Demenz ist ein Arschloch - Die Zeit die uns noch bleibt...

in deutsch •  7 years ago  (edited)

Ihr Lieben!

Dieser Post heute wird etwas persönlicher und ich schreibe ihn ganz bewusst auf deutsch da ich mich in meiner Muttersprache nun einmal am besten ausdrücken kann. Ihr wisst bestimmt was ich meine.

Einen geliebten Verwandten in eine Pflegeeinrichtung zu geben ist keine leichte Aufgabe.

So haben auch wir uns über Monate und Wochen mit dem Gedanken beschäftigen müssen denn es war klar, dass der Tag früher oder später kommen wird. Meine liebe Oma war immer sehr aktiv und ließ sich nie gerne Arbeit abnehmen. Mit 91 Jahren den Haushalt noch komplett alleine zu schmeißen, sich zu pflegen und zu kochen ist keine Selbstverständlichkeit.

Doch irgendwann reichen die Kräfte nicht mehr und über das letzte Jahr ging es meiner Oma schlechter. Sie klagte über Kopfschmerzen und ist dann, innerhalb von 2 Wochen, gleich zwei Mal schwer gestürzt. So schwer, dass sie in ein Krankenhaus musste.

Ein Krankenhaus zu betreten kostet mich enorme Überwindung! Der Geruch, die ganzen Menschen, für mich kann das ganz schnell zu viel werden. Ich habe viele Freunde in jungen Jahren verloren und das Krankenhaus war lange Zeit ein Ort den ich oft aufsuchen musste.

Da lag sie nun auf der Intensivstation, mehr tot als lebendig und hatte sich zu allem Übel auch noch eine Lungenentzündung eingefangen. Ich könnte jetzt damit anfangen wie viele Keime man sich in so einem Krankenhaus holen kann aber das würde niemandem helfen... Natürlich habe ich mich zu dieser Zeit gefragt ob es für sie nicht besser wäre jetzt zu gehen. Ohne viel Hin und Her, unnötige Schmerzen und Stress.


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Meine Großeltern schwer verliebt :)

Doch meine Oma ist sehr zäh und ihr Zustand verbesserte sich. Aber zurück nach Hause in ihre Wohnung? Allein? Das war keine Option. Also entschieden wir uns für die Kurzzeitpflege, mit der Hoffnung das sie dort ja rund um die Uhr betreut werden würde. Unter Aufsicht.

Dort ist sie nun seit 3 Monaten und es bricht mir jedes Mal das Herz sie dort zu sehen. Mittlerweile kann sie wieder selbstständig essen aber man merkt das die Demenz sie total im Griff hat. Körperlich ist sie wieder recht mobil.
Aber die Aussprache wird verwaschen, Wörter vergessen oder mitten im Satz aufgehört zu sprechen. Meine Oma macht das wütend und traurig. Sie weint viel. Der Kopf will einfach nicht mehr so wie man möchte. Ihr ist bewusst das sie nicht zu Hause ist, in gewohnter Umgebung. Mich mach das auch traurig. Warum diese Quälerei. Sie hat doch keine Lust mehr. Wozu?

Und dann sind da diese klaren Momente. Ein Lächeln und eine alte Erinnerung. Ich spüre die Liebe in ihren Augen, nicht diese Leere die sich breit macht. Ganze klare Sätze. Meine Oma hat meinen Freund nur ein einziges Mal getroffen, aber an einem Tag hat sie mich angesehen und sagt plötzlich: "Sag mal, wie geht es eigentlich deinem Freund?" Mir sind die Tränen aufgestiegen! Ich kenne das alles. Mein Opa ist vor 4 Jahren gestorben und auch er war demenz krank.

Was ist Demenz?

Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, die mit einem Verlust der geistigen Funktionen wie Denken, Erinnern, Orientierung und Verknüpfen von Denkinhalten einhergehen und die dazu führen, dass alltägliche Aktivitäten nicht mehr eigenständig durchgeführt werden können. Dazu zählen die Alzheimer-Demenz, die Vaskuläre Demenz, Morbus Pick, Frontotemporale Demenz und weitere Demenzformen.

Quelle: http://www.alzheimerinfo.de/alzheimer/demenz_alzheimer/index.jsp

Ich hatte mal den Wunsch das meine Oma bei mir leben kann.

Oder mit meinen Eltern, wir alle zusammen. Seit ich klein war hatte ich mir das ausgemalt. Eine schöne Vorstellung.
Job und Pflege eines Angehörigen vereinbaren? Wie denn? Ich weiß das es da ganz tolle Modelle gibt und es bei einigen bestimmt wunderbar funktionieren kann. Aber für meine Familie war das nicht möglich. Eine Pflege rund um die Uhr nicht umsetzbar.

Wir sind alle berufstätig, in der Lohnsklaverei gefangen und die Zeit läuft uns davon. Die Zeit die uns noch bleibt möchte ich nutzen. Ich suche aktuell nach einer Teilzeit Stelle, versuche sie so oft wie möglich zu besuchen. Doch die Besuche strengen sie unheimlich an. So versucht die ganze Familie sich über die Woche zu verteilen. Keinen Tag soll sie alleine sein und dort im Bett liegen und an die Decke starren. Aber die Schuld bleibt. Bürokratiewahnsinn und die Zwänge unsere Gesellschaft machen uns einen großen Strich durch die Rechnung.

Vielleicht packe ich meine Oma demnächst einfach ein und fahre mit ihr ans Meer. Das hat sie immer sehr geliebt. Vielleicht kann sie dann in Frieden gehen.


love

@hazel420

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