Warum Liebe nicht nur Ekstase ist und was Gott damit zu tun hat
Wenn ich jemals eine Doktorarbeit schreiben sollte, weiß ich genau, über welches Thema: die Stellung, bzw. das Verhältnis zwischen Geist und Materie im Laufe der Geschichte. Das Thema treibt mich schon länger um. Durch einen Artikel von Mathias Behmann bin ich auf einen interessanten Zusammenhang gestoßen:
In seinem Artikel zeichnet er innerhalb der Geschichtsphilosophie die ideengeschichtliche Entwicklung von einem Substanzmonismus, über einen ontologischen Dualismus bis zu einem Substanzpluralismus nach.
Substanzmonismus: Keine Trennung zwischen Geist und Materie
Ontologischer Dualismus: Trennung zwischen Geist und Materie
Substanzpluralismus: Geist und Materie sind in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen getrennt
Wir leben heute in einem Nebeneinander vieler gleichermaßen gültigen Weltanschauungen. Das klingt erstmal positiv, aber in Wirklichkeit haben wir alle den Bezug zu unseren Wurzeln verloren.
Wir sind gewissermaßen darauf trainiert, die Entscheidungen anderer Menschen zu übernehmen. Das gilt auf der großen Volksebene, in der Familie, aber auch beim Individuum. Nicht wir selbst, andere bauen unsere Überzeugungen und wir suchen eigentlich nur noch eine möglichst passende Begründung dafür, sie umzusetzen.
Auch Medien spielen dabei eine große Rolle. Gerade habe ich einen interessanten Vortrag darüber gehört, dass moderne Musik keine echten Harmonien mehr enthält, klassische oder religiöse aber schon. Das Problem ist: Wenn einem Lied die Harmonien fehlen, werden nur unsere emotionalen, nicht aber unsere geistigen Bedürfnisse gestillt. Die dem Stück inhärente Logik fehlt, oder ideengeschichtlich gesprochen: Nur die Materie, aber nicht der Geist wird aktiviert.
Mit der Kirche und dem Staat ist es ähnlich. Beide versuchen, Geist und Materie voneinander zu trennen und die auf diese Weise verwirrten und entwurzelten Menschen wie Fische in einem Netz wieder einzufangen.
Dieses Phänomen reicht bis in unsere Semantik hinein. Deswegen plädiere ich dafür, sich die eigenen Worte gut zu überlegen und immer wieder zu hinterfragen. Es gibt zum Beispiel Menschen, die der Meinung sind, es gibt keine richtige Definition der Depression. Letztens habe ich mich gefragt, ob es eigentlich wirklich so etwas wie unheilbare Krankheiten gibt. Auch um die Bedeutung des Wortes Gott wird überall gestritten.
Im Urlaub wurde ich von einem freundlichen Herrn angesprochen, der wissen wollte, ob ich an Gott glaube. Ich habe vehement verneint und angefangen, ihm meine Gründe aufzuzählen. Er meinte nur, dass wenn es keinen Gott gäbe, man ja nicht erklären könne, wer "all das" (er zeigte auf's Meer) erschaffen habe.
Letztendlich ist es aber neben einer Glaubens- oder spirituellen Frage auch eine semantische Frage. Denn Gottesbilder sind sehr individuell. Wenn wir uns über Gott unterhalten, ist nie ganz klar, was eigentlich verhandelt wird: Unsere persönliche Vorstellung, die Art und Weise, wie wir Gott erfahren haben, ODER die institutionalisierte Vorstellung?
Für Letztere gibt es mehr Worte als für erstere, aber letztendlich hindert mich nichts daran, auch ohne Religionsunterricht auf die Suche nach der Frage zu gehen, was Gott für mich bedeutet. Aber um diese Frage geht es in solchen Gesprächen nicht, vermute ich.
Dieses semantische Spiel wird auch mit dem Begriff der Liebe gespielt. Liebe kann man als etwas körperlich Erfahrbares, Ekstatisches betrachten, aber auch als etwas Geistiges, Logisches. Als junger Mensch wird man unter dem Begriff vermutlich eher etwas Körperliches und als älterer Mensch eher etwas Geistes sehen.
Bis jetzt habe ich mich dem Thema immer nur aus Sicht der Patriarchatskritik zugewendet, was, da ich eine Frau bin, sehr interessant und auch heilsam war. Aber vielleicht wird es Zeit, dass ich es etwas nüchterner, aus Sicht der Geschichtsphilosophie betrachte.
Textquellen
- Mathias BEHMANN (2009). „Idee und Programm einer Matriarchalen Natur- und Patriarchatskritischen Geschichtsphilosophie. Zur Grundlegung der Kritischen Patriarchatstheorie angesichts der „Krise der allgemeinsten Lebensbedingungen“ “, in: Claudia von Werlhof (Hrsg.). Aufbruch aus dem Patriarchat - Wege in eine neue Zivilisation? (Beiträge zur Dissidenz, Band 23), Frankfurt am Main: 107-177.
https://www.youtube.com/watch?v=e2xUiawGGoQ
Bildquelle 1
Wow - auf die Doktorarbeit bin ich gespannt! Geist und Materie - zwei Seiten einer Medaille... Mater - Mutter - Materie... Spannendes Thema....
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Ja, genauso ist es. Mutter stammt vom Wortstamm mater. Ich bin damals fast vom Stuhl gefallen, als ich von diesem Zusammenhang erfuhr. Die Wahrheit ist, dass der Ursprung des Lebens in den Müttern liegt. mater arché (Matriarchat) bedeutet dementsprechend "Im Ursprung die Mütter" und pater arché (Patriarchat) dementsprechend "Im Ursprung der Vater". Um Patriarchatskritik zu verstehen, muss man diesen Zusammenhang unbedingt kennen.
Ob ich darüber eine Doktorarbeit schreibe, weiß ich noch nicht. Es ist aber auf jeden Fall ein sehr interessantes und wichtiges Thema. Ich weiß, dass für meine Leser hier Manches neu sein mag, aber darüber forschen sowohl Männer als auch Frauen schon seit Jahrzehnten. Mathias Behmann hat ja selbst eine Doktorarbeit darüber geschrieben. Ich wollte eigentlich nur ein wenig auf das Thema aufmerksam machen.
Leider wird der Enthuisiasmus der Patriarchatskritiker durch die Verwechslung der Patriarchatskritik mit dem Feminismus immer mal wieder gedämpft. Ich nehme es hin, da ich niemanden belehren muss und möchte. Sollte es in einer Diskussion aber dazu kommen, kläre ich schon gerne darüber auf, dass es einen Unterschied zwischen Feminismus und Patriarchatskritik gibt. Die Patriarchatskritiker beschäftigt in ihrem Denken eher eine Gesellschaft, die ohne Hierarchien auskommt bzw. egalitär ist und die Feministen wünschen sich eine Gleichstellung von Gesetz wegen. Die Patriarchatskritiker wünschen sich allerdings, dass es dafür gar kein Gesetz braucht, sondern die Menschen unter sich, auf natürliche Weise, in gegenseitigem Respekt und Anerkennung, regeln können, wer was macht.
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Schön geschrieben.
Yoga, eine gott sei dank ;-), sagt (in den yoga sutras)
„Atha yogash anushasanam“
Nun beginnst du dein wahres Ich zusein...sprich zu erkennen, dass du weder der Körper, noch dein Name bist. Du bist nicht getrennt von allem, du bist alles.
Die Vereinigung von den Dingen....
;-)
Schöner Text liebes
Danke dafür.
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Verstehe ich nicht: Moderne Musik habe "keine echten Harmonien". Doch, hat sie, sonst würde man sie nicht als Musik wahrnehmen können.
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Schau dir einfach mal das Youtube-Video an, wenn du mehr darüber wissen möchtest. Ich hab es in den Quellen angegeben.
Darin heißt es nicht, dass moderne Musik überhaupt keine Harmonien hätte, sondern nur, dass sie überlagert wären. Rhythmus und Melodie sind noch vorhanden; deswegen kann man das, was Radio und Musiksender im Fernsehen und Internet spielen, schon noch als Musik identifizieren, aber die Harmonien treten wohl nur in klassischen und religiösen Musikstücken deutlich heraus.
Ich finde das sehr plausibel, denn Popmusik klingt ja doch irgendwie immer gleich. Ich denke, das liegt u.a. daran, dass die Harmonien nicht mehr so deutlich hervortreten.
Es gibt wohl auch eine wissenschaftliche Untersuchung darüber, dass Musikstücke der Popmusik in den letzten 60 Jahren immer weniger Timbre enthalten. Außerdem haben sie herausgefunden, dass heutige Popmusik immer aus den gleichen vier Komponenten besteht: aus einem Keyboard, einem Drumcomputer, einem Sampler und einer Computer Software.
Auch die Melodie, der Rhythmus und die Stimme sind in den letzten 60 Jahren ähnlicher geworden. Patrick Metzger hat herausgefunden, dass viele Popmusikstücke, dieselbe Notenreihenfolge aus drei Noten enthalten, und nannte das Phänomen "Millennial Whoop". Das ist zum Beispiel bei Katy Perry's "California Girls" sehr deutlich zu hören.
Diese Infos habe ich aus diesem Youtube-Video:
https://www.youtube.com/watch?v=oVME_l4IwII
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