Heimat und der diplomatische Dienst

in deutsch •  8 months ago 

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Als das Aussätzige Amt noch das Auswärtige Amt war, das deutsche Interessen in der Welt vertrat, gab es während der Auslandseinsätze Heimaturlaub. Zwei Wochen des Jahresurlaubes mußten nachweislich in Deutschland verbracht werden, um der Entfremdung der Diplomaten von ihrem Land entgegenzuwirken. Dies sollte verhindern, daß der kritisch-distanzierte Blick auf das Gastland verlorenging und gewährleisten, daß die Kenntnis des Landes, das man im Ausland vertrat, aktualisiert wurde. Bei manchen Kollegen waren Entfremdungstendenzen nach langjähriger Auslandsverwendung durchaus erkennbar. Sie wurden dann spöttisch als „Berufs…“ (Türken, Afrikaner oder was auch immer) apostrophiert, deren Kenntnisse des Gastlandes zwar geschätzt wurden, deren Urteil über dieses aber nicht mehr allzu viel Gewicht beigemessen wurde, da man um die positiv überzeichnete Tendenz wußte. Damit aber war ihre Arbeit in einem wichtigen Teil unbrauchbar geworden, da die Zentrale ihren Berichten keine Erkenntnisse über die tatsächlichen Zustände in dem betreffenden Land entnehmen konnte.

Einer meiner Mitbewerber für den diplomatischen Dienst wurde seinerzeit abgelehnt, weil er den ganz überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens im Ausland verbracht hatte, obwohl er ansonsten hervorragend qualifiziert gewesen wäre - u. a. gerade wegen seiner Auslandserfahrung. Man vermutete, daß bei ihm die Verankerung in Deutschland nicht mehr vorhanden wäre, und er damit ein Land verträte, mit dem er nicht wirklich vertraut wäre.

Während des Vorbereitungsdienstes wurden Reisen in verschiedene Teile Deutschlands unternommen, um sicherzustellen, daß die Jungdiplomaten zumindest die Zentren Deutschlands aus eigener Anschauung kannten.

Damals waren wir zu Hause in der Welt, aber in Deutschland fest verankert. Anders ergibt dieser Beruf keinen Sinn. Heimat und Weltläufigkeit sind keine Antagonisten, sondern Komplementäre.

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