Nach ca. 7 Stunden Flugzeit landeten wir um 5,30 Uhr East African Central Time (eine Stunde später als MEZ) in Entebbe, Uganda, das noch in nächtliche Dunkelheit getaucht war.
Mein allererster Gedanke bei meiner ersten Reise auf den afrikanischen Kontinent war, mich zu wundern, wie es bei dieser warmen Temperatur schneien könne. Auf der Gangway des Flugzeugs stehend, hatte ich in der Lichtkuppel einer Straßenlaterne einen dichten „Schneesturm“ ausgemacht. Es dauerte allerdings nicht lange, bis die ersten „Schneeflöckchen“ um mein Gesicht schwirrten und ich realisierte, daß Myriaden von kleinen weißen Fliegen, vom künstlichen Licht des Flughafens angezogen, uns einen „alpinen“ Empfang bereiteten.
Mit dem Hinweis, ich solle Fliegen, die mir in die Nase fliegen, schnell ausschneuzen, da sie sonst vielleicht Eier in meine Nasenschleimhaut legen könnten, riß mich H.-W. aus meinem idyllischen Staunen.
Im Ankunftsbereich füllten wir alle die entsprechenden Einreisepapiere aus und warteten dann außerhalb des Gebäudes auf eine Gruppe, die die Anreise über London angetreten hatte. Die Formalitäten an der Grenze dauerten zwar, wurden aber reibungslos erledigt, was auch für alle weiteren Grenzaufenthalte gelten sollte. Vermutlich werde ich die organisatorische Leistung der Italiener erst dann richtig zu schätzen wissen, wenn ich einmal auf eigene Faust ins Land reisen sollte, denn es verlief beinahe europäisch problemlos.
Auf dem Parkplatz ging für uns zum ersten Mal die Sonne über Afrika auf, ein Schauspiel von solch reiner Schönheit, daß uns Menschen um so mehr beschämen sollte, was ihre Strahlen ans Tageslicht bringen, wenn sie sich über den Kontinent erhebt. Als die große Gruppe vollständig war und sich auch Gianpiero, unser Speaker, aus London angeschlossen hatte, wurden wir auf diverse Busse verteilt, um nach Kasese nahe der kongolesischen Grenze zu fahren, wo wir die Nacht verbringen sollten.
In den minimalistischen Gefährten bestach besonders die überdurchschnittlich moderne Musikanlage, die ohne unseren Protest wohl ganz zu dröhnender Geltung gekommen wäre und uns die globalisierte musikalische Untermalung US-amerikanischer Provenienz beschert hätte. Auch Yoweri Museveni begleitete uns ständig, breit grinsend von Plakaten und Aufklebern im wahlumkämpften Uganda. Das Land wirkte auf mich höchst rückständig und chaotisch. Dafür sorgte nicht zuletzt unser Busfahrer, den man nach deutschen Maßstäben nur als wahnsinnig bezeichnen kann. Er raste über die zumeist eben gerade brauchbar asphaltierte Straße, ohne sich um Gegen- und sonstigen Verkehr zu kümmern. Als es mich nach einer Bodenwelle bis knapp unter die Busdecke gehoben hatte, protestierten sogar die Italiener, die bis dahin eine gewisse Belustigung über die Fahrweise gezeigt hatten. Gegen unseren Busfahrer machen sich sogar neapolitanische Berufsverkehrrambos wie Verkehrswacht-Musterschüler aus. So anekdotenhaft-amüsant das klingen mag, es war seltsam für mich darüber nachzudenken, daß ich eigentlich Todesangst haben müßte und uns nichts außer schierem Glück vor einem Unfall bewahren konnte. Afrikanischer Fatalismus begann sich in mir breitzumachen.
So rauschten und holperten wir also an Bananenplantagen, der weitgestreckten Savanne und kleinen Dörfern vorbei, von denen allerdings keines zu klein war, um nicht doch irgendwo einen leuchtend roten Coca-Cola-Kühlschrank zu beherbergen.
Um 11,15 Uhr Ortszeit überquerten wir kurzzeitig den Äquator, für Réjane und mich eine ganz besondere von vielen weiteren Premieren auf dieser Reise. Nach einer Pause in Mbarara, wo ich (nicht zum letzten Mal) über die Geschäftsuntüchtigkeit und Trägheit einiger Ugandesen staunte, die lieber gar keine Geschäfte machten, als US-Dollars anzunehmen, erreichten wir am späten Nachmittag Kasese und das dortige Missions- und Bistumsgelände. Das Areal, auf dem mehrere hallenartige Gebäude standen, in denen wir übernachten sollten und die sonst wohl als Schul- und Eßräume genutzt werden, war hermetisch von der Umgebung abgeriegelt.
Nach einer unbeschreiblich wohltuenden Dusche traten Réjane, H.-W. und ich an den nahegelegenen Zaun, hinter dem noch ein tiefer Graben uns keine 10 Meter von einer „Siedlung“ trennte, um ein paar Worte mit einigen der Bewohner zu wechseln. Wellblech- und Plastikgebilde, die die Bezeichnung „Hütte“ unangebracht erscheinen lassen, bieten dort meist jungen Menschen eine Behausung. Die Assoziation mit einem Zoo zwang sich mir, als ich an dem Zaun stand, geradezu auf, ohne daß ich mir darüber klar werden konnte, auf welcher Seite des Gitters ich stand. Rückblickend ist es mir klar, denn sie sind noch dort und können nicht weg.
Nach dem Abendessen wurde eine „margherita“ abgehalten, ein Ritual, das wir bald als notwendiges Übel zu akzeptieren lernten. So sinnvoll es sein mag, sich über Geschehnisse in der großen Gruppe zu informieren und auszutauschen, so ermüdend war es dennoch, wenn man den Eindruck gewinnen mußte, daß einige Teilnehmer „Demokratie“ spielen wollten und mit verbissenem Festhalten an der Methode auch noch so nichtige Kleinigkeiten als wichtig behandelt wurden, um jeden Eindruck von Autorität und Führung zu vermeiden. Dieselbe Trotzigkeit oder kindische Egozentrik herrschte dann auch im Schlafsaal, wo einige Mitreisende partout nicht Rücksicht nehmen konnten. Meine Schlangen- und Insektenphobie hielt mich davon ab, H.-W. nach draußen zu folgen und unter freiem Himmel zu schlafen.
Am nächsten Morgen ging es weiter in den Kongo. In Kasindi, an der Grenze der beiden Staaten, wurden wir auf ca. 10 kleine Toyota-Minivans und zwei Busse der Diozese Butembo/Beni verteilt. Die ursprüngliche Anweisung hatte gelautet, einen Konvoi zu bilden und unter keinen Umständen aus den Autos zu steigen, denn wir sollten nun durch umkämpftes Gebiet fahren. Allerdings blieb über die Hälfte der Kleinbusse mindestens einmal kurzzeitig wegen einer Panne auf der Strecke und einer der großen Busse kam abends erst mehrere Stunden später an.
Auch an das Aussteigeverbot hielt man sich nicht lange. Später erfuhren wir, daß die May-May, die kongolesischen Rebellen, mit den „offiziellen“ Rebellen, die gegen die Regierung in Kinshasa rebellieren, in Wahrheit aber nur Marionetten-Söldner eines der sechs Staaten sind, die sich einen Teil des kongolesischen „Kuchens“ abschneiden wollen, vereinbart hatten, uns während der Dauer des „S.I.P.A.“ in Ruhe zu lassen. Wir hatten allerdings, flapsig gesagt, auch andere Sorgen, als „auch noch“ Rebellen. Die Wege, die wir befuhren, waren nämlich eine absolute Katastrophe. Damit meine ich nicht ein reines Komfortproblem. Natürlich ging es mir auf die Nerven, stundenlang durchgeschüttelt zu werden und Staub zu schlucken. Viel schlimmer finde ich aber die Überlegung, daß diese Trampelpfade, die wir nicht mal als Waldwege akzeptieren würden, die einzigen Verbindungen zwischen Städten im Kongo und aus dem Kongo heraus darstellen. Über eine „schlechte Infrastruktur“ zu reden, mutet mir in diesem Zusammenhang geradezu albern an, denn es müßte erst einmal irgend etwas da sein, was ich dann für „schlecht“ befinden könnte. Vergleiche wie „Steinzeit“ erscheinen mir angebrachter, und mich schmerzt viel zu sehr, was ich hier gewahr werde, als daß es ein Anflug europäischer Arroganz sein könnte. Savanne, Dschungel und niederer Regenwald säumten den Weg. Gelegentlich begegnete wir völlig überladenen Lastwägen, vereinzelt auch einigen Radfahrern auf der Durchreise. Immer wieder konnten wir „Militärbasen“ (sprich: Lehmhütten mit uniformierten, bewaffneten Menschen) sehen und Dörfer, die aus einigen strohbedeckten Hütten bestanden. Mitten im nirgendwo.
Die Einheimischen hatten, wie wir später erfahren sollten, vom „S.I.P.A.“ erfahren und die meisten begrüßten uns frenetisch-winkend. Ich weiß nicht, ob sie uns als eine Karawane von Erlösern betrachteten, an die sie ein bißchen Hoffnung knüpfen konnten, oder als exotischen „Event“. Wahrscheinlich beides. Jedenfalls hatte ich einen sehr lebendigen, fröhlichen Eindruck von diesen Dörfern mit winkenden Kindern in Lumpen, die uns unaufhörlich „Ulele“ zuriefen. Bis ich mir vorzustellen versuchte, wie wohl die Atmosphäre in diesen Siedlungen ist, wenn sich der Staub unserer Durchfahrt gelegt hat und der nächste Besuch vielleicht wieder aus einer Bande marodierender Rebellen besteht und niemand davon Notiz nimmt, weil niemand auch nur weiß, wie diese Inseln im Nichts überhaupt heißen.
...Fortsetzung folgt
Sehr spannender Reisebericht, bin neugierig auf die Fortsetzung!
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... O.O ... Bah ...jetzt bin ich mir nicht so sicher ob ich noch weitere Teile lesen möchte xD
Das schon eklig und so neugierig wie ich bin musste ich das noch nachlesen. ^^
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😂
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Fabio nn c'ho capito nulla!😅 scrivi in ita o ing pure
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:D Avessi il tempo... :D
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E mannaggià lo so ....
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Prego prendi "google translate" !
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Das klingt alles sehr abenteuerlich, oder besser gefährlich und unangenehm. Nun bin ich mal gespannt, ob du uns irgendwann den Grund deiner Reise verrätst. Die Fliegen können es eigentlich nicht sein. Ob du den Afrikanern Bitcoin erklären willst??
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Da hat jemand Teil 1 übersprungen! :-)
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Good post
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