Tod eines Spötters: Wladimir Wolfowitsch Schirinowski

in deutsch •  3 years ago  (edited)

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Am 06. April 2022 verstarb in Moskau der in Kasachstan geborene Gründer und Parteivorsitzende der im russisch-nationalistischen Spektrum angesiedelten Liberal-Demokratischen Partei Rußlands (LDPR), Wladimir Wolfowitsch Schirinowski, wenige Tage vor Vollendung seines 76. Lebensjahres.

Der Turkologe, Politologe und Rechtsanwalt genoß durch seine häufig prononciert provokanten Äußerungen den Ruf eines politischen Originals, bei dem Ernsthaftigkeit und Satire oft ineinander verschwammen. Weil er es oft verstand, das Volksempfinden in Worte zu fassen, erfreute er sich durchaus einiger Popularität.

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Unser Freund Erasmus Konsul beschreibt das wie folgt:

Im Grunde ist es nicht falsch, Wladimir Schirinowski „überhaupt gar nicht zu ignorieren“. Seine Bedeutung liegt eher im Symbolischen als in realpolitischen Auswirkungen, aber natürlich ist auch das Symbolische ein Teil der Realpolitik. Will sagen, dass es ihm durch seine provokative Art, die aber nie so ganz bierernst herüber kam, die gelegentlich in der dialektischen Grauzone zur Clownerie oszillierte, gelang, etwas auszudrücken, was in den neunziger Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende 1991 die Menschen bewegte und verunsicherte: Seine Aussagen nährten oder waren Balsam für das angeschlagene russische Nationalgefühl, das durch eine bis dahin unbekannte und ungewohnte Schwäche des Staates, die plötzlich zu Beginn der Jelzin-Ära schlagartig nochmals schlimmer wurde, ganz abgesehen von den zwar lange schon begonnenen, aber in dieser ersten Hälfte der Neunziger sich schlagartig kumulierenden und für den Einzelnen fühlbaren wirtschaftlichen Probleme und Versorgungsschwierigkeiten. Das heißt nicht, dass die Leute, die ihn wählten - und er bekam 1993 immerhin mehr als ein Fünftel (!) der Wählerstimmen- genauso dachten wie Schirinowski, aber ein „bisschen“ eben. Vor allzu starken Angriffen wegen seines Antisemitismus mag in seine väterlicherseits jüdische Abstammung geschützt haben.

Sie fühlten sich zumindest verstanden. Er bündelte also Wählerstimmen, „beruhigte“ damit aber jenseits der Polit-Clownerie das Publikum und vor allem - er stabilisierte das System Jelzin, das insbesondere in den Wahlen 1993 ja auch vom „Westen“ gestützt wurde. Immer, wenn es darauf ankam, sorgte er dafür, dass Boris Nikolajewitsch die notwendigen Mehrheiten bekam. Deshalb winkten russische Gesprächspartner meist mit der landestypischen Bemerkungen „Igra“ ab, wenn auf Schirinowski die Rede kam, das sei alles ein Spiel. Und ganz unrecht dürften sie damit wohl nicht gehabt haben: In einem Land ohne parteipolitische Traditionen - jenseits der vormaligen Staatspartei, den Kommunisten, die aber bekanntlich eher als quasistaatliche Kaderorganisation fungierte - wurden andere damals agierende Parteien teilweise von oben aus der Retorte gehoben, wie der Verfasser hautnah erleben durfte. Warum soll es „auf Umwegen“ nicht auch mit Wladimir Schirinowskis Liberaldemokratischer Partei so gewesen sein?

Jedenfalls war Schirinowskis „Funktion“ sukzessive beendet, als sich eine neue nationale Führungsschicht mit der Machtübernahme durch Wladimir Wladimirowitsch Putin (re-)konsolidierte und der Einfluss des Westens in Russland - sprich vor allem der amerikanische - abnahm. Trotz oder wegen gelegentlicher weiterer rhetorischer Provokationen - etwa gegen die Ukraine, wurde er ein einigermaßen respektierter Politiker, wenn man in den russischen Nachrichtenagenturen liest. Seine Bedeutung war aber eigentlich mit dem Ende der „Smuta“, der Zeit der Wirren - wie die Jelzin-Jahre im Anklang an die Übergangsjahre nach der Ablösung der Rurikiden und vor der Machtergreifung der Romanow-Dynastie im Jahr 1613 manchmal genannt wurden - vorbei. Auch Spötter müssen sterben!

Anlage 1

Putin bei Begräbnis von Ultranationalist Schirinowski

Bei einer Trauerfeier haben der russische Präsident Wladimir Putin und Tausende Menschen in Moskau von dem prominenten Politiker Wladimir Schirinowski Abschied genommen. Putin zeigte heute bei seinem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit seit längerer Zeit am offenen Sarg Schirinowskis. Der Fraktionschef der ultranationalistischen Liberaldemokratischen Partei Russlands (LDPR) war am Mittwoch nach mehr als zwei Monaten im Krankenhaus an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Der als rechter Scharfmacher bekannte Politiker wurde 75 Jahre alt.

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Putin legt Rosen neben Schirinowskis Sarg.
AP/Kremlin Pool Photo/Sergei Guneyev

Schirinowski galt als einer der schillerndsten Politiker in Russland – auch wegen seiner undiplomatischen Reden, die er oft schreiend vortrug. Der Rechtspopulist war sechsmal bei den Präsidentenwahlen angetreten, zuletzt 2018, als er mit 5,65 Prozent den dritten Platz belegte. In Moskau begann unterdessen der Machtkampf um die Nachfolge des Vorsitzes in der LDPR, die eine von fünf kremltreuen Parteien in der Staatsduma ist.

Schirinowski wurde auf dem Prominentenfriedhof des Moskauer Neujungfrauenklosters beigesetzt. Zuvor hatte es geheißen, er werde bei seinen Familienmitgliedern auf dem Friedhof Trojekurowo beerdigt. Allerdings hatte er selbst den Wunsch geäußert, auf dem berühmtesten Friedhof Moskaus seine letzte Ruhe zu finden.

red, ORF.at/Agenturen

Anlage 2

https://rtde.site/russland/135563-russland-wladimir-schirinowski-im-alter/
https://rtde.site/russland/135652-wladimir-schirinowskis-beruhmteste-zitate-seine/

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