Bill Ramsey - Nachruf auf ein Original oder „a character“, wie man in seiner Heimat sagen würde

in deutsch •  3 years ago 

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Während für viele deutsche Sänger als Traumziel der Karrieredurchbruch in den USA gilt, und sie zur Eroberung des internationalen Marktes der englischen Sprache den Vorzug geben, schlug Bill Ramsey den umgekehrten Weg ein und bewies nebenbei, daß Deutsch für Gesangsvorträg keineswegs so schwerfällig sein muß, wie es oft behauptet wird.

In seiner Wahlheimat Deutschland prägte er eine ganze Ära der Unterhaltungskunst durch seine populären Liedern mit ihren eingängigen Melodien, die als echte Ohrwürmer auch gerne zum Mitsingen einluden.

Unser Freund Notan Dickerle verabschiedet den Liebling seiner frühen Jugend mit einem würdigen Nachruf. Außer Bill Ramsey mochte Notan von den Yankees nur noch Winnetou, der ja aber kein richtiger gewesen sei, wie er findet.

Ein heiterer Musikbotschafter aus den USA - zum Tod des Entertainers Bill Ramsey

von Notan Dickerle, Anwärter auf den Leuchtturmpreis für mutigen Journalismus gegen “Bunt”

Irgendwie erschien der im April 1931 in Cincinnati geborene Sänger, Schauspieler und Rundfunkmoderator William “Bill” Ramsey wie über der Zeit stehend: als seine musikalische Karriere mit Anfang 20 zu Beginn der 50-er Jahre startete wirkte der leicht untersetzte, gerne in großkarierte Jacketts gekleidete Mann nicht richtig jung, in seinen letzten Lebens- und Künstlerjahren trotz schlohweißer Mähne und Bart aber auch nicht wirklich alt. Seinen berühmten “Wumba-Tumba-Schokoladeneisverkäufer von dem ander'n Stern” ließ er (bzw. der Texter Kurt Feltz) noch “als Ehrengast mit der Monroe tanzen im Tanzpalast” - andere Zeiten, andere Welten!

Schon während seines Studiums an der Universität von Yale sang Ramsey nebenher Jazz, Swing und Blues. Seinen Durchbruch als Musiker verdankte er aber dem Korea-Krieg bzw. seinem Einsatz bei der amerikanischen Luftwaffe in Deutschland im Rahmen der wiedereingeführten allgemeinen Wehrpflicht. So trat er neben seinem Militärdienst im Jazzkeller in Frankfurt auf, wurde an den Hessischen Rundfunk engagiert und erhielt eine erste Filmrolle in dem Musikfilm “Liebe, Tanz und 1000 Schlager” mit Caterina Valente und Peter Alexander – ein Streifen, dessen ehrlicher Titel seinen reinen Unterhaltungscharakter fern jeder Weltverbesserungsintention beschreibt. Herrliche Zeiten! befand wohl auch Bill Ramsey, der bald nach Beendigung seines Militärdienstes nach Deutschland zurückkehren sollte, um dort den Musikmarkt aufzumischen.
“Willst Du was Lustiges machen oder Rock'n Roll?” soll der Produzent Ramsey zu Beginn ihrer Zusammenarbeit gefragt haben. Dessen Entscheidung für ersteres brachte ihm für ein gutes Jahrzehnt in Deutschland größte Sympathiewerte und ein Alleinstellungsmerkmal ein. So sang er mit leicht angerauhter Stimme und wohldosiertem amerikanischem Akzent beispielsweise von “Pigalle, der großen Mausefalle mitten in Paris”, von den “Souvenirs, Souvenirs” großer Stars, von der Mimi, die “ohne Krimi nie ins Bett” ging, oder - Ramseys vielleicht populärste Nummer – der “Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe”, die sich als die dem Sänger wohlbekannte Elfriede aus Wuppertal entpuppt. “Diese Schlager hatten alle etwas Jazziges” merkte Ramsey zutreffend an, wenn er später von Journalisten hochnäsig auf sie angesprochen wurde. Da das fremdartige Jazzelement nur stark verdünnt, eigentlich eher wie ein Gewürz in den Liedern eingesetzt wurde konnte sich das deutsche Publikum leichter damit anfreunden. Sofern die Lieder keine Coverversionen amerikansicher Hits waren stammte die Musik meist von Heinz Gietz, die ironischen, sich von der Herz/Schmerz-Dominanz der damaligen Zeit wohltuend abhebenden Texte aus den Federn von Kurt Feltz oder Hans Bradtke. Der Siegeszug woodstockender Rhythmen trocknete indes auch dieses Biotop des deutschen Schlagers aus – Bill Ramsey widmete den Kiffern seine letzte Single “Haschisch Halef Omar” mit dem zeitweise zu Kultstatus gekommenen Refrain “Haschu Haschisch ini Tasche haschu imme waschu nasche”...

Der amerikanische Entertainer, der in ca. 30 Filmen mitgewirkt und 1984 die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hatte, sang seit Ende der 60-er Jahre wieder regelmäßig Jazz und Blues, moderierte zahlreiche Fernsehsendungen und wirkte lange als Dozent an der Hamburger Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Zu seinem 80. Geburtstag erschien unter dem Titel “Ramsey swings” eine CD-Box mit 100 Titeln, die der Sänger zwischen 1958 und 1999 mit den Big Bands der verschiedenen deutschen Rundfunkanstalten aufgenommen hat. Über 30 Jahre lang moderierte er bei hr2 Kultur die Sendung “Swingtime”, die Ramsey erst im März 2019 aus Altersgründen aufgab.

Wie erst mit einigen Tagen Verspätung bekannt wurde ist Bill Ramsey am 2. Juli im Alter von 90 Jahren in seiner Wahlheimat Hamburg gestorben. Er war einer der besten Botschafter, die die USA im Deutschland der Nachkriegszeit hatten, denn er fühlte sich in unserem Land offensichtlich sehr wohl, wobei die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruhte. Vielen Dank, Bill, für all' das Schöne, das Du uns gegeben hast! Wir hoffen, daß Du jetzt auch höheren Ortes Swing und Blues und ironische, jazzige Lieder vortragen darfst!

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