Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Mit dem Rücktritt von Ministerpräsident Shinzo Abe geht in Japan eine Ära zu Ende. Der erste nach dem zweiten Weltkrieg geborene Regierungschef mit der längsten ununterbrochenen zweiten Amtszeit von acht Jahren setzte Maßstäbe in Japan, an denen sein Nachfolger gemessen werden wird. Dennoch verspricht die Nachfolge nicht undankbar zu werden, denn es bleibt noch viel zu tun, was auch dem nächsten Regierungsführer noch die Möglichkeit beläßt, sich in die Annalen einzuschreiben, in denen sein Vorgänger bereits seinen sicheren Platz einnimmt.
Als Vertreter einer neuen Generation sah Shinzo Abe keine Veranlassung mehr, die Rolle Japans über seine Historie zu definieren. Mit zukunftsorientiertem Blick verfolgte er eine ambitiöse Agenda. Nichts weniger als einen Platz in der ersten Reihe strebte er für Japan weltweit und in ausnahmslos jeder Beziehung an. Mit auf exzellenter Leistung beruhendem Selbstbewußtsein wollte er Japan als globale Führungsmacht mit dem Anspruch auf aktive Mitgestaltung der Weltpolitik empfehlen.
Politisch gelang ihm dies wenigstens ansatzweise.
Zwar hinderte die retrogewandte Opposition im Lande ihn an der Ablösung der Japan von den Siegermächten aufoktroyierten, pazifistischen Nachkriegsverfassung durch eine vom Volke demokratisch legitimierte, proaktive Version, doch wußte er bestehende Spielräume geschickt interpretativ zu nutzen, um Auslandseinsätze des Militärs zu ermöglichen und den Wehretat kontinuierlich zu erhöhen. Sogar über die Anschaffung von Atomwaffen wurde nachgedacht.
Shinzo Abe scheute nicht vor dem Besuch des Shinto-Schreines zurück, der als Symbol der Militarisierung Japans und wegen dort bestatteter Weltkriegsteilnehmer als umstritten gilt.
Anders als der neue Tenno, eine charakterlich nicht eben profilierte und schwache Persönlichkeit, lehnte der stolze Regierungschef eine Entschuldigung für japanische Kriegsvergehen ab, denn weder er, noch die von ihm Vertretenen, stehen für die Ereignisse der Vergangenheit.
Als Prätendent für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verharrt Japan - zusammen mit Deutschland - seit Jahrzehnten geduldig draußen vor der Tür. Auch die Revision der gegen Japan und Deutschland als Verlierer des zweiten Weltkrieges gerichteten Feindstaatenklausel der Vereinten Nationen läßt weiterhin auf sich warten. Vermutlich widerstrebt es dem drittgrößten Beitragszahler dieser Organisation, das einzig und sofort wirksame Druckmittel zur Überwindung dieser Stagnation einzusetzen: den Finanzhebel. Zuverlässigkeit, Korrektheit und Rechtstreue stellen Attribute dar, mit denen sowohl Japan, als auch Deutschland zutreffend assoziiert werden. Zur Durchsetzung von Zielen im Konzert der Staaten erweisen sie sich jedoch oft als hinderlich, weil andere eben andere Mittel zum Einsatz bringen, die die Guten schnell zu den Düpierten werden lassen. Und so suchen Japan wie Deutschland noch immer danach, die Rolle des wirtschaftlichen Giganten und politischen Zwerges abzustreifen, um ökonomische Kraft in politische Stärke zu übersetzen.
Shinzo Abe gelang es, sein Land erfolgreich aus der Migrationskatastrophe herauszuhalten und es damit zu bewahren vor unermeßlichem Schaden - politisch, ökonomisch, ökologisch, demographisch, soziologisch und unter dem Aspekt der inneren Sicherheit. So erhielt er Japan die Grundlage für seinen Ansatz „Klasse statt Masse“ als Voraussetzung von Exzellenz in jeder Hinsicht. Deutschland mit seinem Regime von Volksschädlingen wäre ein solcher Führer in dieser Situation zu wünschen gewesen.
Wirtschaftlich konnte Shinzo Abe den Abstieg Japans in den letzten Jahren nicht verhindern.
Mit seinem als „Abenomics“ bekannt gewordenen, wenn auch nicht eben innovativen Konzept der Flutung des Landes mit geliehenem Geld versuchte er dagegenzusteuern. Diese nachfrageorientierte Methode erwies sich als Holzweg, die Japan nicht aus der Rezession, aber hinein in extrem hohe Verschuldung führte. Er hätte es besser mit einer adaptierten „Reagonmics“, der weitaus klügeren angebotsorientierten Variante, versucht. So aber entschied er sich für den gefährlichen und unseriösen Ansatz, den auch die Europäische Zentralbank einschlug mit dem garantierten Ende in der Sackgasse.
In Shinzo Abes Amtszeit fiel die Atomkraftwerkshavarie, die das Land mit dem ihm eigenen stoischen Gleichmut, mit beharrlichem Fleiß und schicksalhafter Ergebenheit bewältigte. Dies war jedoch mehr das Verdienst dieser großartigen Bevölkerung, als ihrer Führung.
Die adversen Einflüsse von Corona darf man Shinzo Abe nicht anlasten. Sie trafen das Land jedoch in einer Situation, in der es sich bereits auf dem Abstieg befand. Daß Corona Shinzo Abe auch noch der prestigeträchtigen und lukrativen Ausrichtung der Olympischen Spiele beraubte, ist von besonderer Tragik.
Wer immer ihn politisch beerbt, tritt in große Fußstapfen. Möge er mit noch mehr Dynamik auf dem politisch vorgezeichneten Weg fortschreiten und wirtschaftlich das Ruder herumreißen - hin zu einer soliden Finanz~ und Währungspolitik. Da Japan, anders als Deutschland, diese autonom gestalten kann, besitzt es dafür einen unschätzbaren Vorteil.
Shinzo Abe hat sich um sein Land verdient gemacht. Es ist bedauerlich, daß es ihm nicht vergönnt war, den eingeschlagenen Weg bis zum Erfolg zu gehen. Immerhin aber hat er Weichen gestellt und Ziele vorgegeben.
Für die Überwindung seiner schweren Erkrankung begleiten ihn unsere herzlichsten Wünsche. Nach vollem Einsatz hat er es verdient, sich jetzt ganz auf diese vielleicht schwierigste Phase seines Lebens konzentrieren zu dürfen.
Anhänge 1 bis 5:
https://taz.de/Ruecktritt-von-Japans-Premier-Shinzo-Abe/!5710517/
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/aus-gesundheitlichen-gr%C3%BCnden-japans-regierungschef-shinzo-abe-tritt-zur%C3%BCck/ar-BB18rVWC?ocid=msedgdhp
https://www.dw.com/de/japan-abenomics-bald-ohne-abe/a-54725674
https://www.welt.de/wirtschaft/article214518444/Geldpolitik-Japans-grosse-Sozialkrise-ist-ein-Menetekel-fuer-Deutschland.html
https://www.derwesten.de/politik/shinzo-abe-besucht-umstrittenen-shinto-schrein-id7474884.html
Anhang 6:
NZZ-E-Paper vom 01. September 2020
Japan zwischen Ideologie und Pragmatismus
von Sebastian Maslow*
Die nationalistische Agenda, unter der Shinzo Abe angetreten war, hat starke Befürchtungen erzeugt und doch eher schwache Resultate gezeitigt. Obwohl Japan sich emanzipiert hat, bleibt es dem Nachkriegspazifismus verhaftet. Gastkommentar von Sebastian Maslow
Das politische Wirken Shinzo Abes war geleitet von einer nationalkonservativen Agenda, welche ein ökonomisch und militärisch erneuertes, «starkes» Japan in Aussicht stellte. Der Verfassungspazifismus der Nachkriegsära sollte einem revidierten Staatsverständnis weichen, das sich nicht mehr an der dunklen militaristischen Vergangenheit des Kaiserreichs orientiert. Unter Rückgriff auf Krisennarrative, die das Bild eines militärisch schwachen und politisch dysfunktionalen Japan entwarfen, propagierte die politische Bewegung um Abe eine tiefgreifende nationale Erneuerung. Eine solche, so die Erzählung, könne nur durch eine Abkehr von den Normen und Prinzipien der Nachkriegsordnung erreicht werden. Im «neuen», «schönen» Japan, wie es Abe während seiner Amtszeit anpeilte, sollten zukünftige Generationen unbeschwert vom historischen Erbe der Kriegsjahre leben können. Dieser radikale Revisionismus sorgte nach der Rückkehr Abes an die Macht 2012 weitum für Ängste. Ein erstarkter japanischer Nationalismus und Militarismus, so die Sorge, würde Ostasien weiter destabilisieren.
Was bleibt?
Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass sich bereits lange vor der abrupten Bekanntgabe von Abes Rücktritt vom Amt des japanischen Ministerpräsidenten eine intensive Debatte um das politische Vermächtnis der Ära Abe entspann. War die Regierung Abe eine kritische Wendemarke in der japanischen Nachkriegsordnung? Wie nachhaltig wird das politische Wirken Abes sein? Und was bleibt von den fast acht Jahren nationalkonservativer Politik?
Innenpolitisch ist die Bilanz durchwachsen. Als geschickter Wahlkämpfer vermochte Abe nach Jahren kurzlebiger Regierungen seine konservative Liberaldemokratische Partei fest an der Macht zu etablieren und die politische Opposition nachhaltig zu schwächen. Obwohl er den verteidigungspolitischen Kurswechsel als politischen Imperativ konservativer Politik deklarierte, gelang es Abe auch nach intensiven politischen Debatten und trotz erdrückenden parlamentarischen Mehrheiten jedoch nicht, die Verfassung von 1947 mit dem Kriegsverzichtsartikel 9 als Kern des Nachkriegspazifismus zu revidieren.
Der schleichende Tod des japanischen Pazifismus freilich hat nicht erst unter Shinzo Abe begonnen, wiewohl es dem scheidenden Ministerpräsidenten mit seiner Politik gelungen ist, die Prinzipien des Verfassungspazifismus in weiten Teilen aufzuweichen. Unter Abes Führung wurde die Verfassung so uminterpretiert, dass es dem Land möglich wurde, sich an kollektiven Selbstverteidigungsmissionen zum Schutz von Bündnispartnern zu beteiligen. Mit dem neuen Mandat wurden auch die Verteidigungsausgaben stetig erhöht sowie neues Militärgerät angeschafft. Das Waffenexportverbot wurde aufgehoben, und neue Sicherheitspartnerschaften in der Region wurden geschmiedet. All dies erfolgte im Rahmen einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie, die einen «proaktiven Pazifismus» zum politischen Leitmotiv erklärte und Japans Rolle in der internationalen Politik als gestaltende Macht neu definierte.
Im veränderten geostrategischen Wettbewerb um globale Führungsstärke warb Japan nun für seine Vision eines «offenen und freien Indo-Pazifik». Ziel war es, Chinas Projekt einer «neuen Seidenstrasse» eine alternative Regionalordnung entgegenzusetzen. Japans Bemühen um neue strategische Partnerschaften in Asien, der Abschluss der Transpazifischen Freihandelspartnerschaft oder des Freihandelsabkommens mit der EU (und demnächst Grossbritannien) zeugen von einer neuen Rolle in der Sicherung einer liberalen internationalen Ordnung. Diese erscheint im Zeitalter eines global sich ausbreitenden Populismus der «starken Männer» in ihren Grundfesten erschüttert.
Kompromisslose Haltung
Der in der Innenpolitik vehement propagierte Wandel der Nachkriegsordnung war getragen vom Geschichtsrevisionismus einer breit aufgestellten nationalkonservativen Bewegung mit ihren zivilgesellschaftlichen und parlamentarischen Lobbyverbänden, an deren Spitze die ultrakonservative «Nippon Kaigi» und Abe stehen. Er hat die Beziehungen Japans zu seinen Nachbarn immer wieder stark belastet. Dies zeigte sich bei Besuchen hoher japanischer Politiker am umstrittenen Yasukuni-Kriegsschrein (2013 war auch Abe da) oder in den Versuchen, die Verbrechen der japanischen Kolonial- und Kriegsvergangenheit in den Schulbüchern zu verharmlosen oder auszublenden. Besonders eskalierte nach 2019 der Konflikt mit Südkorea. Im Mittelpunkt des Disputs steht nicht zum ersten Mal Japans historische Verantwortung gegenüber den zu Tausenden in Fabriken und Bergwerken versklavten koreanischen Zwangsarbeitern. Besonders bitter war das Schicksal der in Militärbordelle verschleppten jungen Koreanerinnen, der sogenannten «Trostfrauen».
Aufgrund von Abes kompromissloser Haltung gegenüber den Opfern der japanischen Gewaltherrschaft und wegen des formalistischen Beharrens auf bestehenden Verträgen erreichten die diplomatischen Beziehungen zwischen Tokio und Seoul ein historisches Tief. Der Modus Operandi der Regierungen beider Länder, die sich allerdings ideologisch in ihrer konservativen oder eben progressiven Orientierung stark voneinander unterscheiden, folgt einem Populismus, der breite Teile der Bevölkerung mobilisiert und so einen ausbalanciert-konstruktiven Dialog zur Beilegung der Streitigkeiten erschwert. Es offenbaren sich hier die Widersprüche der Abeschen Politik, die einerseits eine innere Abkehr von der Nachkriegsordnung versprach und andererseits am Ende durch diplomatische Fehden doch die Kriegsvergangenheit im politischen Diskurs der Gegenwart verankerte.
Auch Abes Versuche, durch enge persönliche Beziehungen mit Präsident Putin die Territorialstreitigkeiten mit Russland beizulegen und damit einen Friedensvertrag herbeizuführen, blieben ohne Ergebnis. Genauso erfolglos blieb Abes Bemühung, in der Frage der Entführungen eine Lösung mit Nordkorea zu erwirken. Während des Kalten Krieges hatte Pjongjang japanische Staatsbürger verschleppt, um diese unter anderem zur Ausbildung nordkoreanischer Agenten einzusetzen. Abe, der seine politische Karriere nicht zuletzt der Unterstützung der Opferverbände der Familien von Entführten sowie seiner resoluten Haltung gegenüber Nordkorea verdankt, erklärte die lückenlose Aufklärung und Rückführung aller entführten Staatsbürger zur Grundbedingung für Gespräche mit dem nordkoreanischen Regime und die Normalisierung diplomatischer Beziehungen. Mit dieser Haltung landete er im diplomatischen Abseits, als 2018 der amerikanische Verbündete im Umgang mit Kim Jong Un eine 180-Grad-Wende vollzog und mit direkten Gesprächen über die nordkoreanischen Atomwaffen Japans sicherheitspolitische Kerninteressen überging.
Trumps Transaktionslogik
Der Mythos eines starken Mannes an der Spitze Japans fing an zu bröckeln. Trotz unzähligen Zugeständnissen und dem Beschwören einer starken Allianz wurde klar, dass Abes enge Beziehungen zu Präsident Trump nur wenig politischen Ertrag abwarfen. Noch 2016 war Abe international und innenpolitisch gefeiert worden für seinen «Erfolg», enge Beziehungen zum politisch unkalkulierbaren Trump herzustellen und damit zu garantieren, diesen in die richtigen aussenpolitischen Bahnen zu lenken. Die Realität erwies sich schnell als eine andere: Trump kritisierte das militärische Bündnis mit Japan als zu teuer und forderte mehr finanziellen Einsatz von Tokio, und dies, obwohl Abe in dieser Richtung bereits tätig geworden war. In Trumps kruder Transaktionslogik standen Sicherheitspolitik und Wirtschaftsinteressen plötzlich auf demselben Blatt. Entsprechend massiv erhöhte sich der Druck auf Tokio, mehr Geld für amerikanische Truppen und Waffen auszugeben, ein Freihandelsabkommen mit den USA abzuschliessen und den Markt für US-Produkte zu öffnen.
Japans nationalkonservative Eliten um Abe teilen die Bedenken Trumps mit Blick auf Chinas geostrategische Rolle. Dennoch bezieht Japan bis jetzt keine klare Position im Konflikt mit Peking. China war und bleibt ein Schlüsselmarkt für japanische Unternehmen. Des Weiteren ist Japans Führung klar, dass der ökonomische Wiederaufbau nach Corona nur mit China gelingen kann. Schon deshalb ist eine Eskalation nicht im Interesse der exportorientierten japanischen Wirtschaft. Tokio wird auch nach Abe seine wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen im Umgang mit den USA und China sorgfältig zu kalkulieren haben.
Am Ende ist die grosse innenpolitische Wende auch unter Abe ausgeblieben. Somit haben sich die Befürchtungen in Hinsicht auf einen neuerlichen exzessiven japanischen Nationalismus zerschlagen. Die Ära Abe bedeutete vor allem eine Zeitenwende in der Aussenpolitik. Während Japans Verfassungspazifismus mehr oder weniger intakt bleibt, ist es dem Land gelungen, einen realpolitischen Pragmatismus zu entwickeln, der es ihm erlaubt, international eine politische Führungsrolle zu spielen. Wie nachhaltig dieser Wandel ist, wird sich unter Abes Nachfolger weisen müssen.
*Sebastian Maslow ist Hochschuldozent für Internationale Beziehungen an der Sendai-Shirayuri-Frauenuniversität, Sendai, Japan.
Klingt mir nach jemandem, der von Japan wenig Ahnung hat.
Shinzo Abe - nichts als heiße Luft und gebrochene Versprechen
Ein Jahzehnt verschenkter Zeit!
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Der ist doch sogar eine Marionette des tiefen Staats. Gut das er geht. Er hat wenig geleistet, was Japan nach vorn gebracht hätte.
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Seinem Staat zu Selbstachtung zu verhelfen, ist nicht gering zu schätzen. Wenn man mit einem Regime wie dem unseren gestraft ist, wird man bescheiden.
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Dann lassen Sie hören, wieviel mehr Ahnung Sie haben - und werden Sie konkret! Mit solchen billigen Kommentaren kann man nichts anfangen.
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