[DE - ENG] Die Geschichte des Patriarchats · The history of patriarchy

in deutsch •  7 years ago  (edited)

Alles beginnt im Ursprung und dorthin kehrt es auch wieder zurück.

In diesem Beitrag möchte ich auf die grundlegenden Unterschiede zwischen einer matriarchalen und einer patriarchalen Gesellschaft eingehen und versuchen zu erklären, wie die eine in die andere überging.

Mein Wissen beziehe ich von

English summary:

It starts at the beginning and this is where it ends.

In this post I'd like to adress the basic differences between a matriarchal and a patriarchal society and try to explain how one became the other.

I have my knowledge by

  • the critic of patriarchy Claudia von Werlhof (https://fipaz.at/theorie/), who in the past owned a professorship for critics of patriarchy in Vienna.
  • Furthermore by Gerhard Bott, a cultural scientist und editor ("Die Erfindung der Götter", http://gerhardbott.de/das-buch.html),
  • Harald Haarmann, a philologist ("Das Rätsel der Donauzivilisation. Die Entdeckung der ältesten Hochkultur."),
  • Gabriele Uhlmann, critic of patriarchy (see her research about Çatal Höyük: http://www.gabriele-uhlmann.de/catal_hoeyuek.htm and
  • Kirsten Armbruster, natural scientist and critic of patriarchy (for example: "Das Muttertabu oder der Beginn von Religion", see also her website https://kirstenarmbruster.wordpress.com/ and her project herstory history: https://herstory-history.com/.

  • Die Patriarchatskritik geht davon aus, dass wir in einem Patriarchat leben, unsere Vorfahren jedoch in anderen sozialen Verhältnissen gelebt haben. Dass wir in einer patriarchal organisierten Gesellschaft leben, ist weder notwendig, noch natürlich, noch gottgegeben, sondern ein von Menschen gemachter Zustand.

    Harald Haarmann hat in einem Video sehr schön die Unterschiede zwischen einer früheren Hochkultur im mythological crescent (dem „mythologischen Halbmond“) gezeigt, in der die Geschlechter gleichgestellt sind (Ökumene), ca. 8.000 v. Chr., und einer späteren Gesellschaft, die autoritär und hierarchisch organisiert ist (der Staat), ca. 4.000 v. Chr. Außerdem spricht er darüber, wie die ökumenische Gemeinschaft von der autoritären Gesellschaft unterworfen wurde.

    Die Ökumene war eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen denselben Status hatten; sie war folglich auch nicht sozial-hierarchisch gegliedert. Ihr Prinzip war das Gemeinwohl, der Gemeinsinn, Geselligkeit, Tauschäquivalenz, beiderseitiger Nutzen. Da der Gemeinsinn für das Funktionieren dieser Gesellschaft so wichtig war, musste dieser durch religiöse Praktiken immer wieder reaktiviert werden (Observanzen). Dazu dienten die Künste und auch die Mythen.

    Wir sprechen hier auch von einer matrifokalen Gesellschaft, also einer Gesellschaft, in der es kein männliches Familienoberhaupt gibt, weil der Zusammenhang zwischen Sexualität und Mutterschaft noch nicht bekannt war. Weil der Vater eines Kindes unbekannt war, verlief die „Blut-“ bzw. Verwandtschaftslinie eines Menschen dementsprechend auch entlang der mütterlichen und nicht der väterlichen Linie. Kinder wuchsen nicht in einer Familie, bestehend aus Mutter und Vater, auf, sondern unter ihrer Mutter und ihren männlichen Verwandten.

    Ca. 4.000 v. Chr. traten hierarchisch bzw. bürokratisch handelnde Patriarchen auf (Gerhard Bott spricht von kephalen Stämmen), die die egalitäre bzw. ökumenische Gesellschaft stark veränderten und zu etwas formten, was wir heute als „Staatswesen“ bezeichnen. Der Zeitraum zwischen 5.000 v. Chr. und 4.000 v. Chr. läutete die letzten großen Veränderungen ein, die von der Ökumene zum Staat führten. Die Paarungsfamilie, die väterliche Blutslinie, das väterliche Familienoberhaupt sowie das um Priester und Fürsten aufgebaute Königtum werden nahezu generell institutionalisiert.

    In einem Staat wie z. B. Mesopotamien herrschte eine politische Elite über eine bestimmte Region. Diese Gesellschaft arbeitete mit einer staatlichen Bürokratie, mit anderen Institutionen wie einer Armee, die andere Länder erobern konnte, war männerbetont und hierarchisch gegliedert. Regeln wurden jetzt nicht mehr durch „Observanzen“, dem strikten Einhalten von (meist religiösen) Praktiken, sondern durch Schrift festgelegt. Und während sich die Ökumene nach Jahreszeiten, also natürlichen Bedingungen, organisierte, bildete der Herrscher eine Infrastruktur aus und hortete Güter, damit er dafür Sorge tragen konnte, dass seine Autorität erhalten bleibt.

    Die Herrschaft [der Boviden-Patriarchen] ist von ihrer Geburtsstunde mit der Politischen Theologie der Herrschenden verbunden. Es ist nicht die Theologie, die sich politisiert, sondern die Politik wird theologisiert.

    Später ging sie über die Verbreitung von Mythen in das gesellschaftlich Unbewusste ein:

    Dank seiner politischen Machtposition, die der Priesterkönig seit etwa 4.000 v. Chr. stetig ausgebaut hat und dank seiner Herrschaft über die Politische Theologie, ist es dem Patriarchat möglich, in den Mythen eine kontinuierliche Aufwertung des ursprünglichen ithyphallischen Fruchtbarkeitsgottes vorzunehmen, vom Sohn zum Sohngatten, diesem “Stier seiner Mutter“, danach zum Vatergott, zum Pantheonchef und “Vater aller Götter“, und schließlich zum väterlichen Schöpfergott, d. h., zum zur Monogenesis fähigen Gottvater.

    (Gerhard Bott: Die Erfindung der Götter).

    Zum Abschluss

    An dieser Stelle möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass die Patriarchatskritik anders aufgestellt ist als der Feminismus. Ich habe hier etwas über die Unterschiede geschrieben. Es geht ihr um das dualistische Denken, in dem "eine Schneise" in die Welt gezogen wird, um etwas Höherwertiges von etwas Minderwertigem zu unterscheiden und darum, die damit verbundene Kontrolle, das "Beherrschenwollen", aufzugeben.

    Der Text ist, außer an den Stellen, die ich als Zitate markiert habe, meine eigene Arbeit. Er erschien das erste Mal auf Slideshare.

    Quellen

    • Harald Haarmann: Introducing the Mythological Crescent,
    • Bezüglich Mythological Crescent / Mythologischer Halbmond siehe auch Wikipediaeintrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Donauzivilisation
    • Video von Harald Haarmann der dctp: Der Kult der Großen Göttin, http://www.dctp.tv/filme/grundtypen-hochzivilisation-der-kult-der-grossen-goettin/
    • Monica Sjöo, Barbara Mor: The Great Cosmic Mother - ENGLISCHE ORIGINAL-VERSION
    • Monica Sjöo, Barbara Mor: Wiederkehr der Göttin - DEUTSCHE, GEKÜRZTE VERSION
    • Gerhard Bott: Die Erfindung der Götter
    • Gabriele Uhlmann: Archäologie und Macht
    • Gabriele Uhlmann: Der Gott im 9. Monat
    • Carola Meier-Seethaler: Ursprünge und Befreiungen

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    09.05.2018 UTC + 1
    finché vita in petto avrò

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    sehr interessant und auch unprätentiös geschrieben. Ich habe oft und lange darüber nachgedacht, wo und wann eigentlich die Struktur entstand, in der ich heute lebe. Es wird häufig gesagt, dass der Zusammenhang zwischen einer von der Jäger- und Sammlergemeinschaft in die Agrargemeinschaft übergegangene Form des Lebens eine Ursache für das Patriarchat gewesen ist. Aber auch das Kriegführen soll eine sein. Der Kampf um Ressourcen wird oft einfach angenommen, warum auch immer als wären unsere Vorfahren schon immer kämpferische und räuberische Menschen gewesen.

    Ich weiß natürlich nicht, ob die Menschen vor zehntausend Jahren eine Mangel-Natur vorgefunden haben und dem Mangel durch das Nomaden-Dasein entkamen. Haben also nomadisierende Stämme gegeneinander gekämpft, weil sie sich kein Nahrungs-Territorium teilen konnten? Ich finde das schwer zu glauben, in einer prähistorischen Welt, wo Tiere in großen Herden vorkommen mussten, da ihre Lebensräume weitaus umfangreicher gewesen waren als heute. Ich kann mir nicht helfen und denke, dass der Mangel nicht so groß gewesen sein kann, zumindest nicht an Nahrung für Menschen. So ist also die Hinwendung zum Sesshaften eine scheinbare Ursache. ...

    Aber auch andere Völker haben sich sesshaft gemacht und fanden andere Formen des Zusammenlebens. Ich vermute daher, dass es u. a. eher die Anzahl der Menschen war und die Größe ihrer Polis, die das Patriarchat begünstigten und, genau wie du sagst, die Erfindung der Schriftsprache.

    Schön, wie du eine etwas universellere Sicht bietest und klar vom Feminismus unterscheidest (dem ich zu misstrauen begann ab dem Zeitpunkt meiner Mutterschaft).

    Es scheint, als würden Metropolen nicht gerade das Beste im Menschen zum Vorschein bringen. Die sich alle Einverleibende Mega-Stadt: wie ein Magnet, der alles um sich herum anzieht und die Umgebung leer macht, wo Monokulturen die immer weiter wachsende Metropole füttern sollen. Was früher die "Natur da draußen" war, ein wilder Wald, ist nun "kultiviert" und zunutze gemacht. Nicht nur Menschen sind unterworfen, auch alles, was wild gewesen war. Das andere Extrem eben: das nicht zu Kontrollierende, das Wildwüchsige und vor Gefahren Strotzende. Auch dort können wir nicht leben.

    Wir tun so, als müssten wir uns zwischen beiden entscheiden, ein entweder-oder Spiel spielen wir. Tatsächlich kann man aber die Kulturmachung weniger mono-mäßig steuern, Vielfalt hineinlassen und das und den kultivieren, die zueinander passen, sich gegenseitig befruchten und stützen so wie Pflanzen und Tiere dies gemeinhin tun, wenn man sie klug integriert (Perma-Kultur). Menschen können dies auch und nicht immer ist es ein- und dieselbe (kluge) Person, deren Führung man sich anvertraut sondern unterschiedliche Menschen, die man für diese oder jene Situation geeignet hält. WENN sie ihre Potenziale kennen und zeigen.

    Wir sind noch immer in einem feedback-loop, wo das gegenwärtig ist, was vor langer Zeit begonnen wurde. Nur schwer zu ändern. ... Aber dennoch nötig und richtig, es zu wollen und zu versuchen.

    Danke, ich bin schon gespannt auf deinen nächsten Beitrag dazu.

    Ich danke dir sehr für deine Antwort. Ich freue mich wirklich über jeden deiner Kommentare, da ich weiß, dass du dir wirklich Gedanken über das Thema machst und bereit bist, Dinge auch kritisch zu sehen.

    Oh wei oh wei, momentan fehlt mir etwas die Zeit, um mich näher reinzufuchsen. Aber ich bleibe am Thema auf jeden Fall dran.

    Was ich so interessant an der Patriarchatskritik finde, besonders an dem, was Gerhard Bott und Harald Harmann herausgearbeitet haben, ist, dass Herrschaft immer an Religion geknüpft ist. Sie ist es, die uns, ich würde mal sagen - notgedrungen - , zusammenschweißt, einen gemeinsamen Rahmen bildet und die ursprünglichen, heidnischen Bräuche ersetzt. Sie waren nicht in der selben Weise religiös wie es die heutigen Religionen sind, obwohl man natürlich auch den Glauben an eine Muttergöttin Religion nennen könnte.

    Das wir die alten Bräuche und Mythen nicht mehr haben, macht mich irrsinnig traurig. Ich weiß noch, wie ich als Kind das erste Mal Märchen gehört habe. Ich war unfassbar fasziniert. Sie faszinieren mich bis heute. Märchen und Mythen erzählen uns etwas über uns und unser Unterbewusstsein, zu dem wir entweder nie einen Zugang hatten oder ihn wieder verloren haben. Sie sind ein unfassbar wichtiges Kulturgut und wir sollten sie uns bewahren. Dabei brauchen wir nicht mal Schrift, denn die Menschen haben über Jahre Techniken entwickelt, um sie sich auch ohne Schrift merken zu können. Das Nibelungenlied stammt ja auch aus einer Zeit oraler Tradierung. Das dürfen wir nicht vergessen. Das Werk ist sehr lang (Ich weiß es, ich habe es gelesen.), aber hat sich trotzdem über all die Zeit bewahrt. Wenn wir wieder anfangen würden, das Geschriebene zu hinterfragen und wieder auf eine neue Weise in unseren Alltag und unser Denken einzubauen, wäre aus meiner Sicht schon viel getan. Mir persönlich kommt es gar nicht so sehr darauf an, ob es jetzt die heilige Schrift der einen oder der anderen Religion ist. Hauptsache wir fangen an, unser Innerstes nach außen zu kehren, das Ungezähmte sichtbar zu machen und kultivieren es wieder ohne es zu entfremden. Dafür steht mein Benutzername auf Steemit auch ein wenig.

    Ich plädiere z.Z. stark für Innerlichkeit, Dezentralisierung (in Hinblick auf deine Beschreibung der Metropole) und - GANZ WICHTIG - einen Naturbezug. Die Natur kann uns so viel über uns und unser Inneres sagen. Es ist wie ein stummes Gespräch mit ihr, wenn man in ihr ist. Ich habe mich in der Vergangenheit in vielen Lebenssituationen von ihr getragen gefühlt.

    Ich hoffe, ich kann in der Zukunft mehr über die Patriarchatskritik schreiben. Es gibt noch ein paar Themen, die man mal etwas genauer ausklamüsern müsste, da sie oft missverstanden werden. Das werde ich bei Gelegenheit sicher mal tun :)

    Danke dir und hab' noch einen schönen Abend!

    Es ist, als kenntest du meine Gedanken.
    Wie schön du das ausgedrückt hast! Ich empfinde die Mythen und Märchen als ebenso stark und finde wichtig, sie an die Kinder weiter zu geben. Wie sehr ich manchmal in der Zeit zurück gehen möchte, sie auswendig gelernt zu haben, um sie sprachlich und nicht lesend an meinen Sohn weiter gegeben zu haben.

    Was eine heilige Schrift betrifft, die weit in der Zeit zurückreicht, so hat auch sie die Kraft, die einstmals in den mündlichen Überlieferungen Platz fanden, zu transportieren. Wir sind dann die "Schauspieler" des Gelesenen und müssen wirklich fühlen und darin sein. Die Symbolik ist jedoch über das Bildnis und über das Wort viel schwieriger zu transportieren und führt (und führte) daher zu großen Missverständnissen. Verständnis kann nicht in Massen stattfinden, sondern in jedem Einzelnen zum Gefäß werden.

    Das stumme Gespräch mit sich selbst, die Gelassenheit: eine ewige Suche. Zu viele Ablenkungen im Außen.

    Ich will dir sagen, es bedeutet mir sehr viel, wie du dich hier ausgedrückt hast und gibt mir das Gefühl, ich bin nicht allein mit meinen Einsichten.
    <3
    Erika

    Ich versuche ja auch nur zu verstehen und blicke dafür mal in die eine und mal in die andere Richtung. Was mich in letzter Zeit immer mehr fasziniert ist dieses Thema "Kultivierung des eigenen rohen Inneren" durch die Rückkoppelung mit der Außenwelt. Das ist etwas, was ich eigentlich nur aus dem Konstruktivismus kenne, aber natürlich noch eine ganz andere Dimension hat. Ich denke, über dieses Thema werde ich auch noch ein bisschen brüten.

    Ach Gott, was hätte wir uns alles zu erzählen, wenn wir uns mal treffen würden. Es wäre so toll :)

    Eine gute Nacht dir und einen schönen Feiertag!

    Im greatful that Steemit is filled with people that appreciate good food. You should crack open a Irish Stout and celebrate a great meal.