Die Welt mit anderen Augen sehen - Ein Sprachvergleich

in deutsch •  8 years ago 

Mir ist ein interessanter Wahrnehmungsunterschied bei mir selber aufgefallen, vom dem ich kurz erzählen möchte, da mich interessieren würde, ob es anderen auch so geht. 

Ich hatte den zuerst erschienenen Post von @sirwinchester mit dem Titel "Introducing ErstklassIch - Motivational Speakers Project" gelesen, in dem die deutsche Version "Die Welt mit anderen Augen sehen — Wie ErstklassIch die Gesellschaft bereichert" angekündigt wurde.

Als ich die deutsche Version las, hatte ich von Beginn ein ablehnendes Gefühl, das ich bei der englischen Version überhaupt nicht hatte. Im englischen empfinde ich den Text inspirierend und kraftvoll, im deutschen habe ich den Eindruck, dass mir jemand etwas "verkaufen" will und das obwohl ich einige von den Jungs kenne und weiss, dass sie es nicht so meinen. Wenn Ihr das lest, bitte wenn überhaupt als konstruktives Feedback verstehen, denn nur so ist es gemeint, denn ich weiss ja selber nicht so recht, wie es sein kann, dass mir derselbe Text in einer Sprache gefällt und in der anderen nicht so sehr.

Jetzt ist z.B. der deutsche Titel für meinen Geschmack etwas unglücklich gewählt, weil er in Kombination mit dem ohnehin selbstbewussten Nicname "ErstklassIch" etwas prätentiös bei mir ankommt und auch deutlich prätentiöser als die englische (Original?-)Fassung. Aber schon hier frage ich mich ob ich bei einem Nic wie "IamFirstClass" genauso empfunden hätte oder ob es mir dann nicht einfach nur "selbstsicher" vorgekommen wäre. Aber, um den Titel der deutschen Version aufzugreifen, ich sah dann die deutsche Version mit anderen Augen und mich würde interessieren, ob das nur mir so geht?

Ist der amerikanisch-englische Stil selbstbewusster oder angeberischer? Ist "der deutsche Geschmack" bescheidener im positiven Sinn oder egalitärer im negativen? Ich finde für beide Seiten Argumente.

@ErstklassIch: Habt Ihr z.B. zuerst die englische Version geschrieben und dann ins Deutsche übersetzt oder andersherum?

Freue mich jedenfalls Euch alle nächste Woche im Hamburg zu sehen!

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Sehr interessant!

Vielen Dank Fabio, für deine Mühe und dein Feedback!

Also die deutsche Version wurde zuerst verfasst, und dann ins englische übersetzt.
Ich denke es liegt an der englischen sprache an sich, dass die worte nicht so "gebildet" oder "elegant" rüberkommen. So war das aber selbstverständlich nicht gemeint.
Es freut uns, dass dir der englische text bzw. der text an sich gefallen hat!
Wir sehen uns dann am Freitag in Hamburg!

Danke für dein Feedback!

Englisch kommt nüchterner, sachlicher, sparsamer; die meisten Übersetzungen werden schon allein nach Buchstabenzahl kürzer sein; in einer der ersten Linguistikvorlesungen werden viele Germanisten unter den Professoren anfangen mit "Englisch ist bekanntlich eine degenerierte Sprache..."

Nicht, daß man mit Angelsächsisch nicht auch Lyrik und Poesie flexen könnte, doch wenn es um philosophische Präzision des Gedanken und Feinheiten des Ausdrucks geht, so ziehe ich jederzeit den Sinnfacettenreichtum meiner Muttersprache vor. Abgesehen davon haben wir Dampfschiffkapitänsmützenkordelknöpfe, das macht uns keiner nach.

Technische Beschreibungen indes wirken im Deutschen oftmals gestelzt; selbst das Handbuch vom Bügeleisen lese ich auf englisch, da wird auf den Punkt gekommen.

Alles rein subjektiv und anekdotisch, natürlich...

Ich sah, Du sprichst italienisch; yo hablo francais un tout petit peu. Wie ziehst Du denn da den Vergleich?

Das mit dem größeren Facettenreichtum der deutschen Sprache stimmt meines Erachtens nicht ganz.

Da das Englische sich von jeher stärker aus anderen Sprachen gespeist hat, als das Deutsche, gibt es dort (zumindest im Basiswortschatz) eine etwas größere Anzahl an unterschiedlichen Signifikanten für sinnverwandte Signifikate. Beliebte Beispiele sind "Meat"/"Flesh"/"Fleisch" oder "Sky"/"Heaven"/"Himmel".

Dass das Deutsche, wie von Sprachpuristen gerne verbreitet, einen um vieles größeren Wortschatz als das Englische aufweist, liegt vor allem an der deutschen Vorliebe für lange Bandwurmkomposita. In der Tat kann das dazu beitragen, dass gewissen Überlegungen und Gedankengängen eine stärkere inhärente Logik mitgegeben wird, als in Sprachen, die weniger stark dazu neigen, Wörter miteinander zu verquicken.

Ob nun aber zum Beispiel das "Kaffeerahmdeckelsammelfachgeschäft" wirklich ein Begriff ist, der den deutschen Gesamtwortschatz qualitativ gegenüber dem Englischen oder anderen Sprachen erweitert, die solche Konstruktionen bevorzugt durch Leerzeichen trennen, wage zumindest ich zu bezweifeln.

...wobei ich doch eher an solche Faxen dachte, wie sie die deutschsprachige Philosophie abgezogen hat - über das Sein an sich hegelt es sich beispielsweise eineindeutiger im deutschen als im englischen.

Und auch an die Bandwurmkomposita war gewiss nicht gedacht als "Bereicherung"! Wie man hingegen Verben mit Suffixen versehen (nach-gehen, vor-gehen, ein-gehen, an-gehen) oder Adjektive präzisieren kann (randvoll, schweinekalt, knallhart, tierlieb) macht einfach mehr Laune und erlaubt, so empfinde ich es zumindest, feinere Spielereien und größere Flexibilität mit Ausdruck und Bedeutung des Gedanken, die sich nicht ohne einiges mentales Yoga ins Englische übertragen lassen.

Und bevor das Missverständnis auftritt: mit "Degeneration" des Englischen meint der Dozent, daß sich da die Fälle schon längst aufgelöst haben (bis auf so Relikte wie "whom"). Wir haben immerhin noch eine Chance, unserem Dativ zu retten :)

  ·  8 years ago (edited)

Wie Du so schön sagst, subjektiv und anekdotisch, aber Französisch empfand ich immer als das Deutsch unter den romanischen Sprachen, weil es sich schon in der Aussprache abrupt absetzt, z.B. im Vergleich zu den geographisch entfernteren Spanien und Italien, die beide ähnlicher zueinander klingen. Ich empfinde es ähnlich wie Deutsch strenger und präziser.
Zu engl.: "Englisch kommt nüchterner, sachlicher, sparsamer"
Ich finde das kommt sehr auf den Kontext an. Englische Werbetexte oder Marketingunterlagen wirken auf mich reisserischer. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es die Sprache ist oder die Sprechenden, die dann vor meinem geistigen Auge auftauchen.

  ·  8 years ago (edited)

Mir persönlich gefällt es besser die englische Sprache zu lesen statt die Deutsche. Es klingt in meinen Augen einfach weicher und nicht so "hart" wie das Deutsche. In dem deutschen Post werden für mich viele Details direkt angesprochen und im englischen eher "nett" umschrieben ,doch so ist die englische Sprache auch für mich ;) Ich verstehe was du meinst @fabio doch wir sollten dem Deutschen eine Chance geben ;) (Y)