Entschleunigung

Wir leben in einer Zeit, in der alles schnelllebig und überladen ist. Überall begegnen uns neue Trends, technische Innovationen und modische Must-haves, die unser Leben vermeintlich einfacher und besser machen sollen. Netflix und all die anderen Streaminganbieter überschlagen sich förmlich darin, uns einen neuen kurzen Thrill zu verpassen. Sieh mal hier, check das mal, krass alter ...
Mord und Totschlag holen niemanden mehr aus der Ecke. Die Medien verkünden eine Hiobsbotschaft nach der Anderen, doch der Konsument ist nur noch schwer zu beindrucken. So sehr sind die Sinne überlastet in dieser Welt der kurzen Blitze. Selbst die größten Skandale sind in 2 Tagen vergessen. Unsere Gesellschaft ist praktisch tot. Sie existiert nur noch in der hektischen Randnotiz irgendwelcher Schlagzeilen.

Manchmal fühlt es sich an, als ob alles um uns herum ständig schneller wird. Die Tage rasen vorbei, und wir hetzen von einem Termin zum nächsten. Inmitten dieses Tempos wächst der Wunsch nach einem Moment des Innehaltens. Einfach mal durchatmen, den Kopf frei bekommen und das Gefühl haben, dass die Zeit langsamer vergeht. Es geht darum, bewusste Pausen zu schaffen, in denen wir uns nicht von der Geschwindigkeit des Alltags treiben lassen. Vielleicht ist es ein Spaziergang ohne Ziel, das bewusste Genießen einer Tasse Tee oder einfach mal nichts tun und die Gedanken schweifen lassen. Entschleunigen bedeutet, sich selbst die Erlaubnis zu geben, aus dem ständigen Vorwärtsdrang auszubrechen und den Moment zu schätzen – so wie er ist, ohne Eile, ohne Druck.

Ich besuche oft das Grab eines sehr guten Freundes. Er liegt in einer dunklen und eher einsamen Ecke eines sehr großen Friedhofs. Dort herrscht eine unglaubliche Stille und es riecht dort nach Pilzen, obwohl ich dort keine Pilze sehe. Er wollte unbedingt nicht verbrannt, sondern in einem richtigen Sarg bestattet werden. Damals habe ich das nicht verstanden, doch heute verstehe ich das um so mehr. Er wollte ganz natürlich mit der Natur verschmelzen.
Ich habe viele Leute, die das Zeitliche gesegnet haben. Alle wurden Feuerbestattet und an deren Urnen-Gräbern spüre ich nicht das Gleiche, wie am Grab meines Freundes.

Auch wenn ein Friedhofsbesuch kein freudiger Anlass ist, so ist es doch definiv ein Augenblick der Entschleunigung.