Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Der Tod des deutschen Juristen und Diplomaten Murad Wilfried Hofmann (* 6. Juli 1931 in Aschaffenburg; † 12. Januar 2020 in Bonn) veranlaßt zu der Überlegung, wie typisch ein deutscher Repräsentant für sein Land sein muß.
Wilfried Hofmann, damals bereits im diplomatischen Dienst, konvertierte 1980 zum sunnitischen Islam. Neben seinem Beruf gewann er Reputation als Autor von Sachbüchern über den Islam und Bearbeiter einer Koranübersetzung. Dies brachte ihm die Stellung eines Exoten innerhalb und außerhalb des diplomatischen Dienstes ein. Gerne griffen Medien auf seine nicht alltägliche Vita zurück und berichteten darüber.
Ein Diplomat vertritt die Interessen seines Landes in der Zentrale des Auswärtigen Amtes und auf Auslandsposten. Dies bedingt, daß er sich mit seinem Land identifiziert und sich uneingeschränkt und loyal in seinen Dienst stellt. Je landestypischer er ist, umso einfacher wird es für ihn sein, diese Kriterien zu erfüllen. So weit die Sicht aus der Landesperspektive.
Auch seitens des Auslands erwartet man, unausgesprochen, einen typischen Deutschen anzutreffen. Kenntnisse der jeweiligen Landessprache bringen immer Sympathiepunkte ein. Ob die Reaktionen auf einen Konvertiten immer vorbehaltlos positiv ausfallen, ist nicht ganz eindeutig zu beantworten. Im Judentum würde dies sicher zum Teil als unerwünschte Anbiederung verstanden werden. Im Islam dürfte mit erheblich positiverer Einstellung zu Konfessionsübertritten zu rechnen sein. Hier besteht allerdings die Gefahr der Vereinnahmung des Konvertiten als „einer von uns“, einhergehend mit dem Versuch seiner Verpflichtung auf die Interessen der Glaubensgenossen.
Die im Dreijahresrhythmus erfolgende Rotation soll sicherstellen, daß niemand zum Berufs… wird. Interesse für das Gastland wird vom Dienstherrn erwartet, Sympathie dafür ist erwünscht. Damit sind aber schon die Grenzen erreicht. Eine Identifikation mit dem Gastland oder gar ein Loyalitätswechsel wäre mit der Aufgabe eines Diplomaten unvereinbar. Dieser darf nicht zum Anwalt seines Gastlandes mutieren und dessen Positionen vertreten. Vielmehr muß er objektiv und neutral die Situation im Gastland beobachten und darüber ungeschönt und mit gebotener Distanz nach Hause berichten.
So weit die Theorie. Die Wirklichkeit weicht bisweilen davon ab. Es gibt sie durchaus, die Kollegen, die in Laufe der Zeit - bisweilen von ihnen selbst unbemerkt - zu Berufstürken, Berufsägyptern, etc. geworden sind. Ihre Berichte werden infolgedessen im Auswärtigen Amt mit ausgeprägterer Skepsis und größeren Vorbehalten zur Kenntnis genommen und leichter gewichtet. Die Gefahr der allmählichen Gewinnung von Distanz zum eigenen Land und der Zunahme der Affinität zum Gastland steigt bei mehreren Einsätzen im selben Land. Hier gerät der auswärtige Dienst regelmäßig in einen schwierig aufzulösenden Zielkonflikt der Vermeidung dieses Effektes einerseits, und der Nutzung der speziellen Fähigkeiten (Landeskenntnis, Sprachkompetenz, Kontakte im Gastland) der Kollegen andererseits.
Die Kernfrage geht dahin, wann die Grenze überschritten ist, jenseits derer jemand nicht mehr die Interessen des Landes und der ihm typischerweise eigenen Werte vertreten kann. Das wird man im jeweiligen Einzelfall entscheiden müssen, wobei das Grundgesetz die Mindestanforderungen vorgibt.
Murad Wilfried Hofmann diente im Auswärtigen Amt in einer Zeit, als Deutschland noch ein anderes war. Wenn jemand seinerzeit gesagt hätte, der Islam gehöre zu Deutschland, wäre er zu Recht als weltfremder Spinner abgetan worden. Die Islam-Frage war aber auch noch nicht so explosiv aufgeladen, wie sie sich heute darstellt. Obwohl Murad Wilfried Hofmann damals im Auswärtigen Amt umstritten war, konnte man sich diesen singulären Exoten leisten, der in der Öffentlichkeit dem Auswärtigen Amt durchaus erwünschte Aufmerksamkeit eintrug.
Er war wohl in jeglicher Hinsicht eine Erscheinung mit vielen Facetten, Ecken und Kanten.
Von ihm wird die Aussage kolportiert, es könne nicht Sinn deutscher Außenpolitik sein, möglichst überall geliebt zu werden.
Zwar gehört die Sympathiewerbung für das Entsendeland im Ausland durchaus zur wesentlichen Aufgabe eines Diplomaten, allerdings nicht um jeden Preis, denn die Pflicht der Wahrnehmung der Interessen des Landes ist der Sympathiewerbung immer übergeordnet, wenn beide sich im Einzelfall miteinander als inkompatibel erweisen. Diesbezüglich müssen heute noch viele lernen, was Murad Wilfried Hofmann schon damals sehr richtig erkannte.
Murad Wilfried Hofmann reist mit leichtem Gepäck seiner letzten Destination entgegen. Nach islamischer Tradition erfolgt die Bestattung ohne Sarg.
Wir wünschen ihm guten Flug, und daß er am Ziel angekommen das finden möge, woran er glaubte.
Ich danke an dieser Stelle sehr herzlich unserem Freund Notan Dickerle, der diese schillernde Persönlichkeit einmal erleben konnte, für die Hintergrundinformationen, die mir in Ermangelung einer persönlichen Begegnung mit dem Verstorbenen fehlten.