Leisetreter und Lautsprecher

in deutsch •  3 years ago 

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

In Berlin wurden vor der ehemaligen Zentrale des Auswärtigen Amtes in der Wilhelmstraße Stolpersteine verlegt.

Stolpersteine erzielten bisher nur einen einzigen Zweck mit absoluter Sicherheit: Sie spülten jede Menge Geld in die Kasse ihres Erfinders Gunter Demnig.
Verständlicherweise sind sie auch unter Juden höchst umstritten, denn es gibt fürwahr würdigere und effektivere Formen des Gedenkens, als achtlos über die Namen der Opfer hinwegzulatschen - sie mithin mit Füßen zu treten, wenn auch ohne jegliche böse Absicht.
Menschen hasten in den Straßen zu ihren Zielen oder schlendern dahin mit dem Blick auf die Schaufensterauslagen oder Sehenswürdigkeiten. Den Blick zu Boden richten sie allenfalls bei Glatteis, Schnee oder Gehbehinderung. Tun sie es dennoch einmal und halten inne, werden sie alsbald zum Hindernis der übrigen Passanten. Zu der Erkenntnis, daß es sich so verhalten würde, bedurfte es keiner soziologischen Studien; man muß die Menschen nur einmal beiläufig im Alltag beobachten.
Und so drängt sich der unschöne Verdacht auf, es handle sich einmal mehr um ein Projekt der Bereicherung eines Einzelnen und zu dem alleinigen Zweck, der deutschen Gesellschaft Mittel zu entziehen - für welch unsinnige Sache auch immer.

Die Penetranz, mit der permanent unschuldige Generationen zur Erinnerung gemahnt werden, fördert inzwischen eher den Unwillen, dem Folge zu leisten, weil die Absicht dahinter nur allzu erkennbar durchscheint.

Drei Kollegen kommentierten die Aktion aus ihrer Sicht:

Kollege 1:
„Ich begrüße die Stolpersteine in der Wilhelmstrasse sehr. Aber- am Ende des Artikels irritiert mich StS Miguel Bergers Aussage etwas, da sie für mich den Eindruck vermittelt, dass sich offenbar hauptsächlich die Schwulen, Lesben und sonstigen, also wohl die Queren, und diese sich als farbige Diplomaten bezeichnende Gruppe, die mich als ehemaligen Namibiareferenten mit dieser Bezeichnung in umgekehrter Richtung an unselige Apartheidszeiten erinnern, sich für diese ehrende Erinnerung eingesetzt hätten. Und die "kleine Gruppe" der übrigen 98 bis 99 % nun offenbar als "off colour" zu nennenden Amtsangehörigen etwa nicht? Das ist bedrückend.“

Meine Anmerkung dazu:
Wenn tatsächlich 98 bis 99% der Kollegen sich noch in erster Linie den Tätigkeiten widmeten, zu denen sie eingestellt wurden, würde ich das erfreut registrieren und nicht bedauern. Es steht nur zu befürchten, daß es sich nicht so verhält, da das inzwischen Aussätzige Amt zusehends mehr verbuntblödelt und bis in die oberen Ränge gar jämmerlich verquotet. Die wenigen dem noch nicht entsprechenden Vorgesetzten werden die dienstfremden Umtriebe ihrer Mitarbeiter aus der bunten Quotenkaste kaum zu unterbinden wagen, wollen sie nicht selbst ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.
Ich selbst hätte während meiner Arbeit im Amt und meiner Aktivität in der Partei keine Zeit mehr für derartige Nebenbeschäftigungen erübrigt.

Kollege 2:
„Das gesamte Spektrum von Übereinstimmung, Opportunismus und Gleichgültigkeit - daran hat sich nichts geändert. Auch heute kennzeichnet das eher 99 denn 98% der AA-Angehörigen. Da hat sich nichts geändert - und wenn man ansonsten im Lande umherschaut, wieviele sich dem Zeitgeist entziehen, so scheint der Anteil der ÜOG im AA noch deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Da wird wohl schon bei der Nachwuchsrekrutierung etwas falsch gemacht (oder orthodox gedacht: richtig).
Unvergeßlich ist mir auch, wie ein inzwischen 96-jähriger Botschafter a.D., der sich immer noch völlig mit dem AA identifiziert, vor einigen Jahren in einem Gespräch, in dem ich beklagte, wie sich das AA sehenden Auges über Recht und Gesetz hinwegsetzt, antwortete: "Was heißt hier Rechtslage? Wir tun das politisch Richtige." Er wurde in den 50er Jahren im AA sozialisiert.“

Meine Anmerkung dazu:
Wie wahr! Schleimer, Schleicher und Duckmäuser bevölkern dieses Haus.
Den wichtigsten Mitarbeiter, den ich dort als Attachée sofort, da omnipräsent, kennenlernte, war der Schwarze Peter, den es nach Warnung der dienstälteren Kollegen unbedingt zu vermeiden gelte. Ich fragte mich alsbald, ob ich unter die Schieber geraten war, oder ob auch einmal kreative inhaltliche Leistungen gefragt wären.
Mir in erfreulichster Erinnerung bleibt als echtes Rollenmodell Botschafter Frank Elbe. Dieser eindrucksvoll souveräne und brillante Kollege bot dem Schandfleck Fischer mutig und offen paroli - u. a. in Sachen Erinnerungskultur an verstorbene Kollegen aus der Nachkriegszeit. Dafür entließ ihn der Abschaum im Amt aus selbigem. Eine echte Auszeichnung für Herrn Elbe, dem für sein Verhalten höchster Respekt gebührt.
Ein Hackschreiberling in Wikipedia beschreibt ihn als arrogant, hochmütig, anmaßend und überheblich. Ich habe ihn ganz anders kennengelernt. Auf einer Zugfahrt noch ganz zu Beginn meiner Laufbahn war ich in die Zeitung vertieft, als hinter mir plötzlich eine sonore Stimme mit „Guten Tag, Frau Kollegin!“ ertönte. Als ich mich umdrehte, lachte mich ein großer Herr freundlich an und stellte sich unverzüglich als Frank Elbe vor. Er war Mitglied der Auswahlkommission bei meiner Vorstellungspräsentation für die Einstellung in den diplomatischen Dienst gewesen und fand sehr anerkennende Worte darüber.
Herrn Elbes Vorbild sollten sich alle Kollegen in Erinnerung rufen, die im Untergrund laut vernehmlich unzufrieden grummeln, aber allenfalls unter Pseudonymen die Deckung zu verlassen bereit sind. Auch die schweigende Mehrheit stützt das Unrechtsregime und verhindert das Andocken anderer Kritiker. Für das Regime noch immer durch ihre aktive Tätigkeit fördernde Kollegen gilt das umso mehr.

Kollege 3:
„Ich gebe zu, was mich am meisten stört, ist die lapidare Bemerkung „ihre Weltläufigkeit hat die Diplomaten nicht davon abgehalten, der Diktatur zu Diensten zu sein ..“ usw. Hier wird doch mit dem ganzen (Halb-)wissen der Ex-post-Betrachtung Geschichte ihres vertikalen, sich in der Zeit entwickelnden Charakters beraubt und in ein horizontal verflachtes, angeblich für immer bestehendes Etwas der Gegenwart reduziert, die offensichtlich als das „ewig und immer endgültige universell wahre Maß aller Dinge" betrachtet wird. In diesem Sinne wird dann alles so dargestellt, als ob sich damals ein Kampf „Gut gegen Böse“ im Sinne eines manichäischen Weltbildes abgespielt hätte, nichts anderes und nicht mehr. Der Mensch in seiner Zeit kennt aber die Zukunft nicht, er kann die Tragweite von Entwicklungen nicht absehen. Und die Auseinandersetzung zwischen dem Reich und seinen Gegnern war eben auch, und vermutlich wesentlich mehr als die heutige, „gewollte“ Sicht der Dinge es wahrnehmen kann, eine machtpolitische. Patriotismus versus Moralität des Handelns sind Pole, die nicht nur in der Wilhelmstraße in einem Spannungsfeld standen, sondern auch in anderen Außenministerien dieser weiten Welt (Gab es da nicht irgendwo den Spruch „right or wrong my Country“?). Uns sind diese Spannungsfelder weitgehend erspart geblieben, weil wir vermeintlich immer auf der richtigen Seite stehen, wohlerzogen wie wir seit 1945 sind, aber vermutlich auch deshalb, weil wir so gut erzogen sind, dass wir meinen, uns die Vertretung eigener Interessen weitgehend ersparen zu können, also eigentlich die Substanz der Außenpolitik. Da sind wir nun und feiern dies.

In diesem Spannungsfeld mussten unsere Vorfahren ihre Entscheidungen treffen, nicht erste Reihe fußfrei, sondern mit allen Konsequenzen für ihr Schicksal. Jeder oder jede auf seine oder ihre Weise, sie waren vermutlich hin- und hergerissen zwischen ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl bzw. was sie damals als solches perzipierten, unter den Bedingungen der Zeit und ihrer moralischen Erkenntnis über die Schrecknisse für andere und für das Volk als solches, für das einzusetzen sie sich ja verpflichtet fühlten. Je älter ich werde, desto mehr schaue ich auf die Leute des 20. Juli, in deren Persönlichkeit diese Spannungen ja kulminierten. Dass es in einem Volk dann ein weites Spektrum von Charakteren gibt, vom reinen Opportunisten bis zum Überzeugungstäter für die Regierung bis hin zu dem im Widerstand ist selbstredend. Zurecht habt Ihr m.E. festgestellt, zumindest implizit, dass man auch an unsere Generation vielleicht einstmals die Frage stellen wird, warum wir das, was wir jetzt haben, so leichtfertig verspielt haben.

Zu suggerieren, „Widerständler“ hätten einfach so unter Absingen schmutziger Lieder die Wilhelmstraße verlassen können, wie es hier anklingt, ist das nicht anmaßend, auch wenn von mir vielleicht etwas karikierend dargestellt? Das hat im Dritten Reich nicht funktioniert , in der DDR nicht und auch in der Sowjetunion nicht, und es funktioniert so auch nicht in den USA und anderswo wie die Beispiele Assange oder Snowdon zeigen. Natürlich sind all diese Beispiele in ihrer Auswirkungen nur sehr bedingt vergleichbar. Aber die grundlegende Frage, wie sich der Einzelne zu einer politischen Bewegung oder Idee verhalten soll, hat sich immer wieder gestellt und wird es auch weiterhin tun. Abgesehen davon: Die Forderung, Widerstand leisten zu müssen (!) oder sich ansonsten mitschuldig zu machen, impliziert natürlich eine Art Kollektivschuld, die damit durch die Hintertür schleichend eingeführt wird. Zumindest in Deutschland! Man erinnere sich, da ist ja vor etwa 20 Jahren einer Generation im AA das Gedenken verweigert worden.

Also ein uneingeschränktes Ja dem Gedenken der unvorstellbaren Schrecken dieser Zeit, dem Gedenken auch den mutigen Leuten, die damals in der ein oder anderen Form Widerstand geleistet haben (auch hier kann oder muss differenziert werden). Aber bitte sehr ein differenziertes Gedenken auch den Kollegen (und Kolleginnen, falls es damals schon solche gab) , die den handelnden Personen in einer bestimmten, extrem schwierigen Epoche unserer Geschichte gerecht wird. Es geht letztlich um die Auffassung, dem handelnden Menschen in der Geschichte seiner Zeit zu erkennen (frei nach Ranke). Pauschalisierungen helfen da nicht. Auch nicht über angebliche „Seidenstrümpfe“, die ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind.

Ich weiß, als Konservativer habe ich da einen schweren Stand, in einer Zeit, da massenweise Denkmäler von den Sockeln gerissen werden, nicht nur in Deutschland, weil die dort versteinerten Personen der Perzeption des aktuell gängigen Universalismus nicht entsprechen. Aber eine der wichtigsten Lehren aus der Geschichte ist doch die der menschlichen Unvollkommenheit, die aber bei aller Tragik den Menschen menschlich erscheinen lässt, auch in seinem Irrtum und die nachfolgenden Generationen in dem Bewusstsein ihrer eigenen Fehlerhaftigkeit. Die Entsorgung der Geschichte und die Aburteilung der meisten der vorgängigen Akteure unter dem Diktum einer vermeintlich allwissenden Endzeit, die nur noch die Systemkonformität duldet und verabsolutiert, trägt doch schon wieder den Charakter des Inhumanen in sich.“

Meine Anmerkung dazu:
Zweihundertprozentige Zustimmung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an den Fall Kurt Waldheim mit all der mit dessen Behandlung verbundenen Perfidie und Ungerechtigkeit. Auch die DDR-Kollegen befanden sich in diesem Spannungsfeld zwischen Karriere und nutzlosem Widerstand Einzelner.

https://www.dw.com/de/stolpersteine-des-ausw%C3%A4rtigen-amtes/a-59747119

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