Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Die Ära der großen Proteste hielt man spätestens seit dem Ende des 20. Jahrhunderts für ein Relikt der Vergangenheit. Seit einigen Jahren leben sie wieder auf.
Das wirft die Frage auf, ob und ggf. wann und wie Proteste sinnvoll erscheinen.
Vermittels Demonstrationen verleiht die Bevölkerung oder ein Teil von ihr ihrer Unzufriedenheit über bestimmte bestehende Zustände Ausdruck mit dem Ziel, eine Veränderung zu erreichen. Ob für die Herbeiführung von Veränderungen die Wahl von Demonstrationen das geeignete Mittel darstellt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Je geringer der Anteil der Unzufriedenen an der Gesamtheit ist, umso mehr ist diese Gruppe auf Demonstrationen zur Artikulierung ihres Unmutes verwiesen, da sie über kaum eine andere Möglichkeit verfügt, sich Gehör zu verschaffen. Im günstigsten Falle gelingt so die Auslösung einer Initialzündung, die andere mobilisiert und eine Welle lostritt. Einigkeit macht stark; und Stärke verleiht Sicherheit. Die höchsten Hürden sind bei der Herstellung von Einigkeit zu überwinden. Sektierertum, persönliche Eitelkeiten oder zu hohe Ansprüche gleich zu Beginn haben schon so mancher Protestbewegung relativ schnell den Stecker gezogen (z. B. PEGIDA).
Stellen die Unzufriedenen die Mehrheit, steht ihnen die Auswahl unter mehreren Optionen zur Verfügung.
Demonstrationen mit der impliziten oder expliziten Androhung, diese erforderlichenfalls zu eskalieren, sind eine Variante. Diese empfiehlt sich, wenn ein Systemwechsel angestrebt wird.
Will man innerhalb eines Systems bleiben, besitzt in einer demokratischen Ordnung die Mehrheit die Möglichkeit, sich des Instrumentariums des Systems zu bedienen. Dies kann vermittels Wahlen oder durch die schleichende Übernahme des Systems geschehen (Marsch durch die Institutionen).
Die feindliche Infiltration stellt die größte Gefahr für eine Protestbewegung dar. Sie zu verhindern, ist gerade bei sich einstellendem Zulauf extrem schwierig (z. B. Gilets Jaunes - Gelbwesten). Dies stellt hohe Anforderungen an den inneren Kern der Bewegung. Mit entsprechender Kommunikation nach außen läßt sich zumindest Schaden begrenzen.
In jedem Falle aber muß die Mittel-Zweck-Relation beachtet werden. Die Art des Protestes darf keine Zweifel am Durchsetzungswillen aufkommen lassen und das Ziel nicht desavouieren, indem sie seine Ernsthaftigkeit in Frage stellt.
Dies bedeutet, daß der Protest von angemessener Intensität sein muß, um Warn~ und Störfunktion zu erzeugen. Ist er ungeeignet, spürbaren Druck auf die Gegenseite auszuüben, verläuft er ergebnislos im Sande. Je länger der Protest sich hinzieht, ohne an Fahrt zu gewinnen, umso eher droht ihm das Momentum abhandenzukommen (Proteste in Kandel).
Eine Demonstration darf nicht mit einem Volksfest verwechselt werden. Daher verbieten sich folkloristische Darbietungen. Wer ernst genommen werden will, muß zunächst sich selbst ernst nehmen. Die Seriosität des Auftrittes strahlt auf das Ziel aus.
Recht anschaulich läßt sich das Gesagte exemplifizieren am Beispiel des gestrigen Frauenprotesttages in der Schweiz, den man auch unter das Motto stellen könnte: „Wenn die Mehrheit sich zum Affen macht“.
Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung demonstrierte für mehr Teilhabe an der Macht. Dazu stellte sie Forderungen auf, mit denen sie sich selbst ins Abseits katapultiert. Mit kürzeren Arbeitszeiten verabschiedet man sich gerade aus seiner Position und überläßt anderen das Feld. Die Art des Protestes nahm karnevaleske Züge an. So treten Machthaber, bzw. Aspiranten auf die Macht, nicht in Erscheinung. Der Protest umfaßte gerade mal einen Tag, den man den Revoluzzerinnen zum Teil noch vom Urlaub abzieht. Realsatire! Übermorgen werden alle brav wieder an ihren Arbeitsplätzen erscheinen. Geändert haben wird sich nichts. Das Ganze wird ohne Resonanz und ohne konkreten Niederschlag verpuffen. Halt! Doch, es wird eine Änderung eintreten: Die Kasperinnen haben jegliche Autorität und Glaubwürdigkeit verspielt. Vor ihnen braucht sich wirklich niemand zu fürchten. Gratulation zu diesem Eigentor!
Dabei hätten sie als die Mehrheit der Bevölkerung alle Hebel in der Hand, um sich der bereitstehenden Instrumentarien zu bedienen. Doch sie haben es noch immer nicht gelernt. Schon das Wahlrecht konnten sie nicht für sich durchsetzen. Es wurde ihnen 1971(!) vom Europarat geschenkt, der der Schweiz mit Ausschluß gedroht hatte. Studentinnen organisieren sich heute in Verbindungen mit Namen, die eher an das Rotlichtmilieu erinnern („Vénusiennes“). So bestätigt man nur, daß der Platz fern der Macht der angemessene für einen ist.
Das war jetzt ein krasses Beispiel für eine Demonstration der Hilf-, Harm- und Machtlosigkeit einer Mehrheit nach dem Modell „alles falsch gemacht“, denn man hat dabei wirklich keinen einzigen Fehler ausgelassen.
Die Gelbwestenbewegung („Gilets Jaunes“) in Frankreich hatte vielversprechend begonnen und auch beachtliche Erfolge erreicht. Daß sie dann in eine Phase der Stagnation eintrat und seither orientierungslos vor sich hindümpelt, verdankt sie wahrscheinlich ihrer Unterminierung durch gegnerische Kräfte, die durch sinnlose Zerstörungswut die Bewegung diskreditierten.
PEGIDA scheiterte an persönlichen Animositäten und divergierenden Ansprüchen ihrer Exponenten.
Als Fazit läßt sich festhalten:
Das Ziel muß klar definiert sein und von allen Teilnehmern unkonditioniert mitgetragen werden. Darüberhinaus aber sind Ausgrenzung und Selektion die Feinde der Gewinnung von Masse. Die Gewinnung von Masse aber stellt die Grundvoraussetzung für die Eröffnung von Handlungsoptionen dar, die schließlich zum Durchbruch führen. Die Wahl der Vorgehensweise muß adäquat, aber flexibel sein. Bisweilen führen mehrere alternative Wege zum Ziel. Nicht der Weg ist das Ziel, sondern das Ziel steht im Fokus. Zu detailversessene Ansätze tragen ebenfalls den Spaltpilz in sich. Vieles läßt sich später noch klären. Zuerst gilt es, das Stadium zu erreichen, mit dem ein Später erst möglich wird.
https://www.suedkurier.de/ueberregional/wirtschaft/Frauenstreik-Schweizerinnen-gehen-fuer-mehr-Lohn-auf-die-Strasse;art416,10181802
https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/frauen-streiken-in-der-schweiz-fuer-mehr-gleichberechtigung-16236521.html