Postmodernismus erklärt: Skeptizismus und Sozialismus von Rousseau bis Foucault - Teil 47v100

in deutsch •  7 years ago  (edited)

Das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks setzt sich kritisch mit dem Postmodernismus auseinander und liefert eine Erklärung für dessen Funktionsweise. Als Leitkultur westlicher Kulturen wird der Postmodernismus von vielen Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Politikern vehement unterstützt. Gleichzeitig zeigen sich aber auch in Deutschland immer mehr die negativen Auswirkungen dieses Systems philosophischer - oder sich philosophisch gebender - Axiome, weshalb es von größter Bedeutung ist, den Postmodernismus in seinen Eigenschaften und in seiner Tragweite zu verstehen. Die Vorlage ist das Buch "Explaining Postmodernism" von Stephen Hicks, die Übersetzung ein Eigenprodukt.

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Kant zu Kollektivismus und Krieg

Von den wichtigen Figuren der modernen deutschen Philosophie ist Kant vermutlich derjenige, der am meisten von den Sozialgedanken der Aufklärung beeinflusst wurde.

Es gibt eine klare intellektuelle Verbindung zwischen Rousseau und Kant. Biografen erwähnen gerne die Anektode von Heinrich Heine, nach der Kant immer zur selben Uhrzeit einen Nachmittagsspaziergang machte, und er dabei so pünktlich war, dass die Nachbarn ihre Uhr danach stellen konnten - nur einmal, da war er zu spät dran mit seinem Spaziergang, weil er so sehr vertieft war in Rousseaus Emile oder über die Erziehung, dass er die Zeit darüber vergaß.

Kant wurde als Pietist erzogen, einer Spielart des Protestantismus, bei der die Einfachheit betont wird und sichtbare Verzierungen abgelehnt werden. Kant hatte daher keine Bilder oder Gemälde an den Wänden seines Hauses hängen - mit einer Ausnahme: Über dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers hing ein Bild von Rousseau. Kant schrieb: "Vom Lesen Rousseaus lernte ich, die Menschheit zu ehren."

Die neoaufklärerischen Denker kritisieren Kant in zweierlei Hinsicht: Erstens, für seine skeptische und subjektivistische Epistemologie und zweitens für seine Ethik der selbstlosen Pflicht. Kants Sichtweise über die Vernunft trennt sie von einem kognitiven Kontakt zur Realität und er zerstört damit das objektive Wissen; und seine Sichtweise über die Ethik trennt Moralität vom Glück und damit zerstört er auch den Sinn des Lebens.

Wie bereits in Kapitel zwei besprochen waren Kants mächtige Einwände ein harter Schlag gegen die Aufklärung.

Politisch aber wird Kant manchmal als liberal eingestuft und im Zusammenhang mit dem Preußen des 18. Jahrhundert lässt sich dies treffend bezeichnen. Im Sinne des Liberalismus der Aufklärung aber war Kant in zweierlei Hinsicht nicht liberal: Es waren sein Kollektivismus und seine Sichtweise über den Krieg als Mittel zum kollektiven Zweck.

In einem Aufsatz von 1784 mit dem Titel "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht," stellt Kant fest, dass es ein notwendiges Schicksal für die menschliche Spezies gibt. Die Natur hat einen Plan. Aber, "der Plan wird von der Natur verborgen gehalten.," und daher ist es etwas, das von den Philosophen besonders beachtet werden muss. Dieses Schicksal besteht in der vollen Ausschöpfung aller natürlichen Potenziale des Menschen, was vor allem für die Vernunft gilt.

Mit "Mensch" meinte Kant übrigns nicht den Einzelnen. Das Ziel der Natur ist ein kollektivistisches: Es ist die Entwicklung der Spezies selbst. Die Fähigkeiten der Menschheit, so Kant, sind "nur in der Spezies als ganzes voll entwickelt, nicht aber im Einzelnen." Der Einzelne ist für die Natur und ihr Ziel nicht viel mehr als Kanonenfutter und Kant schrieb in seiner Auseinandersetzung mit Herder: "Die Natur erlaubt uns nicht viel mehr zu sehen, als dass sie den Einzelnen der Zerstörung preisgibt, um die Art als solches zu erhalten." Und 1786 schrieb er in Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte, dass der "Pfad der Spezies den Prozess vom schlechteren zum besseren durchläuft, dies allerdings gilt nicht für den Einzelnen." Die Entwicklung des Individuums insgesamt steht im Widerspruch zur Entwicklung der Spezies und letztlich zählt nur die Entwicklung der Spezies.

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