Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Die Aussage „Recht haben und Recht bekommen, sind zweierlei.“ ist bekannt. Darin kommt zum Ausdruck, daß Kläger häufig entweder einen Anspruch, über den sie verfügen, nicht beweisen können, oder daß Gerichte Recht und Gesetz falsch anwenden und so den Klägern den berechtigten Anspruch versagen.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGe) zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) muß nunmehr eine zusätzliche Variante eingeführt werden: Recht haben und Recht bekommen bleibt oft folgenlos.
Entlang seiner bisherigen Rechtsprechungspraxis zu EU-finanzpolitischen Fragen hangelt sich das Gericht auch hier wieder durch den Bedenkenwald und bleibt im Schwammigen stecken. Anders, als einer der Anwälte der Kläger meinte, hat das Gericht auch dieses Mal nicht gebissen, sondern nach dem Bellen nur etwas zaghaft genagt.
Rechtstechnisch erscheint es schon höchst kreativ bis abwegig, gegen die beklagte Partei zu entscheiden, ihr aber zugleich eine Brücke zu bauen, um das Urteil auszuhebeln.
Der EZB wird aufgegeben, die Verhältnismäßigkeit ihres Vorgehens darzulegen. Dazu dürfte ihr in gewundenen Worten schon etwas einfallen. Wer bezichtigt sich schon selbst unverhältnismäßigen Agierens?! Selbstverständlich wird die EZB den Standpunkt vertreten, implizit die nun eingeforderte Abwägung bereits vorgenommen zu haben.
Mit „Verhältnismäßigkeit“ als interpretationsbedürftigem Rechtsbegriff wird bereits viel Spielraum eröffnet. Nur wo das Gleichgewicht total aus den Fugen und in die totale Schieflage gerät, fällt die Feststellung leicht. Ansonsten aber ist vieles Wertungssache. Sollten die Kläger die Darlegung der Verhältnismäßigkeit durch die EZB aus deren Sicht nicht teilen, was zu erwarten ist, müssen sie erneut Klage erheben. Damit hat man ihnen Steine statt Brot geliefert. Mit ihrer Klage unterstellten sie ja bereits die Unverhältnismäßigkeit des bisherigen Handelns der EZB. Im Wege der ex-post-Betrachtung hätte das Gericht sich diese Frage schon selbst beantworten können, denn das Vorgehen der EZB und seine Folgen stehen fest.
Dieses Urteil beweist einmal mehr die fehlende Unabhängigkeit des höchsten Gerichtes, das nicht unvoreingenommen die Rechtslage prüft, sondern immer vorab einen Blick auf die politische Landschaft wirft, um im Endergebnis den dortigen Erwartungen zu genügen, oder zumindest nicht allzu sehr Sand ins Getriebe zu streuen. Das Gericht spricht nicht mehr Recht, sondern begnügt sich mit der Erteilung von Handlungsanweisungen des Inhalts, wie die Exekutive planmäßig ihr Programm durchziehen kann, ohne allzu evident in Konflikt mit Recht und Gesetz zu kommen, das bereits vorab regimefreundliche Auslegung erfährt.
Die Judikative hat abgedankt und ist zum Anwalt der Exekutive geworden. Die Gewaltenteilung wurde abgelöst durch die Gewaltenfusion.
Nicht unterschlagen werden soll in diesem Zusammenhang die Stimme unseres Freundes Erasmus Konsul, der die Sache unter leicht verändertem Blickwinkel kommentiert:
Es gibt sie noch, die nationale Kompetenz, auch wenn sie sich über das Bundesverfassungsgericht äußert: Das Urteil des BVG gegen den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB in der jetzigen Form. Auch wenn es kurzfristig nichts ändert, es war immerhin massive Kritik am EUGH und dessen vorangegangenem Urteil. Das BVG-Urteil wird natürlich jetzt dem Verdikt Blasphemie unterworfen werden, der Leugnung und Lästerung des einzig wahren europäischen Rechts, das selbstverständlich überirdischen Ursprungs ist, auch wenn es sich manchmal intellektuell unterirdisch manifestiert. Im Grunde ist natürlich die Differenz zwischen EUGH und BVG gar nicht verwunderlich: Der spätgermanische Michel hält ja aufgrund seiner historischen Prägung der Staatsgläubigkeit, ergänzt durch die reedukative Komponente der Nachkriegszeit (die für österreichische Exemplare dieser Gattung allerdings erst später eingesetzt hat, dafür aber umso massiver) Recht tatsächlich immer für etwas entrückte Materie. De facto ist Recht aber der Ausfluss national-kultureller Perzeptionen genauso wie deren historischer Ausprägung. Es ändert sich also sowohl in der horizontalen Ausprägung über die verschiedenen Ländern und Kulturen des Globus hinweg, aber auch in der - vertikalen - Zeitachse. Die Juristen mögen es mir verzeihen, aber das EUGH-Urteil ist somit sicherlich der Kompromiss aus einem Ringen oder Machtkampf dieser unterschiedlichen Auffassungen von Geldpolitik oder vielleicht noch mehr, nämlich von Wirtschaftspolitik der unterschiedlichen Kulturkreise nördlich und südlich der Alpen. Es blieb dem Waldbauernbuben (man möge mir den Rückgriff auf eine Wortschöpfung aus der österreichischen Literatur in diesem Zusammenhang verzeihen, ich fühle mich sonst der Landwirtschaft durchaus verbunden) aus dem Allgäu, Theo dem Waigel, vor bald 20 Jahren überlassen, mit dem etwas tumben Versuch eines Stabilitätspaktes diesen kulturellen Gegensatz überwinden zu wollen, den ich schon damals als nahezu lächerlich empfunden habe. Dies umso mehr, als ich bis heute befürchten muss, er habe es ernst gemeint! Wie dem auch sei, jetzt ist es „raus“, auf höchstgerichtlicher Ebene. Ob es auch praktische Folgen haben wird, angesichts des immer noch nachkriegsmäßig umrissenen Status Deutschlands, wird man sehen. Vielleicht wird jetzt der Druck auf direkte Finanzierung oder Gemeinschaftshaftung (Stichwort Eurobonds) nochmals zunehmen.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/das-urteil-des-verfassungsgerichts-koennte-den-europaeischen-hilfsprozess-von-der-ezb-nach-bruessel-verlagern-ld.1555247
https://www.rnd.de/wirtschaft/ezb-urteil-querschlager-aus-karlsruhe-HMR5W6IJUJFHNFAUI7RIP55GHM.html
https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/europäische-zentralbank-karlsruhe-urteilt-zu-ezb-anleihekäufen/ar-BB13Bjwr?ocid=spartandhp