Rolf Hochhuth - ein Mahner und Aufklärer ist von uns gegangen.

in deutsch •  5 years ago 

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Rolf Hochhuths Name wird auch für literarisch wenig Bewanderte immer mit seinem Erstlingswerk verbunden sein: der Stellvertreter. Auch wer es nicht gelesen hat, kennt grosso modo dessen Inhalt.

Der Autor hat sich als investigativer Schriftsteller Reputation erworben. Später wurde sein Modell von anderen oft kopiert, aber kaum jemals wurde der von ihm gesetzte Standard erreicht. Er war ein Kunstschaffender mit einem Auftrag, der sich nicht mit Unterhaltung begnügte, sondern eine Mission damit verfolgte und erfüllte. Nicht die Kunst, um der Kunst willen, sondern Kunst als Vehikel mit transzendenter Zielrichtung.

Unser Freund Notan Dickerle hat Rolf Hochhuth dankenswerterweise in einem Nachruf gewürdigt.

Tod eines notorischen Moralisierers – der „Stellvertreter“ ist von uns gegangen

von Notan Dickerle, Anwärter auf den Leuchtturmpreis für mutigen Journalismus gegen “Bunt”

Es gibt Prominente, die glaubt man längst tot bis die Nachricht von ihrem Ableben daran erinnert, daß sie es bis vor ganz kurzem noch nicht waren. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth, der am vergangenen Mittwoch, 13. Mai im Alter von 89 Jahren gestorben ist, war zwar bis in die letzten Jahre noch aktiv, teilweise sogar in provokativer Pose, eine breite Öffentlichkeit erreichte er jedoch nicht mehr.
Berühmt wurde der Verlagslektor Hochhuth 1963 mit seinem Erstlingswerk „Der Stellvertreter“, einem fünfaktigen Drama mit dem Untertitel „christliches Trauerspiel“ - einer Anklage gegen Papst Pius XII., die ihm vorwirft, sich zu keinem Zeitpunkt demonstrativ und öffentlichkeitswirksam gegen die Judenvernichtung der Nationalsozialisten gestellt habe. Der Bertelsmann-Verlag, damals wie heute dem Zeitgeist verpflichtet, der zu Beginn der 60-er Jahre aber noch gut bürgerlich war, lehnte es ab, das Manuskript seines Angestellten zu drucken – moralisierendes Nachtreten gegen die geschlagene Kriegsgeneration alias Vergangenheitsbewältigung war damals noch unerwünscht. Der Rowohlt Verlag hatte weniger Bedenken. Die Uraufführung in (West-)Berlin in der Regie des Bert Brecht und dem politischen Theater nahestehenden Bühnendoyens Erwin Piscator führte zu einer kontroversen Debatte über Schuld und Sühne und trug zu einer Schwächung der moralischen Autorität der katholischen Kirche bei, während zeitgleich das Zweite Vatikanische Konzil lief. In Rom wurde die Aufführung des Stücks zeitweise verboten, in anderen Städten kam es zu Tumulten. Der „Stellvertreter“ machte es der jungen Generation („Trau keinem über Dreissig!“) zweifelsohne leichter, sich von überkommenen Traditionen ab- und lustvolleren, meist aus Übersee importierten Lebensformen zuzuwenden – „R&B“ und Woodstock statt den Talaren mit dem Muff von tausend Jahren...
Zwei Jahre nach dem „Stellvertreter“ bekräftigte Hochhuth mit dem Essay „Der Klassenkampf ist nicht zu Ende“ die politische Funktion des Schriftstellers, die seither mehr oder weniger zum Selbstverständnis dieses Berufsstandes geworden ist. Bundeskanzler Ludwig Erhard sah das 1965 noch nicht so und meinte, bei der Politik höre der Dichter auf, „da fängt der ganz kleine Pinscher an.“ Der Künstler als „Pinscher“ ist seither zum geflügelten Wort geworden, zum Schimpfwort für bürgerliche Intoleranz gegenüber dem Politischen in der Kunst.
Ende der Siebziger Jahre ging Hochhuth erneut auf Bewältigungstour und fand sein Opfer im damals populären Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Hans Filbinger, der wie beinahe alle Politiker der Erlebnisgeneration eine Funktion im Zweiten Weltkrieg hatte. Filbinger war Marinerichter gewesen und wollte sich an vier Todesurteile nicht mehr erinnern, die Hochhuth ausgegraben und literarisch verwertet hatte. Filbinger musste zurücktreten. Bei dessen Tod im Jahr 2007 biss der Schriftsteller noch einmal nach, als Ministerpräsident Oettinger seinen Vorgänger in einer Trauerrede als Ehrenmann beschrieb, der zumindest keine Todesurteile in Eigenverantwortung gefällt habe.
Zu dieser Zeit war es aber schon leise geworden um Hochhuth. „Wessis in Weimar – Szenen aus einem besetzten Land“ war 1993 ein Drama im Gefolge der Wiedervereinigung, das einem größeren Publikum zumindest dem Titel nach geläufig wurde. Kritisiert wird darin der Ausverkauf des Vermögens der DDR durch die Treuhand. Spätere Werke wie „McKinsey kommt“ - der Name des Unternehmensberaters dient als Synonym für Entlassungen – fanden nur noch geringe Beachtung.
Trotz seiner Vorliebe für die „Bewältigung“ der NS-Zeit sowie klassenkämpferische Themen war Hochhuth kein Mann der linken oder gar antideutschen Schablone. Mit dem (erfolglosen) Theaterstück „Soldaten, Nekrolog auf Genf“ schrieb er auch gegen Churchill und die Luftangriffe auf deutsche Städte im Zweiten Weltkrieg. Das Drama basiert auf Material des britischen Publizisten David Irving, mit dem Hochhuth trotz dessen Stigma als Holocaustleugner befreundet war. Gleichwohl hängt seinem Werk etwas Negativistisches an, die anklagende Pose findet sich durchgehend und wirkt nicht zuletzt dadurch wenig überzeugend. Heute findet sich diese Haltung bei sehr vielen Künstlern, die ihren Mangel an Charisma damit auszugleichen meinen, damit aber erst recht zu – Verzeihung! - Pinschern werden. Rolf Hochhuth war immerhin unter den ersten dieser Richtung, „he set a fashion“, weswegen ihm Ludwig Erhard nicht ganz gerecht wurde. Der „Stellvertreter“ wird einen Platz in der politischen wie der Literaturgeschichte behalten. Ob sein Autor jetzt auch den Vertretenen kennenlernen darf?

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/panorama/literatur-dramatiker-rolf-hochhuth-ist-tot/ar-BB144q8s?ocid=spartandhp

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