Weissensee - ein Bogen der Zeit über 50 Jahre

Vor 50 Jahren war ich zum ersten Mal dort. Als Kind, angereist mit Eltern und Bruder in einem VW Käfer 1200. Die Fahrt von München aus zu unserem Ziel war fast ein kleines Abenteuer für sich:

Die Autobahn endete schon in Salzburg und so benötigten wir gefühlt endlose Stunden, bis wir am Abend zum ersten Mal den auf 930 Meter Höhe gelegenen See erreichten. Die Unterkunft entsprach dem damaligen Standard: Einfache Mehrbettzimmer, Dusche und WC auf dem Gang. Das war aber völlig egal. Für uns Kinder war der Urlaub eine unbeschwerte und glückliche Zeit: Den ganzen Tag in der Sonne spielen, baden, auch mal wandern, Eis schlecken, mit dem Schiff fahren und nicht an morgen denken. Nur im Jetzt sein.

Immer wieder, fast jedes Jahr, bin ich zumindest für einige Tage an diesen Ort der Sehnsucht zurückgekehrt. Irgendwann war meine 20 Jahre jüngere Nichte dabei und auch sie erlebte als Kind dort eine wundervolle Zeit.

Die Zeiten ändern sich, die Lebensumstände auch. Meine Nichte lebt nun in Australien und hat dort selbst einen Mann und zwei Söhne. Aber auch ihr Erstgeborener, Nicolas, hat vor wenigen Jahren den Weißensee kennengelernt. 

Vor einigen Wochen hatte ich mir Zeit genommen, bei bestem Wetter einen Tag alleine mit dem See zu sein. Ich wanderte die 12 Kilometer vom West- zum Ostufer und ließ meinen Gedanken und Gefühlen freien Lauf ...

Es ist doch stets der Wunsch der Älteren, dass es die nachfolgende Generation besser haben sollte als man selbst. Dies entspricht einem naturgegebenen Gesetz. Leider wurde dieser Prozess in Europa immer wieder gewaltsam gestört: Meine Eltern mussten nach dem Krieg aus den deutschen Ostgebieten fliehen und in Bayern von Null aus neu anfangen. Nur ihrem Fleiß und ihrer Fürsorge ist es zu verdanken, dass mein Bruder und ich die Chance nutzen konnten, zu einem gesicherten Leben mit ein bisschen Wohlstand zu kommen. 

Leider sagt mir mein Verstand und mein Bauchgefühl, dass nun wieder stürmische Zeiten aufziehen. Die Finanzkrise ist noch längst nicht ausgestanden und die Kriegstrommeln sind laut zu hören; zumindest für alle, die sich noch einen Rest an Wahrnehmungsfähigkeit bewahrt haben.

So bin ich froh, dass meine Nichte und ihre Familie im fernen Australien in großer Sicherheit sind. Auch wenn wir uns deswegen nur sehr selten sehen, haben wir doch sehr engen Kontakt und ich bin immer informiert, ob es ihr gut geht.

Zum Schreiben dieser kleinen Geschichte haben mich auch die Beiträge von @onetree, @sift666 und @karenb54 inspiriert, die an meinem 0.5 BTC Powerup Wettbewerb teilnehmen. Ich habe den Kopf frei, weil ich mir keine Sorgen um mich machen muss. Ohne Angst genieße die Freiheit!

Aber ich werde alles dafür tun, dass es meiner Nichte und ihrer Familie gut geht.

Der Weissensee und die mit ihm verbundenen Geschichten werden immer einen Platz in meinem Herzen haben. Er ist für mich ein Ort des Glücks, ein Spielplatz der Natur und immer eine Reise wert.

Und ich bin froh, dies auf steemit.com allen mitteilen zu können, die sich für Geschichten des Lebens und ein bisschen Philosphie interessieren.