Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Als ich meinen Dienst in Moskau antrat, befand sich die Botschaft noch in einem imposanten historischen Gebäude mit zum Teil bemalten Decken und Wänden in der Nähe des zoologischen Gartens. Ein Traum, in dieser phantastischen Umgebung zu arbeiten.
Ich wohnte in Gehentfernung davon in einem eindrucksvollen Haus. Meine Wohnung mit hohen Stuckdecken, Säulen und Sprossenfenstern, die den Blick auf das direkt gegenüberliegende russische Parlament freigaben, war perfekt nach meinem Geschmack.
Zu meinem großen Bedauern wurde nach meinem ersten Jahr in Moskau die Botschaft an den Stadtrand verlegt. Dort hatte man einen häßlichen gesichtslosen modernen Gebäudekomplex mit den Arbeitsräumen der Botschaft und Wohnungen für die Diplomaten errichtet. Das Ganze hatte die Anmutung einer Justizvollzugsanstalt. Mein Entschluß stand sofort fest: Dort ziehe ich nicht ein! Dafür mußte ich jeden Tag Fahrten von und zum Büro in Kauf nehmen. Außer zwei anderen Kollegen und mir, wechselten alle anderen an die Peripherie der Stadt.
Immerhin nutzte ich die Räume zum Schluß noch als grandiose Kulisse eines Empfanges.
Ich konnte nicht ahnen, daß meine Entscheidung, im Zentrum Moskaus zu bleiben, mir noch dramatische Aussichten bescheren würde.
Eines Morgens wurde ich von dem Geräusch von Detonationen geweckt, die ich mir zunächst nicht erklären konnte. Ein Blick aus dem Fenster brachte nicht nur eine Überraschung, sondern auch die Erklärung. Das ob seiner Farbe „Weißes Haus“ genannte Parlamentsgebäude stand in Flammen. Der russische Bürgerkrieg befand sich in vollem Gange.
Nun galt es, sich zur Botschaft am Stadtrand durchzuschlagen, begleitet von Schüssen von Querschlägern. Zum Glück schaffte ich es jedes Mal heil hin und zurück.
Damals machte ich eine Erfahrung, die mir später erlaubte, Medienberichterstattungen von Brennpunkten auf der Welt realistisch einzuschätzen.
Aus Deutschland erreichten mich Anrufe, die ganz Moskau in Flammen wähnten. Allein schlimme Bilder waren auch damals schon gute Bilder für die Medien. Ich konnte dahingehend beruhigen, als sich die Kämpfe nur auf einen sehr begrenzten Teil der Stadt erstreckten, in dem ich allerdings wohnte. Draußen bekamen die Kollegen davon nichts mit. Auch der ganz überwiegende Teil Moskaus war ruhig und erlaubte ein normales Alltagsleben. Der Spuk war nach einigen Tagen relativ schnell vorüber.
Moskau im Umbruch der damaligen Zeit war ein beeindruckendes Erlebnis. Mit Bildern und Erfahrungen, die sehr einprägsam waren, wurde meine Standfestigkeit am alten Ort belohnt.
Der anliegende Artikel, der Michail Gorbatschows Leben und Wirken rekapituliert, beschreibt die Hintergründe der damaligen Auseinandersetzungen der verschiedenen Fraktionen.