Käse, Uhren und gute Dienste

in deutsch •  4 years ago 

Isabella Klais / Aufbruch -Wir für Deutschland!

Es wäre fast schon eine Überraschung gewesen, wäre das Angebot ausgeblieben. Wenn zwei oder mehrere sich streiten, ist die Schweiz nicht fern.
Gute Dienste stellen traditionell, neben Käse und Uhren, einen der Schweizer Exportschlager dar.

Der Konflikt um Explorations~ und Extraktionsrechte im Mittelmeer zwischen Griechenland und der Türkei hat die Schweiz auf den Plan gerufen mit der Offerte eines Mediationsversuches. Schweizer Medien propagieren - offensichtlich im Auftrag ihrer Regierung - ihr Land als den prädestinierten Vermittler in dieser Kontroverse. Dabei scheinen sie allerdings berechtigte Selbstzweifel nicht recht unterdrücken zu können. Einen Rest an Seriosität haben sie sich wohl doch noch bewahrt.

Zwar trifft es zu, daß ein Mediator keine eigenen Interessen in einem Streitfalle verfolgen darf und für alle Beteiligte als unvoreingenommen akzeptabel sein muß. Verfügt er jedoch über keinerlei Anreiz~ oder Druckpotential, um Bewegung in die Sache zu bringen, steht er auf verlorenem Posten. Die Zeiten des Wiener Kongreßes und der ehrlichen Makler gehören einer fernen Vergangenheit an. Die Bereitstellung von Konferenzfaszilitäten auf neutralem Boden mit Botendiensten zwischen den Kontrahenten erscheint im digitalen Zeitalter als Anachronismus. Wie aus der Zeit gefallen wirkte daher auch die Berliner Libyen-Veranstaltung mit erwartungsgemäß folgendem Fiasko.

Wer sich Vorteile von Verhandlungen verspricht, scheitet von selbst zur Tat. Wer darin keine Vorteile erkennt, läßt sich nicht darauf ein. Man muß schon sehr realitätsentrückt sein, um anzunehmen, ein kleines Land ohne Anreiz~ und Pressionsmöglichkeiten könnte daran etwas ändern. Die Auswahl an zur Verfügung stehenden Optionen und ihre Konsequenzen dürften den Beteiligten hinlänglich bekannt und bewußt sein. Daß die Schweiz dazu noch ein Kaninchen aus dem Hut zaubert, darf als ausgeschlossen gelten.

Die Ambitionen der Schweiz, im östlichen Mittelmeer den Weltfrieden zu retten, erscheinen selbst ihren Befürwortern als hilfloser Versuch am Rande der Lächerlichkeit, weswegen sie bereits in ihrer Empfehlung Rückfallpositionen einbauen. In einer Zeit der Interessenallianzen würde die Schweiz sich damit hoffnungslos überheben.

Irgendwie scheinen noch einige nicht verstanden zu haben, daß auch in der Diplomatie ein neues Zeitalter angebrochen ist. Dilatorische Formelkompromisse sind klarer Sprache und dem Einsatz von Machtfaktoren gewichen. Das braucht man nicht zu bedauern, da erstere sich oft schnell als brüchig erwiesen und nicht lange vorhielten. Eine realitätsbasiertere Herangehensweise verspricht ein nachhaltigeres Ergebnis. Man mag das als rauhere Sitten kritisieren. Zu mehr Effizienz trägt es in jedem Falle bei.

Die Schweiz ist jedenfalls gut beraten, sich künftig auf den Export von Käse und Uhren zu beschränken. Gute Dienste sollten aus dem Exportsortiment entfernt werden, denn sie sind in der heutigen Konstellation nicht mehr gut genug und entsprechen nicht mehr aktuellen Erfordernissen.

Anhang

Neue Zürcher Zeitung

    1. 2020

Die Schweiz will im östlichen Mittelmeer den Weltfrieden retten – das ist einen Versuch wert, auch wenn die Vorzeichen schlecht stehen.
Bern bietet der Türkei und Griechenland die Guten Dienste an. Die neutrale Schweiz wäre im Streit um Zypern und Erdgas als ehrliche Vermittlerin prädestiniert.

von Tobias Gafafer

Die Lage im östlichen Mittelmeer ist angespannt. Als wäre sie nicht schon verfahren genug, hat sich jüngst auch noch Frankreich in den Streit zwischen Ankara und Athen um Erdgasreserven eingeschaltet. Paris will seine Armeepräsenz in der Region ausbauen. Die Türkei lässt bereits seit längerem ihre militärischen Muskeln spielen, um den Europäern Zugeständnisse abzupressen. Damit belauern sich in der Region bald Kriegsschiffe von drei Nato-Staaten.

In dieser kniffligen Situation bringt sich nun die Schweiz ins Spiel. Aussenminister Ignazio Cassis hat seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu am Freitag angeboten, dass die Schweiz im Streit um Erdgasreserven, der vom Zypern-Konflikt überlagert wird, vermittelt.

Das Schweizer Angebot ist zu begrüssen. Es reiht sich ein in eine Serie von erfolgreichen Guten Diensten, die in einer volatileren Welt wieder stärker gefragt sind. Namentlich die USA sind des Lobes voll über das Schutzmachtmandat, das Bern für Washington in Iran wahrnimmt. Die Schweizer Diplomatie stellt sicher, dass es zwischen den beiden verfeindeten Staaten trotz der angespannten Lage einen Gesprächskanal gibt. Zudem spielte sie hinter den Kulissen bei mehreren Gefangenenaustauschen eine Rolle. Für die Schweiz haben die Guten Dienste den willkommenen Nebeneffekt, dass diese gute PR sind. Wiederholt konnte sie sich auf der internationalen Bühne profilieren.

Die Strategie des Aussendepartements (EDA) scheint sich auszuzahlen. Nach der Jahrtausendwende, namentlich unter der Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, verzettelte sich die Berner Diplomatie. Die gross angekündigte Genfer Initiative etwa, die im Nahen Osten Frieden bringen sollte, ist vor langer Zeit versandet. Wie bei der Entwicklungshilfe, wo der Bund in allen möglichen Ländern aktiv war, fokussiert sich das EDA nun stärker. Zu Recht: Die Schweiz soll sich dort engagieren, wo sie einen Mehrwert bringen kann.

Eine Vermittlung zwischen der Türkei und Griechenland würde diese Vorgabe erfüllen, auch wenn diese deutlich weiter geht als die Schutzmachtmandate. Die neutrale Schweiz ist glaubwürdig. Sie hat ihre Guten Dienste bereits früher ins Spiel gebracht, aber ihr Angebot angesichts der angespannten Lage erneuert. Als Nichtmitglied der Nato und der EU wäre sie für die Rolle als ehrliche Vermittlerin prädestiniert.

Entscheidend ist allerdings, dass die Schweiz nicht vorprescht, wie sie es bei Geheimgesprächen zwischen Israel und Syrien 2003 tat. Die Zustimmung aller involvierten Parteien steht gegenwärtig aus. Der türkische Aussenminister hat zwar das Schweizer Angebot begrüsst. Aber neben Ankara müssten auch Athen, Nikosia, die türkischzypriotische Seite sowie die Uno, die in der Zypern-Frage federführend ist, eingebunden werden. Dafür wäre Diskretion am besten, auch wenn sich dies schlecht mit dem Profilierungsbedürfnis von Politikern verträgt.

Vor allem aber wäre es überraschend, wenn die Schweiz es schafft, in einem derart verzwickten Konflikt allein zu vermitteln. Ohne Druck von Ländern wie den USA oder Deutschland, die auf die eine oder andere Seite Einfluss nehmen können, ist eine Lösung schwer vorstellbar.

Frühere Erfahrungen der Berner Diplomatie sind ernüchternd. Bereits beim letzten Anlauf zur Lösung des Zypern-Konfliktes spielte die Schweiz eine prominente Rolle. Nach mehrjährigen Verhandlungen scheiterte eine Einigung 2017 aber im letzten Moment. Seither haben sich die Spannungen zwischen den Konfliktparteien verschärft, und die Rahmenbedingungen sind nicht einfacher geworden.

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