Vom Überfluss, dem Mangel & alten Glaubenssätzen - Auflösungsarbeit

in deutsch •  6 years ago 

Gerade erlebe ich einen unglaublich spannenden Prozess, den ich mit euch teilen möchte. Ich glaube, dass mein Begreifen auch für viele von euch interessant sein könnte.

Ich wurde in eine Familie hineingeboren, die in jeder Hinsicht im Mangel lebte. An jeder Ecke war ein Mangel von Liebe, Selbstbewusstsein, Gesundheit und Geld. Im Laufe meiner Kindheit ging der Geldmangel auf dem Konto meiner Eltern zwar weg, wir lebten finanziell einige Jahre im Überfluss, aber niemand von uns fühlt ihn.


Der gravierendste und schmerzhafteste Mangel war der an Liebe, Gesehenwerden und der damit verbundenen Anerkennung. Doch auch der ehemals finanzielle Mangel schwang immer noch seine Keule durch mein Leben und ich saugte die Glaubenssätze meiner Eltern in mich auf, wie ein ausgetrockneter Schwamm.


Je älter ich wurde, umso mehr begann ich, ihre Muster zu hinterfragen und aufzuarbeiten. Doch immer wieder schickt mir das Leben so wunderbare Lektionen über mich selber, wie gerade jetzt.

Das Schicksal schenkte mir eine Herzensfamilie, die mich mit offenen Armen aufnahm, mir ihr Herz öffnete und mich jetzt teilhaben lässt an ihrem Leben.

Hier erlebe ich zum Ersten mal Familie, auf eine Art, die sehr heilsam für mich ist. So oft werde ich mit meinen Glaubenssätzen konfrontiert, die mir so, gar nicht bewusst sind. In meinem Leben war Familie immer eine Bedrohung für meine Seele, meistens limitierend, Energie kostend, einengend und manchmal sogar so, dass sie mein Selbstvertrauen in tausend Stücke brach.

Ein Beispiel:

Ich stand in der Küche mit einer riesigen Vanille-Eisbox und füllte mir 2 Kugeln in meinen Becher. Die Tochter der Familie kam dazu und fragte, ob ich ihr auch welches mache und ich gab dem Kind ebenfalls 2 Kugeln. Sie meinte entgeistert: Nur zwei Kugeln, Rachel, ich will vier Kugeln!
Ein breites Grinsen huschte dabei über ihr Gesicht.

Was passierte mit mir?


Um Himmelswillen, vier Kugeln? Ne das kannst du nicht machen, das ist viel zuviel. Dann ist das Eis alle und vielleicht will sonst noch jemand und außerdem, vier Kugeln ... Ich dachte sofort an mein eigenes Übergewicht und hörte meine Eltern, Rachel, schmier dir nicht so viel Nutella aufs Brot, sonst wirst du fett (damals war ich noch schlank), Rachel, nicht mehr als 2 Eiskugeln, diese maßlose Völlerei ist eine Sünde und widerlich, Rachel, glaubst du, dass Essen wächst auf den Bäumen? Und und und ...

Irritiert von meinen Gedanken, nutze ich den Moment, in dem der Vater die Szene betrat und sagte: Du, frag den Papa.

Kind: Papaaaaa, die Rachel hat mir NUR zwei Kugeln Eis reingemacht, darf ich vier haben?

Und was sagte der Papi? Klar Schätzen, du kannst auch fünf haben, ich geh gerne los und hole noch eine Packung Eis, wenn nix mehr da ist. Weißt du Rachel, die Kleine kann das gebrauchen. Habt Spaß beim Essen Kinder.

Ich stand da und spürte diesen Schmerz und zeitgleich dieses Glück in mir. Ich fühlte, wie dieses Muster anfing zu bröckeln und dieser Mangelzustand meiner Kindheit herausbrach. Das Gefühl, nie genug zu bekommen und zeitgleich die Panik, kein Mass zu haben und nicht gesund für mich sorgen zu können.

Solche Situationen erlebe ich sehr häufig, wenn ich hier bin. Immer wieder und wieder werde ich mit meinem Mangel konfrontiert und mit dem Gefühl tief in mir, keine Gesunde Beziehung zu mir selber haben zu könne, weil ich dazu irgendwie nicht fähig bin.

Diese Beobachtungen sind so unglaublich bereichernd denn mit jeder neuen Erkenntnis, werden diese Muster in meiner Seele gelockert und schlussendlich aufgelöst.

Hier sagt man mir jeden Tag, dass ich wertvoll bin, weil ich da bin, dass meine Anwesenheit ein Geschenk ist. Jeden Tag hör ich, Rachel ich hab dich lieb, werd liebevoll und innig umarmt. Ich muss keine Angst haben zuviel zu Essen, zu wenig zu tun, nicht genug zu haben oder nicht genug zu sein, nicht genug geben zu können. Es ist genug da und ich bin genug. Witzigerweise habe ich immer wieder lust, mich zu bewegen, die Zeit mit den Kindern zu nutzen um Trampolin zu hüpfen oder Pennyboard zu fahren.

Und es ist so heilsam.

Ich weiß, nicht jeder hat die Möglichkeit, seine Kindheit so aufzuarbeiten und seiner Seele so viel Raum zu geben aber wenn ihr Menschen findet, die euch dabei helfen, dann geniest einfach und nehmt es an.

Natürlich weiß ich, dass ich 32 Jahre alt bin, und trotzdem kann ich hier meinem inneren Kind Raum geben. Der kleine, unendlich traurige, verletzte Junge in mir, erfährt gerade all die Liebe und Heilung, die er braucht. Ich sauge alles in mich auf, als wär ich immer noch der ausgetrocknete Schwamm von früher.

Mir scheint, als wär 32 das beste Alter, um alles umzukrempeln, immerhin hab ich noch ⅔ meiner Lebenszeit vor mir. Ich mein, wenn nicht jetzt, wann dann?

Wie geht es euch?
Seid ihr auch noch voller Glaubenssätzen die euer Denken, Handeln und Fühlen leiten, arbeitet ihr daran sie aufzulösen oder denkt ihr, so ein Humbug, was redet asperger-kids da bloß wieder für ein Schmarrn?

(Bildquelle Pixabay, CC0 Lizenz)

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Hallo Rachel,

die Situation innerhalb der Familie nachzuvollziehen bereitet mir überhaupt keine Probleme. Ich habe lediglich einen anderen Weg aus der Hoffnungslosigkeit gewählt. Weg und nie wieder mit dem Herzen zurück. Das habe ich in andere Hände gegeben, in denen es besser aufgehoben ist.
So sind wir irgendwie doch an einem vergleichbaren Punkt angelangt.

Liebe Grüße, Wolfram

:) Loslassen ist auf jeden Fall ein wichtiger Punkt und neue Erfahrungen machen dürfen, finde ich extrem wichtig. Schön das du für dich einen Weg gefunden hast.

Super Beitrag, ich kann es gut nachvollziehen, wie du dich gefühlt hast. Mangel und Überfluss spielen in unserer Gesellschaft eine so große Rolle. Ich halte es für sehr wichtig, zu hinterfragen, warum wir in unserer Überflussgesellschaft trotzdem alle ständig Angst vor Mangel haben.

Oh ja, absolut und dass ist wirklich faszinierend. Wie es möglich ist, dass unsere Gesellschaft in so einer Diskrepanz lebt. Aber, man muss auch sehen das vor 50 Jahren, dass noch keinesfalls so war. Ich glaub, dass steckt familiär gesehen, einfach noch tief in uns drin.

Ich denke das Alter spielt keine Rolle. Unabhängig der Situation muss man auch erkennen, was einem in solchen Momenten gegeben wird. Und wie selbstlos es oft auch transportiert wird.

ich erlebe das hier auch in meinem Alter noch wahnsinnig oft.
Mir wurde quasi eine zweite Familie geschenkt und ausser der adopierten Tochter ist es nicht meine Familie und doch lassen sie mich in weiten Verwandten und Bekanntenkeisen wissen, dass ich zu 100% dazugehöre. Dieses Aufgenommen werden, dieses mir zu 100% Vertrauen schenken löst bei mir oft sentimentale Gefühle aus und ich kann dann eine Träne kaum unterdrücken.

Dieses "dasist dochvöllignormal" Denken ist für mich total fremd, da ich in meiner Jugendzeit so was nie erlebt habe. Es war zwar alles gut und recht, aber wahre Liebe fehlte auch bei mir. Und ich sah sie auch nie z.B. bei meinen Eltern oder so. Es kam mir vor wie eine lästige Pflicht eine Familie gegen aussen hin aufrecht zu erhalten. Scheinheilig ist vermutlich das richtige Wort. Von dem her kam auch nie richtig Liebe bei mir an. Umso mehr geniesse ich es auch jetzt noch in meinem Alter und

Du kannst sicher gehen Rachel du wirst das noch ganz ganz lange erleben dürfen. so was hält oft ein Leben lang, vorallem wenn Du bereit bist es in Zukunft auch weiter zu geben.
Wieder ein wahnsinnig tiefsinniger Content. Unglaublich. danke Dir.

Neee, natürlich spielt das Alter keine Rolle.
Nur für mich, ist JETZT immer genau der richtige Moment, deswegen.
Was du beschreibst, erleben vermutlich viele. Das eigentlich, alles ok war aber doch die bedingungslose Liebe gefehlt hat.
Umso wunderbarer, wie du von deiner jetzigen Situation erzählst.

Schön das du immer mit dabei bist, ich danke dir von Herzen für deine Offenheit und deinen Support.

Bin gerade so gerührt, dass ich gar keine Worte finde... hab dich lieb :-) Jeder Tag mit dir ist ein Geschenk!!!

Danke dir, für alles <3 <3 <3
Hab dich auch lieb :)

Wieder mal ein super Beitrag von dir @asperger-kids

Deine erzählung mit den Eiskugeln habe ich selbst fast genau so erlebt und diese Erfahrung ist mir auch extrem im Kopf geblieben.

Man muss Menschen und Kindern die Sicherheit geben das sie niemals zu wenig zu bekommen, erst dann denken Kinder nicht mehr andauernd daran zu wenig bekommen zu können. So machen wir aus unseren Kindern und uns selbst zufriedenere Menschen ohne immer mehr zu wollen.

Denn wie sagt man so schön: "Man kann sich ein Haus kaufen, aber kein zu Hause". Ein zu Hause kann man sich nur erbauen auf dem fundament der bedienungslosen Liebe.

Wow, sehr weise und wahre Worte!

Oh ist ja spannend, ich könnte mir vorstellen, ähnlich geht es vielen.
Ich stimme dir voll und ganz zu, danke für diesen wunderbaren Kommentar <3

Wundervoll und so heilsam und irgendwie auch unglaublich alles. Danke, dass du deine Geschichte (und Quantensprünge) mit uns teilst <3

Danke Liebes <3

@asperger-kids Toller Beitrag.

Ich kann es sehr gut nachempfinden, was du geschrieben hast. Die Kinder werden durch Ihr Umfeld mit so vielen Traumata konfrontiert, welche sich unbewusst in dein Leben drängen... wie ein Parasit.

Doch nur mit der Erkenntnis, dass man sämtliche Dinge, die die Persönlichkeit im Laufe der Zeit angesammelt hat, auch ebenso wieder loslassen kann, ist es möglich alles aufzulösen, was einen blockiert.

Es bedarf viel Innenschau und Mühe, doch durch seine Ängste zu gehen macht einen um ein vielfaches STÄRKER !

Geh deinen Weg - ich wünsche dir alles Gute ! :)

Ja, definitiv und es ist auch spannend, da hinzuschauen und den Weg zu gehen.
Danke für deinen tollen Beitrag!

Oh mein Gott, ich habe Tränen in den Augen.
Das was du beschreibst, erlebe ich so oft. Bei mir und meinen Coachees. Es sind die kleinen Momente im Alltag die uns zeigen, wo wir noch immer nicht aufgearbeitet haben. Die Momente mit Menschen die aus ihrem Herzen strahlen.
Die Menschen die nicht voll sind mit Bewertungen und Ansichten wie 'man' zu sein hat oder sich zu benehmen hat. Ich liebe es mich mit solchen Menschen zu umgeben <3

Danke, dass du uns daran teilhaben lässt.