Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Unser Freund Notan Dickerle verabschiedet eine schillernde Gestalt, die auf Erden durch viele Mäandern hindurch zu nicht durchgängig rühmlicher Bekanntheit fand. Popularität muß nicht notwendigerweise positiv sein und ist daher nicht unbedingt erstrebenswert. Dies sollte uns zum kritischen Nachdenken über Idole anregen, von denen die meisten auf einem Podest nichts zu suchen haben. Warum also stellen wir sie dorthin? Nur weil sie einen Superlativ verkörpern, auch wenn dieser negativ ist?
Zwischen Kohle, Kunst und Sex Appeal – Zum Tod des deutschen Autors, Bankräubers und Schauspielers Burkhard Driest
von Notan Dickerle, Anwärter auf den Leuchtturmpreis für mutigen Journalismus gegen “Bunt”
Vielen wird der Name Burkhard Driest nicht mehr geläufig sein, denn es war zuletzt still geworden um diese Kombination aus Kriminellem und Künstler, der in den Jahrzehnten vor der Wiedervereinigung als symptomatische Figur für eine zweifelhafte kulturelle Entwicklung im westlichen deutschen Teilstaat vorübergehend eine zweifelhafte Popularität genoss.
Geboren 1939 in Stettin (der erste Jahrgang, der in den Augen der 68-er als „clean“ galt!) erlebte er als Sechsjähriger Kriegsende, Einmarsch der Roten Armee, eine vom Vater organisierte Flucht in den Westen, die baldige Trennung der Eltern. Vielleicht würde die moderne Psychologie aus diesen Elementen eine „Posttraumatische Belastungsstörung“ herauslesen (wie heute bei so vielen „MUFl's“), in der frühen Nachkriegszeit war dies nicht der Maßstab, da galt es, die Zähne zusammenzubeißen. Driest wurde jedenfalls trotz guter schulischer Leistungen und Abiturs ein in zahlreiche Schlägerein und Händel verwickelter Halbstarker, dessen bevorstehender Universitätsabschluß in Jura (!) an einem Überfall auf eine Sparkasse scheiterte, für den er vom Landgericht Göttingen zu fünf Jahren Zuchthaus (das gab es bis zum Ersten Strafrechtsreformgesetz 1969 noch) verurteilt wurde. Driest brüstete sich später noch mit einem zweiten Bankraub, der ihm nicht nachgewiesen werden konnte.
Während seiner Haft in Celle begann er zu schreiben und veröffentlichte den autobiographischen Roman „Die Verrohung des Franz Blum“, der von Reinhard Hauff verfilmt wurde, einem der Vertreter des sog. „Autorenkinos“, des cineastischen Flügels der 68-er Bewegung: Opas sentimentales „Kintopp“ sollte durch sozialkritische, „häßliche“ Filme ersetzt werden, in denen Harmonie allenfalls noch bei der Paarung der Geschlechter (und auch da meist nur vorübergehend) erlaubt war. Driest spielte in der Produktion selbst mit und erregte das Interesse von Peter Zadek, einem progressiven Theatermann, der den Bankräuber an das von ihm geleitete Schauspielhaus Bochum engagierte. Dort reüssierte er als Schauspieler in der Marlon Brando-Rolle des Proleten Stanley Kowalski in Tennessee Williams „Endstation Sehnsucht“, einem Stück, das den Übergang einer aristokratisch geprägten Gesellschaft in den reinen, von kaum einer Etikette getrübten Kapitalismus (in Amerika) zum Inhalt hat.
Auch wenn Driest fürderhin mehr für das Fernsehen als für die Bühne tätig war hatte er den Anschluß an das kulturelle Establishment geschafft, ohne sich an sozialistische Ideen oder gar die DDR als das angeblich bessere Deutschland anbiedern zu müssen - ein Bankräuber hat im Bedarfsfall andere Quellen als die Enteignung des Klassenfeindes... Allerdings leistete er zu einer anderen kulturpolitischen Mode einen Beitrag, die bis heute hochaktuell ist: der Unsterblichkeit Adolf Hitlers (und mit ihm seiner willigen biodeutschen Vollstrecker) auf der Leinwand im Sinne des stets fruchtbar bleibenden Schosses bzw. der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, Deutschland und die Deutschen für immer unter Kuratel zu stellen. Das Drehbuch zu der 1978 entstandenen deutsch-amerikanischen Filmsatire „Son of Hitler“ stammt von Driest – die Idee angeblich von Udo Lindenberg: Adolf und Eva hätten demnach einen Sohn gehabt, Willi H., der, in abgeschiedener Bergwelt aufgewachsen, von nichts auf der Welt eine Ahnung hat (so ähnlich wie die Titelfigur in Jerzy Kosinzkis „Welcome Mr. Chance“), am allerwenigsten von seiner Abstammung. Böse Alt- und Neonazis wollen den Junior für die neue rechtsextreme Partei „N.E.I.N!“ (das Akronym steht für „Never Encourage Intellectual Nonsense“ - gar nicht übel!) instrumentalisieren, was gründlich mißlingt, denn dieser hat vom rhetorischen Talent des Papas nichts mitbekommen und entpuppt sich als naiver, friedliebender Menschenfreund. Der Film wurde in den USA ein Flop, in Deutschland ist er niemals angelaufen. Der Streifen „Er ist wieder da“ aus dem Jahr 2015 – in der Regie des deutschen Diplomatensohnes David Wnendt – bediente die gleiche strategische Stoßrichtung zuletzt mit wesentlich größerem Erfolg, hat aber mit Burkhard Driest nichts zu tun.
Dieser erreichte den Höhepunkt seiner Bekanntheit wohl im Jahre 1974 im Gefolge der Talkshow „Je später der Abend“, bei der Romy Schneider Driest mit den Worten „Sie gefallen mir. Sie gefallen mir sehr!“ eine Art erotischen Ritterschlag erteilte, der sowohl in feministischen wie auch katholisch-puristischen Kreisen gar nicht gut ankam. Bankräuber haben eben in der Regel mehr Sex Appeal als Müsli-Joes, Latzhosenträger und Friedensbewegte.
Am 27. Februar ist Burkhard Driest in Berlin gestorben, wohl nach längerer Krankheit und noch längerer Abwesenheit aus dem öffentlichen Leben. Die „weichen Themen“ und die Intrigen einer politischen Generation ohne Mumm in den Knochen und Eiern in der Hose hatten ihn wohl nicht mehr inspiriert.…