❕❕ (PHILOPSOPHIE) :: Friedrich Nietzsches --- KRITIK AN DER WAHRHEIT --- Letzter Teil: FAZIT ❕❕

in deutsch •  6 years ago 


SCHLUSSBEMERKUNG


Entgegen aller Anklagen in Bezug auf Nietzsches Rezeption aus Gustav Gerbers »Die Sprache als Kunst« ist Nietzsche »ebensowenig ein Plagiator wie heutzutage der gewissenhafte Professor, der seine eigenen Vorlesungsstunden mit der Darlegung der Ergebnisse der neueren Forschungen ausfüllt.« (Most, Glenn W. Friedrich Nietzsche zwischen Philosophie und Philologie) — Vielmehr hatte der Zarathustradichter aufbauend auf Gerbers Überlegungen eine Kritik geschaffen, die in ihren Grundzügen und Erkenntnissen unter anderem nicht nur als Initialzündung für die Sprachphilosophie (Metaethik, etc.) zu betrachten ist, sondern auch heute noch im Bereich der Erkenntnistheorie als maßgebendes Schaffen gilt. —

Generell gelten die tief- und scharfsinnige Artistenphilosophie und sein Wille zum Experiment noch immer vielen Menschen als inspirierendes Werk und als Basis ihrer eigenen Überlegungen; seien diese nun auf den Bereich des Alltags oder der Wissenschaft bezogen. — Vielleicht mag es auch übertrieben sein, aber wo man sagte, dass die Philosophie des Mittelalters aus nichts anderem bestand, als aus Fußnoten zu Platon, so könnte man dies im weitesten Sinne für die heutige Zeit auf Nietzsche übertragen.

Was die Tiefe und Komplexität seines Werkes betrifft, so sind sie auch der Grund, warum ich diese Arbeit in ihrer Ausführung als unzureichend empfinde. Zwar, so glaube ich, habe ich die wesentlichsten Punkte hinsichtlich seiner Kritik zur Wahrheit und der damit zusammenhängenden Wissenschaftsauffassung und Kritik an der Bildung darlegen können, doch wäre zu diesen Themen sowie zu seiner generellen Sicht der Philosophie noch einiges mehr zu sagen. Vermutlich könnte man sogar ein ganzes Leben damit zubringen, sich mit ihm und seinem Werk zu konfrontieren, und hätte dabei nicht annähernd seine Fülle erschöpft.

Was mich jedenfalls bei meinen Recherchen zu diesem Thema bei Nietzsche wohl am Meisten fasziniert hat, waren seine Überlegungen zum Zweck und dessen Initiierung seitens der Kultur oder der Religion. Meiner Ansicht nach hätte er nämlich, sofern er ein Kind dieser, unseren Zeit wäre, auch noch die »Wirtschaft« in seine Aufzählung aufgenommen. — Denn ist es nicht so, dass gerade heute die Wirtschaft der Wissenschaft Anlass zum Sammeln und Erringen von Wissen gibt? Ja ist es nicht vielmehr so, dass viele wissenschaftliche Einrichtungen erst durch sie überhaupt sein und wirken können?

Ich will es gleich von vorneherein sagen: Es ist nicht meine Absicht die Wirtschaft zu verdammen; sie hat ohne Zweifel durch Unterstützung der Wissen- schaft Nützliches und Lebenssteigerndes hervorgebracht; sie ist zudem für uns eine Notwendigkeit; doch sind in Anbetracht der Tatsache, dass in der Logik der Wirtschaft kein Platz für Ethik ist, einige ihrer gesetzten Zwecke mit Sicherheit zu hinterfragen. Gesetzt nämlich, dass wir den Wert der Nachhaltigkeit schätzen wollen und bemüht sind, immer mehr nach einer holistischen Ethik zu leben, die unter Beachtung unserer Umwelt eine Steigerung des Lebens; sprich der Lebensqualität mit sich zieht, so müssen wir die neoliberale Wirtschaft mit ihrem Missbrauch wissenschaftlicher Institutionen als dritte unabhängige Partei zur Untermauerung der Glaubwürdigkeit schädlicher Produkte (Ich denke hierbei an den Neffen Sigmund Freuds – Charles L. Bernays und sein Werk »Propaganda«), scharf ins Auge unserer Kritik fassen.

Dass die Wirtschaft; genauer einzelne Konzerne; unzählige wissenschaftliche Erkenntnisse und Neuerungen zum Wohle ihrer Machtstabilisierung und der damit verbundenen Gewinnmaximierung unterschlagen bzw. unterdrückt haben, obwohl sie dem Ganzen förderlicher wären als unsere alten Mittel; dass Wissenschaftler sich aus Eitelkeit korrumpieren lassen haben; dass die Wissenschaft zum Teil als Marionette eines »satanischen Prinzips«, also eines destruktiven Prinzips, das dem Zweck der Nachhaltigkeit feindlich ist, dient, ist aus vielen Beispielen ersichtlich. – Man kann sich hierbei selbst schlau machen, sofern einem der Sinn danach steht.

Sicherlich wäre Nietzsche ein scharfer Kritiker mancher wirtschaftlicher Handlungen gewesen und hätte unter dem Aspekt, dass Vergangenheit als Bezug in der Gegenwart für eine bewusst gewollte Zukunft dienen solle, schon alleine deshalb Anklage erhoben, weil der Mensch auf dem besten Wege ist, sich in der Gegenwart seine Zukunft zu versagen und ein Teil der Vergangenheit zu werden, was natürlich einer Lebenssteigerung entgegengesetzt ist. Die Minute »Mensch« wäre geschlagen. Das Zurückblicken bliebe ein sinnloses Spiel, wo der Mensch nichts aus seinen Fehlern gelernt hätte. —

Sollte Albert Camus Recht behalten und ist der absurde, nihilistische Mensch nur noch ein Kind des Augenblicks? Ist er bereit zu zahlen und lernt er gerade deshalb nicht aus seinen Fehlern, weil er keinen Zweck (mehr) hat? Oder ist sein Handeln nur ein Resultat seiner Unbedachtheit und hat er dadurch ein Zuviel von jener »Kraft vergessen zu können«, dass sie bereits schädlich wirkt? Spielt der Zweck des (Über)Lebens noch eine Rolle? —

Wenn Nietzsche sagt, es müsse der Zweck und Wille wachsen, so behaupte ich, der Zweck ist da, denn ich glaube schon alleine aus evolutionstechnischer Sicht an den Zweck des bestmöglichen (Über)Lebens und nur unser Wille müsse noch gefestigt werden, wobei sich der »Wille zur Macht« und ein ausdauernder Wille zur Verantwortung die Waage halten sollten.

Letztendlich wird in puncto puncti die »Philosophie des Vielleichts« ihr Ende finden und eine »Philosophie der Nachhaltigkeit«, die in ihrer Ausführung »die Absicht in Hinsicht auf das Ganze« (Nietzsche, Friedrich. Werke IV. S. 32) verfolgt, einkehren. Hierfür werden Begriffe wie »Integrität«, »Verantwortung« oder unter anderem auch »das Ganze« neu definiert werden müssen. — Diese Zeit wird keine Zeit der äußeren Revolutionen mehr sein, sondern einer tiefen innerlichen Revolution, die den Einzelnen in all seinen Handlungen mehr denn je auf seine Nächsten und die Nächstkommenden blicken lässt, weil er realisiert hat, dass er nur ein Kardeel in einem Tau ist.

Vielleicht aber bleibt diese Zeit auch nur eine idyllische Utopie, die man nur scheinbar in die Tat umzusetzen versucht, indem man potemkinsche Dörfer baut und Tatarennachrichten verbreitet. Vielleicht wird in »den Meisten« nie der Wille zum Ganzen erwachen. Vielleicht! —

Ganz sicher aber wird Nietzsche noch seine Rolle spielen, wenn wir unsere jetzigen Zwecke hinterfragen und an einer neuen Wertschaffung arbeiten, denn seine Wolke ist noch dunkel; sie trägt noch Blitze und sie alle wollen sich entladen. —




ENDE


LITERATURVERZEICHNIS

Abel, Günther. „Wissenschaft und Kunst“. Wissenschaft und Kunst bei Nietzsche
Herausgeber Mihailo Djuric und Josef Simon. Würzburg: Königshausen und Neumann 1986. S. 9-25
Gerhardt, Volker. Friedrich Nietzsche. Beck’sche Reihe: Denker. 522
3. Auflage. München: C.H. Beck Verlag 1999
Goethe, Johann Wolfgang. Faust: Erster Teil.
3. Auflage. Frankfurt/M: Insel Verlag 1979
Himmelmann, Beatrix. Nietzsche. Aus der Reihe: Grundwissen Philosophie
Reihennummer unersichtlich. 1. Auflage. Leipzig: Reclam Verlag 2006
Hoffmann, Ursula. „Autopoiesis als verkörpertes Wissen: Eine Alternative zum Repräsentationskonzept“. Der Mensch in der Perspektive der Kognitions- wissenschaften. Herausgegeben von Peter Gold und Andreas K. Engel.
1. Auflage. Frankfurt/M: Suhrkamp Verlag 1998. S. 195-225
Nietzsche, Friedrich. Werke I. Herausgegeben von Karl Schlechta.
6. durchgesehene Auflage. Frankfurt/M: Ullstein Verlag 1969
Nietzsche, Friedrich. Werke II. Herausgegeben von Karl Schlechta.
6. durchgesehene Auflage. Frankfurt/M: Ullstein Verlag 1969
Nietzsche, Friedrich. Werke III. Herausgegeben von Karl Schlechta.
6. durchgesehene Auflage. Frankfurt/M: Ullstein Verlag 1969
Nietzsche, Friedrich. Werke IV. Herausgegeben von Karl Schlechta.
6. durchgesehene Auflage. Frankfurt/M: Ullstein Verlag 1969
Nietzsche, Friedrich. Werke V. Herausgegeben von Karl Schlechta.
6. durchgesehene Auflage. Frankfurt/M: Ullstein Verlag 1969
Most, Glenn W. „Friedrich Nietzsche zwischen Philosophie und Philologie“.
Ruperto Carola. Ausgabe #2 1994. Da Onlineversion Seitenzahl unersichtlich.
Besuchsdatum: 4. Juli 2008. http://www.uni-heidelberg.de/uni/presse/rc6/
Steinweg, Markus. „Warum Nietzsche?“. Eigensinn: die philosophiestudentische Zeitung. Ausgabe #5 2006. Da Onlineversion keine Seitenzahl ersichtlich.
Besuchsdatum: 4. Juli 2008. http://www.eigensinn.zm96.de/artikel.php?id=45


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