., The Stones of Sinai speak, Tokyo 1978.
• Rossi, Corinna, Science and Technology: Pharaonic, in: Lloyd, Allan B. (ed.), A Companion to Ancient Egypt, Volume I, Chicester, West Sussex, UK 2010.
https://en.wikipedia.org/wiki/Turquoise
https://www.metmuseum.org/blogs/collection-insights/2018/egyptian-turquoise-third-intermediate-period

Im redaktionellen Bild verwendetes Foto von British Museum EA55193. Alle anderen Bilder haben die CC BY-SA 3.0-Lizenz. Die Quellen finden sich jeweils direkt unterhalb des Bildes.



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Das antike Ägypten ... ich weiß nicht wieso und warum aber jedesmal krieg ich bei diesem Thema ein angenehmes Kribbeln in der Wirbelsäule.

Das geht mir ähnlich. ;))

Eine Ausnahme bildete das Gehirn: dieses Organ schien den Alten Ägyptern nutzlos. Sie entfernten es und warfen es weg.

Jetzt ist mir auch klar, wie die ersten Zombies entstanden. Sie wollten nur das wiederhaben, was rechtmäßig ihnen gehört.

rofl Gehirn wird überbewertet... ;)

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