Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Wo anderenorts sich zumindest früher noch in der Regel die gesellschaftliche und intellektuelle Elite zur Arbeit einfand, ging und geht es noch immer in Deutschland eher bodenständig zu. Zeitversetzt galt dies sogar für beide Teile Deutschlands, als es unser Land noch doppelt gab.
In Ostdeutschland erklomm ein Schneider die Spitze des Außenministeriums und nähte mit heißer Nadel groben Stoff, während woanders subtil Fäden gesponnen wurden.
In Westdeutschland boxte sich gar ein Taxifahrer, ausgestattet mit nachweislich krimineller Energie, ins Auswärtige Amt.
Kurioserweise verbindet beide der gleiche Familienname. Zufall oder Omen? Auf verwandtschaftliche Verhältnisse läßt dies jedoch bei einem Namen nahe dem „no name“ kaum schließen, obwohl beide ähnlich prekären Verhältnissen entstammten.
Deutschland - das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, auch bei völlig fehlender Eignung. Ist uns das genetisch vorgegeben? Die Behauptung, daß in Deutschland die Zukunft durch die Herkunft prädestiniert wäre, dürfte anhand des Beispiels der beiden Angler überzeugend widerlegt sein. Diese Tendenz hat sich inzwischen weiter verfestigt. Auch im Unterbau, der früher noch eher dem traditionellen Bild entsprach und bei der politisch aufgesetzten Spitze via Geländerfunktion das Schlimmste verhinderte, hat sich das gesellschaftliche und intellektuelle Prekariat eingenistet. Die Leistungen deutscher Diplomatie spiegeln dies erschreckend wider.
Das Wort hat unser Freund Notan Dickerle:
Vom Schneider zum Außenminister – zum Tod des ehemaligen DDR-Politikers Oskar Fischer
von Notan Dickerle, Anwärter auf den Leuchtturmpreis für mutigen Journalismus gegen „Bunt“
Es muß nicht immer vom Tellerwäscher zum Millionär sein, es gibt andere Möglichkeiten, die soziale Leiter zu durchmessen. Der am 19. März 1923 im Sudetenland geborene Oskar Fischer entstammte einfachsten Verhältnissen und erlernte das Schneiderhandwerk, bevor er in den Zweiten Weltkrieg einrücken musste. Die sowjetische Kriegsgefangenschaft scheint ihn nicht traumatisiert zu haben, er machte nach seiner Freilassung im sowjetisch beherrschten Teil Deutschlands vielmehr rasch Karriere: nach Eintritt in FDJ und SED wurde Fischer mit nur 32 Jahren Botschafter der DDR im kommunistischen Bruderland Bulgarien. Nach einem Studium an der Parteihochschule der KPdSU in Moskau stieg er Mitte der 60-er Jahre zum Stellvertreter des Außenministers Otto Winzer auf; nach dessen Tod 1975 folgte er diesem nach und blieb bis zum April 1990 in dieser Position, als nach den ersten (und einzigen) freien Wahlen in der DDR Markus Meckel Außenminister wurde. Nach der Wiedervereinigung zog sich der damals 67-jährige Fischer konsequent ins Privatleben zurück und äußerte nur ganz gelegentlich Sympathie für die SED-Nachfolgepartei PDS. Er war ein Mann des kommunistischen Systems gewesen, aber kein Wendehals und gehörte auch nicht zu denjenigen, die im Nachhinein meinten, alles vorhergesehen oder gar gewusst zu haben. Im Gegensatz zu seinem Amtskollegen und Namensvetter Josef „Joschka“ war Oskar Fischer ein unspektakulärer Minister, „ein stiller Diplomat“, wie ihn das bis heute DDR-freundliche „Neue Deutschland“ in einem der wenigen Nachrufe bezeichnet, die erschienen sind. „Trauer um Oskar Fischer“ – so titelte die ARD - erscheint im Hinblick auf seine exponierte Position in einem der beiden deutschen Unrechtsstaaten jenseits von Familie und Freunden nicht angebracht, Gedenken an eine politische Persönlichkeit Deutschlands hingegen schon. Mit 97 Jahren ist Fischer am 2. April im Kreise seiner Familie gestorben und hat damit Helmut Schmidt als politischen Altersrekordler der Erlebnisgeneration unseres Landes überholt.
https://www.tagesschau.de/inland/oskar-fischer-gestorben-101.html