Hier ein Ausschnitt aus einer Geschichte, die ich als 13 jähriger schrieb.
Ich habe sie für euch aus meinen gerade noch so lesbaren handschriftlichen Notizen, die ich auf dem Dachboden in einer verstaubten Kiste fand, abgetippt.
Unzensiert:
Viel Spaß
Licht
Tyran
Tyran stieg von seinem schneeweißen Schimmel. Das arme Pferd hatte ihn die letzten Wochen mitsamt seiner schweren Rüstung getragen. Dankbar klopfte er ihm auf den Hals. Dann nahm er die Zügel und marschierte vor seinem prächtigen Ross auf das Stadttor von Halluzina zu. Die Wachen erkannten ihn an seiner Rüstung und seinen Emblemen. Ein Paladin aus Amnestia. Ohne zu zögern, machten sie den Weg frei, nickten ihm ehrfürchtig zu.
Die Paladine von Amnestia waren nach den Hochmagiern, die höchste Kaste Amnestias. Tyran hatte die Möglichkeit Hochmagier zu werden abgelehnt. Er war zwar magisch begabt, doch er wollte sich nicht den Studien widmen, sondern lieber die Welt erkunden, die Armen und Schwachen beschützen, den Frieden aufrechterhalten und die Essenz des Lichts finden und wieder in seine geliebte Stadt zurückbringen.
Außerdem wollte er auch irgendwann Kinder haben und das war der Kaste der Hochmagier nicht gestattet. Sie suchten ihre geistigen Kinder, wie sie ihre Schüler nannten, aus dem Nachwuchs der Paladin-Kaste heraus. Jedes Kind hatte natürlich noch die Wahl, genau wie Tyran. Die Paladine waren die einzige Kaste in Amnestia, die Nachwuchs zeugen durften.
Alle wuchsen mit gleichen Chancen auf. Jedes Kind hatte alles, was benötigt wurde. Je nach Begabung wurden die Kinder gefördert und nachdem das Talent erkannt worden war in eine der Kasten gesteckt.
Mit handwerklichem Geschick gesegnete Kinder kamen in die Kaste der Handwerker
Wenn das Kind magisches Talent zeigte, ging es in die Magier-Kaste über.
Wer kämpfen konnte wurde in die Ritter-Kaste aufgenommen.
Die übrigen wurden in die Diener-Kaste eingeordnet, um die anderen Kasten so zu unterstützen, dass sie sich auf ihre Aufgaben konzentrieren konnten.
Diejenigen, die den Ansprüchen aller Kasten gerecht wurden, stiegen auf in die Kaste der Paladine. Die Paladin-Kaste hatte als einzige Pflicht zu einer bestimmten Zeit des Jahres zusammenkommen und Nachwuchs zu zeugen. Den Rest ihrer Zeit hatten sie zur freien Verfügung. Diejenigen unter den Paladinen, die Führungsqualitäten zeigten, bekamen das Angebot, in die Kaste der Hochmagier aufzusteigen.
Die Kaste der Hochmagier bestimmte das Geschick der Stadt und kümmerte sich um die Ausbildung der Heranwachsenden. Aber wie die niederen Kasten hatten sie auf Fortpflanzung zu verzichten. Das war der Preis für ihre Macht.
Tyran hielt vor einem Gasthaus, übergab sein Ross einem Stalljungen und trat ein. Er begrüßte den Wirt freundlich und erkundigte sich nach dem schönsten Zimmer. Der Wirt führte ihn hinauf und Tyran entschied sich gleich für das Erste. Er bestellte Wein und Brot aufs Zimmer. Gedankenversunken stand er am Fenster und blickte in die Ferne. Fulla, seine Frau, würde bald nachkommen und sie würden zu zweit ins Gebirge reisen. Im Moment jedoch unterzog sie sich der alljährlichen Prozedur, ihr gemeinsames Kind magisch aus ihrem Bauch zu entfernen und in den Bauch einer Frau aus der Diener-Kaste zu setzen. Sobald die Beschwörung abgeschlossen war, würde Fulla ihm hinterreisen.
Tyran steckte dem Küchenjungen ein Trinkgeld zu, dann nippte er an dem Kelch Sonnigengut, dem trockenen Wein, der so typisch für Halluzina war.
Auch wenn er als Paladin nur die Pflicht hatte, für das Wohl Amnestias für Nachwuchs zu sorgen, so hielt er es für wichtig seiner geliebten Stadt so gut zu dienen, wie es ihn in seinem kurzen Leben nur möglich war. So hatte er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, in der freien Zeit zu reisen und die Erfahrungen die er sammelte, die Erkenntnisse die er gewann niederzuschreiben und in Amnestia zu berichten, wenn er seinem jährlichen Pflichttermin in seiner Heimatstadt nachkam. Jedes Mal, wenn er die lila schimmernde Stadt mit ihren schneeweißen Alabastermauern und dem Zwillingsturm erblickte, freute sich sein Herz. Jedes Mal, wenn er die Stadt verließ, brach es ihm das Herz. Und doch hatte er ein Verlangen so viel wie möglich von der Welt Atsina zu sehen.
Er zog sich die Rüstung vom Leibe und schlüpfte in ein angenehm leichtes Stoffgewand. Rein weiß und mit zarten, goldenen Stickereien versehen. Es tat gut das Gewicht seiner vollen Montur abzulegen. Tyran fühlte sich leicht wie eine Feder. Es verlangte ihn noch einmal hinunter auf die staubigen Straßen zu gehen und inmitten der feilschenden Händler die nun beginnende Dämmerung zu genießen.
Während in Amnestia mit Einbruch der Dunkelheit die Straßen wie leergefegt waren, ging in Halluzina ging das Leben auf den Straßen erst in den Abendstunden richtig los. Tyran konnte das gut verstehen. Wenn die Sonne hoch am Himmel stand, war es in der Wüstenstadt viel zu heiß um Geschäfte abzuwickeln. Die Bevölkerung ruhte sich dann im kühlen Schatten der Steinbauten aus.
Zwei Köpfe größer als die Menschen in der Menge, teilte sich der Strom wie von selbst vor dem zielstrebig laufenden Paladin. Er roch den süßen Duft der Wasserpfeifen und setzte sich an einen kleinen Tisch. Der Gastwirt der Schenke kam sofort aufgeregt hoppelnd zu ihm und nahm seine Bestellung entgegen.
Tyran lehnte sich leicht zurück und beobachtete Aufmerksam das hektische Treiben, dass sich unmittelbar neben ihm auf der Straße abspielte. Seine Wasserpfeife kam gerade, da wurde es plötzlich unruhig in der Menge. Eine Frau wurde umgestoßen und ein junger Mann, das Gesicht vermummt stürmte davon. „Haltet den Dieb.“
Tyran seufzte. Er betrachtete den Schlauch der Wasserpfeife, die ihm gerade gebracht worden war, in seiner Hand. Er zuckte mit den Schultern und nahm einen tiefen Zug. Seelenruhig kramte er einige Münzen aus seinem Geldbeutel, legte sie auf den Tisch, erklärte dem Wirt, dass er gleich wieder da wäre und plötzlich rannte er los. Dem Vermummten hinterher.
Ohne Schwierigkeiten bahnte er sich einen Weg durch die Menge und hatte den Dieb bereits beinahe eingeholt. Dieser bog gerade in eine schmale Seitengasse ein. Wenige Sekunden später hatte Tyran die Gasse ebenso erreicht.
Dort erwarteten ihn der Dieb und vier weitere Vermummte. Eine Bande also.
„Deine Freunde brauchst du nicht zu bemühen, gib mir den gestohlenen Geldbeutel lieber gleich.“
Der Dieb lachte, Tyran lachte mit. Dann wurde er wieder Ernst, stürmte vor, schlug dem Vermummten in die Magengrube, entwendete ihm den Geldbeutel und wandte sich zum Gehen um.
„Wenn ein Paladin in der Nähe ist, solltet ihr euch vielleicht lieber einen freien Tag machen, Jungs“, rief er ihnen über die Schulter zu. Dann machte er sich auf, wieder zurück zur großen Straße. Während er so auf dem Weg aus der kleinen Gasse war, zählte er innerlich bis drei. Dann drehte er sich in rasender Geschwindigkeit um und wehrte den erbärmlich Dolchstoß eines der Vermummten mit Leichtigkeit ab. In einer einzelnen fließenden Bewegung entwaffnete er den Schurken. „Sehr lieb, mir den auch noch zum Abschied zu schenken.“ Er steckte den Dolch an seinen Gürtel. Dann verschwand er aus der Seitengasse. Wie langweilig. Tyran hatte sich auf einen richtigen Kampf gefreut. „Naja, Glück für die Strolche.“, sagte er zu sich selbst. Er kehrte zu seiner Schenke zurück, brachte der aufgeregten Frau ihren Geldbeutel zurück und setzte sich dann wieder an das kleine Tischchen, wo seine Wasserpfeife auf ihn wartete. Mittlerweile war der Himmel schwarz. Die Öllampen, Fackeln und Kerzen tauchten die Straßen in hellgelbes, gedämpftes Licht. Eine angenehm kühle Brise erfrischte die Luft.
Tyran zog den Dolch von seinem Gürtel und betrachtete ihn ihm Schein der Kerzen. Die Klinge war viel zu fein gearbeitet für einfache Straßendiebe. Ein kleines Symbol war im silbernen Knauf eingraviert. Tyran sprach einen einfachen Vergrößerungszauber. Sein Herz blieb für eine Sekunde stehen. Leuchtenbergs Symbol. Waren die Gerüchte etwa doch war? Es hieß Leuchtenberg sei noch am Leben und seine Schattenanhänger trauten sich langsam wieder aus ihren Löchern hervor. Tyran drehte den Dolch nachdenklich in seinen Händen. Dann fiel ihm auf, dass der Griff locker zu sein schien. Er ließ sich drehen. Neugierig drehte er solange bis der Dolch in zwei Teile, Klinge und Griff, auseinander fiel. Im Griff steckte ein Papierröllchen. Vorsichtig zog er es heraus und entrollte es. Als er es genauer im Kerzenschein betrachtete, konnte er seinen Augen kaum trauen. Die Nachricht war an ihn gerichtet.
Tyran,
Komm Morgen um Mitternacht zum Rabenfriedhof. Kommst du nicht, stirbt deine Frau. Der Beweis, dass wir sie in unserer Gewalt haben liegt in deinem Zimmer im Gasthaus.
Sei pünktlich.
Der Paladin hielt das Stück Papier in die Flamme, nahm die Teile des Dolches an sich und stürmte los in Richtung Gasthaus. Er eilte die Treppen empor, schloss seine Stube auf und schaute sich hastig um. Nichts.
Er setzte sich aufs Bett und ließ sich nach hinten Fallen. Sein Rücken versank in der weichen Matraze. Er starrte an die Decke. Ein schwarzer Pfeil war dort hingemalt worden. Tyran folgte ihm und schaute nach rechts, geradewegs auf seinen Nachttisch. Dort lag eine kleine Holzschatulle. Ein Zettel lugte darunter hervor.
Öffne es
Stand darauf geschrieben. Mit zittrigen Fingern öffnete er die kleine Schatulle und blickte hinein. Das erste Mal seit Jahren verspürte Tyran Angst. Angst um seine geliebte Fulla. Er wurde wütend. Er würde diese Schweine finden, und vernichten. Allesamt. Aufgebracht schlug er mit seinen Fäusten laut gegen die Wand, sodass die anderen Gäste mit Sicherheit geweckt worden waren. Tyran war das egal. Die Schatulle war unterdessen, aufgrund der heftigen Schläge, mit denen der Paladin zornig seiner Wut ausdruck verlieh, auf den Boden gefallen. Aus ihr kullerte ein Finger hervor. Fullas Finger. Der feine Siegelring ließ keine Zweifel zu.
Aufgebracht zog sich Tyran seine Rüstung an und stürmte aus dem Gasthaus. Heute Nacht würde er sowieso nicht schlafen können. Als erstes steuerte er auf die kleine Seitengasse zu in der er die Banditen verschont hatte. Doch wie erwartet, war niemand mehr dort.
Dann machte er sich auf den Weg zum Rabenfriedhof um sich dort schon einmal umzusehen. Morgen sollte er dort erscheinen und da wollte er sich zuvor schon einmal umsehen.
Der Rabenfriedhof lag im nordöstlichen Teil der Stadt, im verlassenen Villenviertel. Hier, wo früher die Reichsten der Reichsten gehaust hatten, war dieses Viertel seit dem letzten Essenzenkrieg die Herberge für den Abschaum der Stadt. Die Wahrscheinlichkeit, so hieß es, dass man einen Spaziergang in diesem Viertel überleben könne, sei niedriger als einen Kampf gegen einen Krieger der Rhodarier zu überleben. Tyran konnte über solche Gerüchte nur lachen, er wusste genau was in dem zwielichten Viertel vor sich ging. Geschäfte. Skrupellose Geschäfte. Wer sich an die Regeln hielt, dem konnte nichts passieren. Jeder kleinste Verstoß konnte jedoch zum Tode führen. Kriminalität in Halluzina war sehr gut organisiert und die Clanführer sorgten dafür, dass es zu keinerlei geschäftsschädigender Auseinandersetzungen kam. Wer zahlte wurde also gut behandelt