Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
“Gott ist tot.” sagen heute auch Gläubige und betrauern mit allen anderen den Tod des sympathischen Pragers Karel Gott.
Wer geneigt ist, Karel Gotts Art der Musik als minder anspruchsvoll abzutun, dem sei Leonard Bernsteins Aussage ins Gedächtnis gerufen, wonach es nur gute und schlechte Musik gibt.
Karel Gott, mit seiner göttlichen Stimme, hätte - ähnlich wie Whitney Houston und Mireille Mathieu - auch ein anderer Weg offen gestanden. Mit seiner Wahl hat er viele erreicht, die ihm im ernsten Fach vielleicht die Gefolgschaft versagt hätten. Gerade im Bereich der “leichten Muse” fällt echtes Talent wahrscheinlich noch mehr auf, da es dort weitaus seltener anzutreffen ist. Singen gehört, neben Malen und Kochen, zu den Disziplinen, an die sich viele heranwagen, obwohl nur wenige dazu berufen sind. Leider wird auf diesen Gebieten auch einfach nur Kurioses, Mittelmäßiges und Banales viel zu hoch honoriert.
Wer wäre berufener als unser Freund Notan Dickerle, selbst ein begnadeter klassischer Sänger, zum Tode von Karel Gott die richtigen Worte der Würdigung zu finden.
Einmal um die ganze Welt – zum Tod des tschechischen Sängers Karel Gott
von Notan Dickerle, Anwärter auf den Leuchtturmpreis für mutigen Journalismus gegen „Bunt“
„Einmal um die ganze Welt und die Taschen voller Geld, davon hab‘ ich schon als kleiner Bub geträumt“ schmetterte Karel Gott, die „goldene Stimme aus Prag“ in einem seiner populärsten Schlager und bewies damit, daß kapitalistische Träume auch im Ostblock gedeihen konnten. Er konnte richtig singen und stellte mit seinem unverwechselbaren, etwas nasalen Crooner-Tenor die meisten Kollegen von der leichten Muse weit in den Schatten - stand er doch in der nahezu ausgestorbenen Tradition des Belcanto-Schlagers, deren klassische Vertreter wie Tino Rossi, Bing Crosby, Claudio Villa oder in Deutschland Rudi Schuricke längst aus dieser Welt geschieden sind. Albano Carrisi dürfte inzwischen der letzte Vertreter dieses Genres sein, bei dem das melodische Element regelmäßig wichtiger ist als der Rhythmus, der „Beat“ Nebensache und die Körper nicht vibrieren…
Als Elvis Presley oder Frank Sinatra des Ostens wurde Karel Gott oft bezeichnet – auch diese beiden Vorbilder standen in der Crooner-Tradition, aber auch für die Sehnsucht nach dem Glamour der freien, westlichen Welt. In seiner Heimat begann der junge Sänger, der ursprünglich Kunstmaler werden wollte, entsprechend als Interpret des Rock `n Roll. Daß er sich später als etablierter Künstler für die von der Kommunistischen Partei gegen die Bürgerrechtsbewegung und ihre „Charta 77“ gerichtete „Anticharta“ vereinnahmen ließ wurde ihm häufig verübelt, war aber wahrscheinlich Voraussetzung für die Fortsetzung seiner internationalen Karriere; auswandern kam für ihn nicht in Frage. Dezidiert Politisches ist von Gott ansonsten nicht überliefert, in den 70-er und 80-er Jahren war er hingegen einer der wenigen authentischen Botschafter der slawischen Welt im Westen, ein Sänger, der „eine Prise echter Ostblockexotik“ (so „Die Welt“ im Nachruf, 2.10.) in den Schlagermarkt einbrachte sowie die Erkenntnis, daß es auch im Kommunismus gewisse ideologiefreie Räume gab.
Erstaunlich genug, daß Karel Gott auch vor dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums wie in seinem Lied erträumt frei die ganze Welt bereisen durfte, ein freundlicher, gutaussehender Lebemann, der besonders in Deutschland und Österreich eine ungeheure Popularität genoss – keine Selbstverständlichkeit vor dem Hintergrund der historischen Spannungen mit der Tschechoslowakei (die damals noch nicht offiziös zu einem politisch korrekten „Tschechien“ eingedampft war). Aber der sprachbegabte Gott sang und sprach nahezu perfekt deutsch – ein leichtes „Böhmakeln“ pflegte er bewusst als Markenzeichen – und sorgte im Verein mit seinem Kollegen Peter Alexander in diversen Fernsehshows bisweilen sogar für ein wenig folkloristische Nostalgie bei den Senioren der Erlebnisgeneration. Die Verleihung der Hermann Löns-Medaille in Gold für besondere Verdienste im Bereich der volkstümlichen Musik an Karel Gott war 1983 kein Politikum.
In fortgeschrittenem Alter versuchte sich Karel Gott an neuen Lebenserfahrungen: mit 69 Jahren heiratete er seine Lebensgefährtin Ivana, im gleichen Jahr 2008 nahm er mit dem Rapper Bushido das Lied „Für immer jung“ auf, das Platz 5 der deutschen Singlecharts erreichte und mit zwei Goldenen Schallplatten ausgezeichnet wurde. 2010 spielte er sich selbst bei einem Gastauftritt in Bushidos autobiografischem Film „Zeiten ändern dich“. Anschließend schrieb Gott seine Autobiographie, die 2014 in Deutschland unter dem Titel „Zwischen zwei Welten“ erschienen ist. Weniger Glück hatte er mit seinem 2006 eröffneten Museum „Gottland“, das nach wenigen Jahren mangels Rentabilität geschlossen werden musste.
In den letzten Jahren kämpfte Karel Gott mit einer Krebserkrankung, die ihn im September in Form einer akuten Leukämie wieder einholte. In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober ist der sympathische, unkomplizierte Troubadour in seinem Haus in Prag verstorben.