Sollen Arme oder Abgeordnete zu Fuß gehen?

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Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Dieser Ausspruch, wonach Arme zu Fuß gehen müßten, wenn sie sich keinen Fahrschein leisten könnten, wird der FDP noch lange nachhängen. Spätestens bei der nächsten Wahl darf sie ernten, was Stephan Thomae für sie ausgesät hat.

Indes ist nicht nachvollziehbar, warum Abgeordnete einen Freifahrschein erhalten, denn bei Diäten im fünfstelligen Bereich auf Monatsbasis kann man auch noch einen Fahrschein lösen oder bewegungsfördernd, wie vorgeschlagen, zu Fuß gehen, wobei sich vielleicht sogar die Wege mit Armen kreuzten, die ein wenig aus ihrem Alltag zu berichten wüßten, zu dem die Politikerlinge den Bezug verloren haben. Dabei unterscheidet oftmals die Vita von Abgeordneten und Armen nicht viel, nur daß erstere sich parasitär in die Politik mit Vollkaskoversorgung einzuschleichen wußten, um als Schulversager, Studienabbrecher, Pleitier oder Plagiator dem Schicksal der Armen zu entgehen. Damit waren die Weichen gestellt.

Im Leben ist es immer so, daß wer nichts zu verlieren hat, schwieriger zu belangen ist und so in gewisser Weise Narrenfreiheit besitzt. Gerecht ist das tatsächlich nicht. Da man die Armen schlecht auf den Haken bekommt, sollte man die anderen besser von diesem lassen, wo dies unschädlich und gefahrlos möglich ist. Beim öffentlichen Nahverkehr böte sich das geradezu an. Ohnehin werden nur wenige Porsche-Fahrer auf den Bus umsteigen, selbst wenn er kostenlos ist.

Beide Diskutanten vertreten hier Argumente, die - für sich genommen - valabel sind, sich aber relativ einfach miteinander kompatibel verbinden ließen, was wirklich selten bei einem Problem der Fall ist. Wer Milliarden mißbräuchlich ins Ausland verschieben kann, kann auch den Nahverkehr finanzieren. Daß FDP-Politiker sich vor diesem Hintergrund zu dieser Aussage hinreißen ließ, weist ihn als in diese Diskussion gesandt, aber nicht geschickt aus.

Ohnehin werden wir künftig mehr freie Gefängniskapazitäten brauchen, wenn die Abgeordneten dort Quartier beziehen.

Anlage

RT-DE
vom 20. Juni 2023

Teurer Nahverkehr: Laut FDP-Politiker Thomae sollen Arme "halt zu Fuß gehen".

Jeder sechste Inhaftierte sitzt in Deutschland wegen Schwarzfahrens ein. Betroffen sind fast nur sehr arme Menschen. Die Linke im Bundestag will darum das Delikt als Straftatbestand abschaffen. Die FDP ist davon wenig begeistert, denn wer sich Bus und Bahn nicht leisten kann, könne sie eben nicht nutzen.

von Susan Bonath

Während der deutsche Nahverkehr für weniger Betuchte immer mehr zum Luxus wird, füllen sich die Gefängniszellen im Land mit erwischten Schwarzfahrern. Etwa jeder sechste Inhaftierte soll inzwischen nur wegen dieses Delikts hinter Gittern sitzen. Denn neben dem erhöhten Beförderungsentgelt der Verkehrsbetriebe drohen Geldstrafen, und wer nicht zahlen kann, muss in Haft. Das sei "doppelte Verfolgung" meint Die Linke im Bundestag. Sie will das abschaffen und einige Experten sehen das ähnlich.

Nicht so manch Abgeordneter: Der FDP-Politiker Stephan Thomae, wie seine Kollegen im Parlament selbst Nutznießer eines Freifahrtscheins auf Steuerzahlerkosten für die 1. Klasse der Deutschen Bahn, pocht auf den harten Rechtsstaat auch gegen die Allerärmsten. Er findet: Wer sich Bus und Bahn nicht leisten könne, müsse "halt zu Fuß gehen".

Tausende Schwarzfahrer in Haft

Genaue Statistiken übers Schwarzfahren erhebt in Deutschland niemand. Aber die Berichterstattung lässt vermuten, dass die Zahl der Verstöße wohl stetig zunimmt. Zum Beispiel erwischten die Berliner Verkehrsbetriebe BVG 2010 rund 238.000 Delinquenten ohne gültigen Fahrschein. Im Jahr darauf waren ihnen bereits 290.000 und 2012 schon mehr als 300.000 Schwarzfahrer ins Netz gegangen, wie die Berliner Morgenpost 2013 berichtete. Sieben Jahre später, 2019, flogen bei Kontrollen der BVG bereits 343.000 blinde Passagiere auf, 280.000 weitere kamen in den S-Bahnen der Hauptstadt hinzu.

In die Haftanstalt müssen am Ende vor allem zahlungsunfähige Mittellose, oft mit psychischen oder physischen Erkrankungen, vielfach ohne festen Wohnsitz. Zwischen 7.000 und 10.000 Menschen soll es jedes Jahr treffen. Das belaste die Gefängnisse und die Staatskasse, privilegiere die Verkehrsbetriebe gegenüber anderen Marktteilnehmern, sei überzogen und richte sich vor allem gegen Arme, meint die Linksfraktion. Sie will das Delikt des Erschleichens von Beförderungsleistungen aus dem Strafgesetz entfernen. Am Montag debattierte der Rechtsausschuss im Bundestag über ihren Gesetzentwurf.

Auch die meisten Sachverständigen nannten das eine oder andere Problem beim jetzigen Rechtsstand. Irgendwie müsse der Gesetzgeber auch den Ärmsten Zugang zum Nahverkehr gewährleisten, zum Beispiel allerorts mit einem Sozialticket, das sie sich auch leisten könnten. Darin zumindest waren sich fast alle einig. Ganz anders sah es zum Beispiel FDP-Mann Thomae. Er stellte klar: Ist der Bus zu teuer, können Arme diesen eben nicht benutzen.

"Der muss halt zu Fuß gehen"

Im Ausschuss wandte sich Thomae an den Sachverständigen Arne Semsrott, Politikwissenschaftler, Journalist und Aktivist. Wörtlich gab ihm der FDP-Politiker zu verstehen: "Sie sagten, dass diese jetzige Mechanik zu einer Schlechterstellung armer Menschen führt, weil es in der Konsequenz Menschen mit geringen Einkommen und Vermögen trifft. Wenn wir das aber abschaffen, führt das nicht umgekehrt zu einer Besserstellung armer Menschen, weil sie das Delikt sozusagen sanktionslos begehen können?"

Es sei ihm klar, so Thomae weiter, dass viele Betroffene, die in Armut leben, schon das erhöhte Beförderungsentgelt nicht aufbringen könnten. Dann sei auch für die Verkehrsgesellschaften nichts zu holen. Zusätzlich hätten die Erwischten dann aber keine weiteren "schmerzhaften" Sanktionen zu befürchten. Der Abgeordnete fügte an: "Unter strafrechtlichem Aspekt kann es ja fast – ich will nicht zynisch werden, Sie wissen, was ich meine – zu einer Einladung werden: "Für euch ist es ja praktisch folgenlos, wer kein hohes Einkommen hat, der kann die Tat begehen, ohne strafrechtliche Sanktionen befürchten zu müssen." (…) Ich will wieder nicht zynisch sein: Wer sich etwas eben nicht leisten kann, kann so etwas vielleicht nicht beanspruchen. Der muss halt zu Fuß gehen, ja."

Thomaes ständige Einwürfe lassen vage erahnen, dass ihm ein gewisser Zynismus in seinen Ausführungen möglicherweise doch bewusst war, so etwa nach dem Motto des Spruchs, der – vermutlich zu Unrecht – der einstigen französischen Königin Marie Antoinette in den Mund gelegt wird: "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen."

"Ausnahmslos Menschen in Krisen betroffen"

Semsrott, der mit seinem Projekt "Freiheitsfonds" inhaftierte Schwarzfahrer aus deutschen Gefängnissen "freikauft", hatte zuvor ein paar Zahlen genannt. Demnach sitzen jedes Jahr 7.000 bis 10.000 Schwarzfahrer in den Justizvollzugsanstalten ein, mehrfach Erwischte teils über viele Monate. Für Geld hätten er und seine Mitstreiter bisher 838 Betroffene in die Freiheit zurückgeholt. Den Betroffenen habe er damit zusammengenommen 156 Jahre Haft erspart und dem Steuerzahler über zwölf Millionen Euro Kosten. Auch die Gefängnisse befürworten Semsrotts Aktion, wie der MDR kürzlich berichtete.

Der als Sachverständiger Geladene erläuterte, es treffe "quasi ausnahmslos Menschen in Krisensituationen". Fast alle deshalb Inhaftierten seien arm, viele hätten schwerwiegende psychische Probleme oder körperliche Leiden. Gefängnisaufenthalte stürzten dann die Betroffenen zumeist noch tiefer in die Not. Sie verlören ihre Wohnungen, Therapie- und Arbeitsplätze, manchmal auch ihre Kinder. Sie würden in der Haft "massiv entsozialisiert", was das Gegenteil von dem sei, was man zu erreichen vorgebe.

Die meisten Inhaftierten, denen Semsrott helfe, seien etwa dreimal ohne Ticket erwischt worden. Dafür hätten ihnen die Gerichte um die 30 Tagessätze Strafe zuzüglich zum Fahrpreisaufschlag von 60 Euro aufgebrummt. Dabei gehe es oft um einen Schaden für die Verkehrsgesellschaften von gerade einmal neun Euro, was das Strafmaß unverhältnismäßig mache. Er kenne einige Betroffene, wo dadurch akute Suizidgefahr bestanden habe.

Semsrott plädierte für das komplette Abschaffen der Strafverfolgung. Allein die Justiz könne dadurch seiner Einschätzung nach mindestens 100 Millionen Euro jährlich sparen. Zum Vergleich: Deutschlandweit wurde der jährliche Schaden durch Schwarzfahren 2018 auf etwa 250 Millionen Euro geschätzt.

"Abgeordnete können auch kostenlos fahren."

Auf Thomaes Einlassungen entgegnete Semsrott, der Vorwurf, wonach er angeblich für völlige Sanktionsfreiheit plädiere, sei ihm bekannt. Doch dies sei falsch.

"Es bleibt ja das erhöhte Beförderungsentgelt. Die Verkehrsbetriebe schicken da schon sehr rabiat Inkasso-Unternehmen hinterher. Nur wer nicht zahlen kann, bei dem ist dann eben nichts zu holen."

Man müsse grundsätzlich festhalten, so Semsrott weiter, "dass alle Menschen eigentlich ein Ticket kaufen, sich also regelkonform verhalten wollen". Manche könnten dies aber einfach nicht. Auch Thomaes Vorschlag, dass zu Fuß gehen solle, wer kein Geld hat, sei keine Lösung. Er betonte: "Es gibt ein Recht auf Mobilität und die Leute müssen auch ganz einfach mal irgendwo hin."

Vor allem in ländlichen Regionen gebe es keine Sozialtickets. Wer das Geld für den teuren Bus nicht hat, könne nicht einmal mehr zum Arzt, zum Einkaufen oder zum Jobcenter fahren. Außerdem seien sehr oft Obdachlose betroffen, die manchmal durch die Haft aus Drogensucht-Therapien herausgerissen würden. Andere verlören ihre Bleibe. Dann verhandele er mit den Gefängnissen darüber, was nach der Entlassung mit den Leuten passieren soll. Semsrott plädierte für einen kostenlosen Nahverkehr für alle.

"Die Bundestagsabgeordneten haben doch auch eine Netzkarte für die Bahn, mit der sie kostenlos fahren können. Warum dann nicht auch alle anderen?"

Bahnpreise steigen schneller als Einkommen.

Die Linksfraktion kritisiert in ihrem Gesetzentwurf zudem, dass Schwarzfahren härter bestraft würde als falsches Parken, das lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet werde. Auch sei ein großer Schaden für die Gesellschaft nicht ersichtlich. Wie alle anderen Gläubiger im Rechtsverkehr müsse es der Staat den Verkehrsbetrieben selbst überlassen, Delikte, durch die ihnen Einnahmen entgehen, auf dem zivilen Rechtsweg zu ahnden.

Semsrotts Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr wird anderswo schon umgesetzt oder angestrebt, in Luxemburg und Malta beispielsweise sowie auch in verschiedenen Städten Europas, wie die Deutsche Welle vor einem Jahr berichtete. In Deutschland hingegen steigen die Fahrpreise schneller als die Einkommen. Nach Berechnungen des Fahrgastverbands "Pro Bahn" hat sich das Bahnfahren seit der Euroumstellung im Jahr 2002 massiv verteuert. Bis 2020 kletterten demnach die Preise für kurze Strecken sogar auf mehr als das Doppelte, für längere Fahrten stiegen sie um etwa 65 Prozent.

Zum Vergleich: Die Sozialhilfe- und Hartz-IV-Sätze für Alleinstehende stiegen zwischen 2005 und 2020 um lediglich 25 Prozent von 345 auf 432 Euro. Die Nominallöhne, die nicht die gesunkene Kaufkraft einbeziehen, stiegen laut Statistischem Bundesamt zwischen 2008 und 2020 um etwa 28 Prozent, wobei gerade die unteren Einkommen großteils weit weniger zulegten. Und weil alles teurer wird, nicht nur Bus und Bahn, sinkt dabei der Wert der Löhne seit drei Jahren stetig. Die Zahl derer, die sich den Nahverkehr nicht leisten können, wird wohl weiter steigen. Nach dem Willen von FDP-Mann Thomae sollen sie alle zu Fuß gehen, so wie vor 100 Jahren. Fortschritt könnte man sich anders vorstellen.

https://rtde.site/inland/173107-teurer-nahverkehr-laut-fdp-politiker-thomae-sollen-arme-halt-zu-fu%C3%9F-gehen/

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