Rußland, der zweite Weltkrieg und die Ukraine

in deutsch •  3 years ago  (edited)

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

In einem Grundsatzartikel äußerte der russische Staatspräsident Wladimir Putin sich zum Verhältnis Rußlands zu der Ukraine und zu der heutigen Bedeutung des zweiten Weltkrieges für Rußland.

In den westlichen Medien wird aus seinen Worten eine Drohung herausgelesen, die diese nicht enthalten. Vielmehr formulieren sie eine Warnung vor der Mißachtung angestammter russischer Einflußgebiete und Interessen. Gleiches reklamiert der Westen schließlich auch für sich.

An den Vereinten Nationen hält Rußland, wie auch andere Staaten mit geschwundener Bedeutung, fest als Garantie einer Ordnung des Interessenausgleiches. Das ist insofern verständlich, als derzeit keine Aussicht besteht, diese überkommene und nicht mehr funktionstüchtige Struktur zu ersetzen.

Unser Freund Erasmus Konsul hat sich den Wortlaut der Ausarbeitung Wladimir Putins näher angesehen und kommentiert ihn dankenswerterweise.

Die Ergebnisse des zweiten Weltkrieges und ihre Bedeutung für Rußland aus dessen Sicht

von Erasmus Konsul

Der russische Präsident Wladimir Wladimirowirtsch Putin (WWP) setzt sich in einem Artikel insbesondere mit der Entstehungen des Zweiten Weltkriegs auseinander und bringt einige Fakten, die natürlich im Westen, in dem diese Auseinandersetzung gern mit einem „Schwarz-Weiß-Signum“, also Gut (der Westen) und Bös (Deutschland) versehen wird, ins Wanken. Natürlich ist es immer wieder schwierig, verschiedene Perzeptionen historischer Ereignisse auf einen Nenner zu bringen, dieser „ Nenner“ hat meist auch tagespolitische Konnotationen. Das tut auch WWP! Aber dennoch wird im Artikel Putins deutlich, dass die Dinge meist nicht so einfach waren, wie sie in deutschen Lehrbüchern dargestellt werden. Der Zweite Weltkrieg hatte ganz sicher eine große moralische Dimension, die Vernichtung von Millionen Menschen aus rassistischer Motivation heraus, aber er war, vor allem in seiner Entstehung eben auch ein machtpolitisches Spiel, vor allem auch eine Konsequenz von Versailles. Hier möchte man Schultze-Rhonhofs Aussage erahnen, der Krieg habe viele Väter gehabt. Das arbeitet WWPs Artikel deutlich heraus! Darüberhinaus liest der Artikel sich wie ein Plädoyer für die Prinzipien der Siegermächte und der von ihnen, zumindest konzeptionell geschaffenen Ordnungsprinzipien, die sich - cum grano salis - unter dem Schlagwort Vereinte Nationen oder UNO zusammenfassen lassen. Unter dem Diktum, dass die Sowjetunion ihren Anteil an der Niederringung Deutschlands in einer legitimen Berücksichtigung ihrer Interessen widergespiegelt sieht. Insofern bleibt Putins Argumentation summa summarum im Rahmen einer progressivistischen Interpretation der Weltgeschichte, die dem westlichen Ansatz nicht diametral widerspricht, auch wenn Konservative Ansätze wie die Berufung auf den sowjetischen, sprich russischen, Patriotismus ganz bestimmt auch eine konservativen Akzent setzen. Besonders hebt WWP in diesem Zusammenhang auch den Anteil der russischen Opfer hervor: "Die UdSSR verlor jeden siebten Bürger, das Vereinigte Königreich verlor einen von 127 und die Vereinigten Staaten verloren einen von 320.“ Aber im Kern bleibt WWP bei dem Bild, das die Siegermächte im Nürnberger Prozess zu vermitteln suchten und wendet sich dementsprechend gegen Versuche, diesen Konsens in Frage zu stellen, indem etwa damalige Unterstützer der Deutschen (der Nazis, wie er es nennt) wie Bandera in der Ukraine heute mit Veteranen des Zweiten Weltkrieges gleichzusetzen.

Aber es bleibt dabei: "Die wichtigste historische Errungenschaft von Jalta und anderen Entscheidungen dieser Zeit war es, sich auf die Schaffung eines Mechanismus zu einigen, der es den Großmächten ermöglichte, bei der Lösung ihrer Differenzen im Rahmen der Diplomatie zu bleiben.“ Oder auch: "Was ist das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat? Um es ganz offen zu sagen: Das ist die einzig vernünftige Alternative zu einem direkten Konflikt zwischen den großen Ländern.“ Und nicht zuletzt: "Natürlich sehen wir, dass das UN-System jetzt unter Spannungen arbeitet und nicht so effektiv ist, wie es sein könnte. Aber die UNO erfüllt immer noch ihre Hauptaufgabe. Die Grundsätze des UN-Sicherheitsrates sind ein einzigartiger Mechanismus zur Verhinderung eines großen Krieges oder eines globalen Konflikts.“ Diese letzten Sätze sind eigentlich das Resümee des Artikels, nämlich ein Angebot zur Kooperation unter den Bedingungen von Jalta, wenn man so will, um eine Konfrontation zu verhindern, angereichert mit dem Vorschlag einer Agenda für Kooperation insbesondere hinsichtlich Umweltschutz und Wirtschaft bei der Überwindung der Folgen der Pandemie.

Die westliche Presse konzentriert sich allerdings mehr auf einen anderen Artikel von WWP, den er ebenfalls kürzlich veröffentlicht hat, über die Beziehungen Russlands zur Ukraine. Dort wird deutlicher WWPs Überzeugung, wie auch meine Überzeugung nach mehr als sechs Jahren, die ich in Russland verbracht habe, dass Russland und die Ukraine Länder der gleichen Zivilisation sind, das was unlängst ein Autor, den russischen Mir, die russische Welt oder den russischen Frieden genannt hat (das Wort hat beide Bedeutungen). WWP verweist auf die lange gemeinsame Geschichte Russlands und der Ukraine ohne zu verschwiegen, dass es auch Brüche gegeben hat, denen er aber kleinere Bedeutung zuweist. Er stellt ihre gemeinsame Kultur heraus, die Zugehörigkeit zur Orthodoxie. Und er setzt sich mit Polen auseinander, zumindest indirekt, was er auch in dem anderen Artikel über den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen macht. Etwas widersprüchlich verteidigt WWP einerseits die abgespaltenen Republiken im Osten der Ukraine, die niemals westliche Dominanz anerkennen würden, während er gleichzeitig kritisiert, dass der Ukraine eigentlich die Unabhängigkeit eben durch diese Dominanz in wirtschaftlicher und anderer Hinsicht insgesamt entzogen würde. Das Resümee wäre auch hier wesentlich nüchterner als es in westlichen Medien gezogen wird, in denen ideologisch jede Art von Nationalbewusstsein ad absurdum geführt wird, vor allem wenn es den amerikanischen Interessen widerspricht. Schade, dass auch ein bekannter Osteuropa-Historiker wie Kappeler sich solchen Tendenzen anschließt. Er müsste wissen, dass diese Art westlicher Ideologie östlich des Bug schlicht und einfach nicht salonfähig ist, man sich niemals westlichen Prärogativen unterwerfen wird. "And we will never allow people close to us living there to be used against Russia. And to those who will undertake such an attempt, I would like to say that this way they will destroy their own country.“ Letzteres ist vermutlich die entscheidende Ansage. Russland kann und will die Ukraine nicht „gehen“ lassen und es hat auch keinen Grund dazu, weil diese in ihrer Mehrheit zur russischen Zivilisation gehört.

So bilden beide Artikel in sich eine Einheit in Widersprüchlichkeit: Russland möchte als Sieger des Zweiten Weltkriegs respektiert werden und damit als ein entscheidendes Mitglied der internationalen Ordnung, wie sie in der Folge dieses Krieges in Form der Vereinten Nationen etabliert wurde. Und es besteht auf seinem „Einflussbereich“ deutlicher denn je, und ist bereit, diesen zu verteidigen, ebenfalls deutlicher denn je. Im Kern ist dies eine Ordnung der „Mächte“, der Staatensouveränität, die Russland fordert und der Einflussbereiche von Staaten, aber durchaus auch ein geregeltes Zusammenleben dieser Staaten. Wenn jetzt von Leuten wie Kappeler in diesem Zusammenhang der Begriff „Nationalismus“ fällt, dann fragt man sich in der Tat, ob er eigentlich die beachtlichen Ergebnisse seiner lebenslangen Forschungen zur ehemaligen Sowjetunion nicht verstanden hat oder dies aus anderen Gründen nicht tun will. Putin ist kein Kriegszündler, Militarist oder Extremist, sondern ein in der jahrhundertealten Diplomatie einer im internationalen Vergleich sehr erfolgreichen Großmacht geschulter Staatsmann, der zwar seinen Einflussbereich erweitern will, dabei aber auch bestimmte Grenzen nicht überschreiten wird und nicht zu radikalen Schritten geneigt ist. Er fordert auch nicht die Einverleibung der Ukraine, er weigert sich nur anzuerkennen, dass diese von dritter Seite zu einem militärisch-ideologischen Aufmarschgebiet gegen Russland gemacht wird. Und in der Tat, der nahezu totale Misserfolg, konstante Misserfolg seit gut 30 Jahren (!) einer ukrainischen Staatsidee auf „ westlicher“ Basis gibt ihm mehr als recht! In Berlin und Wien sollte man also eigentlich keinen Grund haben, ihm dies zu verweigern, es sei denn man will eben denen in Washington gefallen, die dabei andere Ziele verfolgen, nämlich unter anderem die, die die ihnen willfährige Presse WWP vorwirft: Aggressivität im Sinne der eigenen Sache.

https://www.dw.com/de/putin-formuliert-ukraine-doktrin-und-droht/a-58280641
https://www.anti-spiegel.ru/2021/ein-artikel-des-russischen-praesidenten-putin-russen-und-ukrainer-sind-ein-volk/

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ich sehe ja kaum news..., aber kann es sein das da wieder russland-hetze durch die medien geistert?? irgendwie erinnere ich mich da an was aus den letzten wochen....

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