Der Zweck rechtfertigt die Drohne.

in deutsch •  4 years ago 

Isabella Klais / Aufbruch -Wir für Deutschland!

Der Frage, ob die Bundeswehr Drohnen braucht, muß die Rückbesinnung auf die richtig definierten Interessen Deutschlands vorausgehen. Erst in diesem Lichte kann entschieden werden, was zur Wahrnehmung dieser Interessen erforderlich ist.

Derzeit wird Deutschland von US-Vasallen regiert. Solange das so ist, braucht Deutschland nur eines: die Befreiung vom fremdbestimmten Joch und die Erlangung seiner uneingeschränkten Souveränität. Selbst wenn er es nicht so formulieren würde, scheint dies Rolf Mützenich, der auch in der Frage der Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland einen klaren Kurs pro Abzug vertritt, intuitiv zu erkennen.
Die Befürwortung der Anschaffung von Drohnen durch national-patriotische Kreise entspringt dem Reflex, Deutschland nicht hinter andere Staaten zurückfallen zu sehen, und natürlich der Erkenntnis der Notwendigkeit leistungsstarker Streitkräfte. Dabei aber wird der zweite Schritt vor dem ersten getan. Solange militärische Entscheidungen nicht ausschließlich im Hinblick auf nationale Interessen autonom entschieden werden, brauchen Deutschland im allgemeinen und die Bundeswehr im speziellen alles, was zur Veränderung der gegenwärtigen Situation erforderlich ist.

Unser Freund Erasmus Konsul geht detailliert auf dieses Problem ein.

Drohnenkrieger in Not - Die Bundeswehr in der Bündnisfalle

von Erasmus Konsul

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich gegen eine Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen ausgesprochen. Diese scheint damit für die laufende Legislaturperiode erst einmal vom Tisch zu sein. Die Fraktion unter Führung ihres Vorsitzenden Rolf Mützenich hat sich damit über ihre eigenen Verteidigungspolitiker, insbesondere ihren verteidigungspolitischen Experten Fritz Felgentreu, hinweggesetzt. Felgentreu - nach seinen politischen Äußerungen ein überzeugter Atlantiker - legte daraufhin sein Amt nieder.

In der Debatte über dieses Bewaffnungsvorhaben standen Argumente wie „ethische Folgenabschätzung“ oder auch militärische Aspekte, wie die Lehren aus dem jüngsten Krieg um Nagornij-Karabach zwischen Armenien und Azerbaidschan, wo Drohnen entscheidend zum Sieg der Azeris beigetragen haben sollen, im Vordergrund. Auch grundsätzliche friedenspolitische Positionen der SPD-Basis gegenüber den Aufrüstungszielen sollen zur Debatte gestanden haben. Eine Rolle spielte auch die Bilanz der US-Drohnenkriege, die in den Jahren von 2004 bis 2011 an die 3000 Tote gekostet haben sollen, darunter viele unbeteiligte Zivilisten.

Ein grundsätzlicher Aspekt scheint darüber in „Vergessenheit" geraten zu sein: die Frage der militärpolitischen Zielsetzung einer solchen Bewaffnung oder - vielleicht etwas plakativer ausgedrückt - die Frage, wo denn konkret eine solche Bewaffnung eingesetzt oder in einem potentiellen Einsatz gebraucht werden soll. Dahinter verstecken sich natürlich bündnispolitische Implikationen. So heißt es auf der Homepage des Verteidigungsministeriums zum Auftrag der Bundeswehr zwar, dass diese „Deutschlands Souveränität und Staatsgebiet" schützen solle. Gleichzeitig wird aber erwähnt, sie habe auch den Auftrag, Deutschlands Verbündete zu schützen, die europäische Integration, die atlantische Partnerschaft und die Zusammenarbeit zwischen Staaten weltweit zu stärken. Das Weißbuch 2016 wird aber dann erfrischend deutlicher:

„Die deutsche Wiederbewaffnung in den 50er Jahren war auf das Engste verbunden mit der Integration des Landes und seiner Streitkräfte in das Atlantische Bündnis. Damals wie heute ist die Bundeswehr ausgerichtet auf ein Handeln im multilateralen Rahmen. Bei der Wahrnehmung von Verantwortung für die internationale Sicherheit sind wir in hohem Maße auf das abgestimmte Zusammenwirken mit unseren Partnern angewiesen.
Daher nimmt Deutschland in Sicherheitsfragen bewusst gegenseitige Abhängigkeiten in Kauf – von funktionierenden Bündnissen, Partnerschaften und Solidargemeinschaften und vor allem von einer engen Sicherheitspartnerschaft mit den USA. Deutschland verfügt unter den Staaten der Europäischen Union (EU) über eines der größten Streitkräftedispositive und hält dieses für unterschiedliche Einsätze in multilateralem Rahmen bereit.“

Darum geht es also im Wesentlichen: Das Erbe des Zweiten Weltkrieges - so in anderen Worten das Weißbuch zur Sicherheitspolitik und der Zukunft der Bundeswehr im Jahr 2016, also 71 (!) Jahre nach dem Ende dieses Krieges - bestimmt also den zentralen Rahmen für unser sicherheitspolitisches Handeln. Und diese Bundeswehr ist im Wesentlichen so in das „Bündnis“ integriert, dass sie autonom vermutlich nur sehr bedingt handeln kann. Wenn also Bewaffnungsentscheidungen für die Bundeswehr getroffen werden, dann orientieren sie sich folgerichtig an diesem Rahmen und werden primär unter dem Gesichtspunkt, was die Bundeswehr für das Bündnis tun kann, ausgerichtet und nicht daran, ob dieses Bündnis etwas für unsere Zielsetzungen tun kann oder könnte. Es handelt sich aber bei diesen Integrationsthemen wie NATO und EU in der Folge des Zweiten Weltkriegs nach wie vor um Tabuthemen, die nicht diskutiert werden dürfen, weil sie gegenüber dem „Staatsinteresse“ sozusagen „vordefinierte“, Prämissen sind. Damit sind wir bei einer der fundamentalen Grundlagen für das, was heute etwas phraseologisch als politische Korrektheit bezeichnet wird. Deshalb wird auch die Restdebatte, die zu solchen sicherheitspolitischen Themen noch geführt wird - vor 1989 haben die Fragen noch Hunderttausende in Bewegung gesetzt, wenn man etwa an die Demonstration im Bonner Hofgarten denkt - im Wesentlichen im engen Kreis der ohnehin „Eingeweihten“ geführt und auch dort nur unter kodierten Begriffen wie Friedenspolitik. Wie schon in den achtziger Jahren vermutet, verbirgt sich hinter friedenspolitischen Universalismen dann die nationale Abneigung der Deutschen zur Kriegführung unter bündnispolitischen, sprich amerikanischen Zielen. Denn bekanntlich geben die USA in der NATO den Ton, auch wenn deren Vorturner, wie der Generalsekretär Stoltenberg, dies vergessen machen wollen.

Das Weißbuch setzt diesen Zustand dann auf die heutige Lage um, konstatiert vielfältige Umbrüche und auch Machtverschiebungen:

„Das internationale System entwickelt sich zu einer politisch, wirtschaftlich und militärisch multipolaren Ordnung. Die globalen Machtverhältnisse verändern sich – Macht verschiebt sich innerhalb der Staatengemeinschaft, aber auch zwischen Staaten und nichtstaatlichen Akteuren.“

Und weiter an anderer Stelle:

„Die Staaten Europas haben – gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika – auf dem europäischen Kontinent seit Ende des Kalten Krieges eine einzigartige Friedensordnung geschaffen, der sich alle Teilnehmerstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verpflichtet haben.“

Es geht also um die Aufrechterhaltung dieser Nachkriegsordnung der USA und „der“ Staaten Europas, die u. a. durch Russland (konkret erwähnt) und China (indirekt als Bedrohung genannt) bedroht werde: China liege bei den Verteidigungsausgaben schon gleichauf mit denen aller EU-Staaten! Vergessen wurde, dass die USA fast dreimal soviel für Verteidigung ausgeben wie China und mit über 700 Mrd $ mehr als die anderen 10 größten „Konsumenten“ von Verteidigung einschließlich China und Russland, das gerade einmal ein Zehntel dessen ausgibt wie sein nordamerikanischer Rivale. Damit wird auch klar, wer diese Ordnung definiert und wessen Zielen sie dienen soll. Dem „Westen“, also einer Gruppe von Staaten unter Führung Washingtons. Und dieses „regelbasierte" System soll auch nach den Zielen Washingtons spielen: Zum Beispiel, wenn es um Maßnahmen des Wirtschaftsboykotts gegen Russland geht, weil dieses die eigenen Interessen gewaltsam durchsetze, wobei vergessen wird, dass es dabei um eine Durchsetzung in Gebieten mit russischer Bevölkerung und vor der eigenen Haustür geht, wo es direkt durch den „Westen“ herausgefordert wird. Möglicherweise werden auch wirtschaftliche Boykottmaßnahmen gegen China folgen - China könne 2030 möglicherweise ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung erbringen, heißt es im Weißbuch wohl nicht ganz zufällig. All dies berge die Gefahr, dass sich konkurrierende Ordnungsentwürfe für die Ausgestaltung internationaler Politik entwickeln.

Voilà, da ist es, das alte amerikanisch-europäische Privileg, die Weltordnung zu gestalten. Das Weißbuch als sicherheitspolitische Kursbestimmung der Bundesregierung konstatiert Umbrüche der internationalen Ordnung, die Deutschland aber unter der jetzigen politischen Führung eigentlich verhindern will. Und paradoxerweise: Obwohl Deutschland ganz eindeutig Profiteur dieser in Gang befindlichen Machtverschiebung ist oder besser gesagt war. Die Spatzen pfeifen es so heftig von allen Dächern, dass an dieser Stelle nicht noch einmal ausführlich auf die Bedeutung Chinas und anderer Staaten außerhalb der EU und Europas für den deutschen Außenhandel und mit diesem für denjenigen ganz Mitteleuropas eingegangen werden muss. Die zunehmende wirtschaftliche Boykottpolitik der USA und eines US-orientierten „Blocks“, unterstrichen durch Aufbau von militärischen Bedrohungsszenarien, gegen solche Staaten, die teilweise wichtige deutsche Handelspartnern sind, ist eben nicht im Interesse Deutschlands. Deutschland ist von einer Multipolarität der Welt in seiner Stellung nicht nur nicht bedroht, sondern es wird aufgrund seiner industriell geprägten Exportstruktur durch diese sogar begünstigt! Hier sind seit 1989 grundsätzliche Änderungen eingetreten: Die sowjetischen Truppen an der Elbe stellten vor 1989 zumindest temporär eine konkrete, auch systemische Bedrohung für die damalige Bundesrepublik dar. Dagegen tut dies ein eigenes russisches Machtzentrum im multipolaren System der Welt, östlich der Beresina und in einem für die Bevölkerungszahl sehr großen Territorium mit strukturellen Schwächen von Wirtschaft und Administration gelegen, definitiv nicht, noch dazu, wo es sich im politischen System eher durch Eigentümlichkeiten des Landes als durch abstrakte Strukturen unterscheidet. Viel mehr noch gilt dies für China und andere. Insofern verfolgt die Bundesregierung eine Politik, die nicht die notwendigen Schlussfolgerung aus Veränderungen in der Lage der Welt und Deutschlands zieht, Veränderungen, die sie im Ansatz selbst analysiert.

Zurück zu den Drohnenkriegern. Der Ausflug in die „übergeordnete Ebene“ mag uns helfen, den Widerstand in der SPD-Fraktion gegen diese Art der Bewaffnung zu verstehen. Sollen diese Drohnen auf internationalen Schauplätzen zur Unterstützung eingesetzt werden? In Mali, in Afghanistan, wo es in keiner Weise deutschen Interessen entspricht, sondern der Durchsetzung eben des westlichen Nachkriegssystems oder möglicherweise französischen Sonderinteressen (Mali) dient? Oder sollen sie Teil eines Bedrohungspotentials der NATO gegen Russland werden, was ebenfalls nicht unseren Zielen dient, sondern ihnen sogar zuwiderläuft? Und damit gewinnen die Drohnen eine noch größere Dimension: Es geht um die Bewaffnung einer Armee überhaupt, deren Einsatzzweck und Aufgaben ganz eindeutig nicht primär dem Wohl der Nation dienen, die - horribile dictu - eine in deutsche Uniformen gekleidete Truppe des westlichen Imperiums sein soll, zumindest in ihren einsatzfähigen Teilen, eingebettet in eine Kommando- und Einsatzstruktur, die nur bedingt in Berlin mitgestaltet wird.

Umso unverständlicher die Klagen über die schlechte Bewaffnung der Bundeswehr auch in nationalen und konservativen Kreisen. Verständlich zwar, dass man sich um die Landsleute sorgt, die dort für Zwecke dienen, die sie vielleicht gar nicht wirklich verstehen oder durchschauen und die dafür ihr Leben in Gefahr bringen. Es ist unsere Aufgabe, dies, soweit es eben mit beschränkten Mitteln möglich ist, in der Gesellschaft deutlich zu machen, vielleicht auch im privaten Bereich, wenn die Frage virulent wird. Die Entsorgung dieser Fragen in eine Berufsarmee hat die Tendenz noch verstärkt, dass die Gesellschaft als solche an den Einsätzen dieser Armee nur bedingt Anteil nimmt. So müssen halt die Leute, die sich bewusst - aus welchen Motiven auch immer, vermutlich stehen die monetären Anreize dabei nicht an letzter Stelle - für den Dienst in dieser Armee entscheiden, mit den Widersprüchen und Folgen der beschriebenen Lage leben und leiden. Für die Gesellschaft und für den Bürger bleibt die zunehmende kognitive Dissonanz mit einer Verteidigungspolitik, die nicht mehr der aktuellen Weltlage und ihren Interessen entspricht. Einiges spricht dafür, dass sich auch der „Normalbürger“ bei ansteigender Spannungsintensität mit solchen Fragen beschäftigen muss, spätestens dann, wenn sie seinen Wohlstand betreffen. Dann wird es an der Zeit sein, auch über Änderungen der Begründungszusammenhänge an der Spitze nachzudenken, was möglicherweise auch neue „echte“ Perspektiven für eine deutsche Armee eröffnen könnte, möglicherweise auch jenseits „des Bündnisses".

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