Venezuela den Venezuelanern!

in deutsch •  6 years ago  (edited)

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Unser Freund Erasmus Konsul, ein ausgewiesener Kenner Venezuelas, kommentiert hervorragend die derzeit dort herrschenden Zustände und die Positionierung Deutschlands dazu.
In der Tat rufen die bisher noch verbalen Interventionen und Sanktionen der USA erschreckende Assoziationen hervor, denn auch hier geht es wieder um Erdöl, auf dem offenbar eine Art Fluch liegt. Wo immer es vorkommt, ruft es die USA auf den Plan - fast immer mit fatalen Folgen für das ins Visier genommene Land.

Doch schauen wir, was Erasmus Konsul dazu ausführt:

Venezuela ist ein Land von großen Naturschönheiten, aber auch großen Kontrasten zwischen Arm und Reich. Die Bevölkerung hat sich seit den 60ziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf nunmehr 31 Mio nahezu vervierfacht, der Anteil der “Europäer” dürfte bei weniger als einem Fünftel liegen. Über zwei Drittel sind Mestizen und Mulatten. Venezuela zählt zu den erdölreichsten Ländern der Welt. Erdöl prägt die Wirtschaft des Landes und vor allem seinen Export.

Die Krise in Venezuela nimmt ihren Lauf, und die Bataillone formieren sich in gewohnter Weise: Mehrere EU-Länder , und natürlich Deutschland, unterstützen die Position von Parlamentspräsident Guaidó, des Herausforderers von Präsident Maduro, und damit auch die Haltung der USA, die dies schon unmittelbar nach dessen Selbsternennung zum Präsidenten getan haben. Auch mir ist Maduro nicht sympathisch. Ich stimme auch zu, dass Maduro kein Lichtblick der lateinamerikanischen Politgeschichte ist. Da reiht er sich aber ein in eine große Phalanx weiterer „Größen“ dieses Erdteils! Sicher hat er auch wirtschaftspolitisch aus unserer Sicht katastrophale Fehler gemacht. Aber wer sind wir, dass wir wissen, was gut für Venezuela ist? Die Demographie des Landes hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert, die aus Afrika stammenden und einheimischen indianischen Bevölkerungsteile haben zugenommen und vor allem: Sie verlangen ihren Anteil am Kuchen, dessen Verteilung bis zur Machtergreifung von Maduros Vorgänger Chavez 1999 - wie in vielen Ländern Lateinamerikas - der Tendenz folgte, je heller desto mehr. Betrachtet man Maduro und seinen Antipoden kann man ja sogar am Phänotyp festmachen, worum es da eben auch geht. Aber sehen wir doch, wie es ausgeht, solange sich das Land nicht aggressiv nach außen wendet. Wenn sich der Herausforderer mit Hilfe der USA durchsetzt, wird das Land zu einem korrupten Zustand zurückkehren, bei dem die Pfründe dann wieder anders verteilt werden als im jetzigen Zustand der Korruption. So war es ja vor Chavez auch! Nur dass die westlichen Firmen besseren Zugriff auf das Öl hatten. Jedenfalls ist ein guter Ausgang nach den tollen Beispielen in Libyen, Irak, Afghanistan und anderen nicht sehr wahrscheinlich. Besser wäre doch, dass die Venezolaner sich selber einen neuen Chef wählen, dem nicht der Makel anhaftet, irgendwo zwischen Washington und Virginia ausgewählt worden zu sein?

Das ganz grundsätzliche ist deshalb doch die Ablehnung einer Politik des „regime change“. Wer entscheidet dann am Ende, welche Staatschefs gerade abgesetzt, ermordet oder sonst irgendwie beseitigt werden? Wer verhindert, dass das nicht auch bei uns passiert? Oder kommen missliebige bei uns schon gar nicht an die Macht? Dann sind wir doch wieder bei der materialistischen Ideologie der Moderne, die behauptet, dass der heutige Zustand es „Westens“ die von allen weltweit anzustrebende Lebensform ist. Genauere Definition abzuholen bei den „Think Tanks“ der USA. Das führt zu der Deformierung ganzer Gesellschaften und Regionen, die dann auch der Boden für Terrorismus und Gewalt sind. Und es macht uns Europäer in einem Maße unglaubwürdig, das wir m.E. hier in Europa selbst gar nicht mehr einschätzen können, weil wir immer noch glauben, die Welt zu beherrschen oder zumindest ihr Nabel zu sein.

Last not least, die beiden vorherigen Punkte unter dem Gesichtspunkt unserer Interessen: Welches Interesse hat Deutschland, in Lateinamerika zusammen mit der EU die USA zu unterstützen?? Für uns geht es um Außenhandel und sonst aus meiner Sicht gar nichts. Gern auch Investitionen, wenn diese geschützt werden. Aber das ist Sache der Länder dort. Welches Interesse sollten wir eigentlich daran haben, dass Lateinamerika ausschließliches Einflussgebiet der USA ist und die dortigen Regierungen erst in Washington anrufen müssen, bevor sie einen Großauftrag nach Deutschland vergeben? Oder können wir am Ende gar nicht über unsere Interessen entscheiden?

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/usa-erhöhen-den-druck-auf-maduro/ar-BBSRWay?MSCC=1548730994&ocid=spartanntp
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Guter Artikel dazu über die Interessen der USA und wie die die Geschehnisse lenken hier:
https://www.voltairenet.org/article204935.html

Danke sehr! Sehr aufschlußreicher Artikel!

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Wie ich hier schon mehrfach dargelegt habe, halte ich es erstmal für entscheidend, was für den Durchschnittsvenezulaner dabei herauskommt. Welchem -ismus die neue Führung anhängt, ist eher zweitrangig.
Denn, mal ehrlich, in welchem Land ist denn die Führungselite nicht korrupt? Falls Dir dazu doch jemand einfällt, dann liegt das wahrscheinlich an einem Mangel an Gelegenheit.
Wichtig bleibt doch nur, ob die Allgemeinheit einigermaßen damit leben kann. In Venezuela ist das in zunehmendem Maß nicht der Fall - also muß sich was ändern. Schön wäre eine demokratische Lösung, aber eine andere tuts zur Not auch.

Das ist jetzt zuerst einmal meine Antwort: Stimme mit allem überein - bis auf den letzten Halbsatz. Die Bevölkerung muß letztlich entscheiden, was sie will. Es steht uns m. E. nicht zu, ihnen eine von uns als wünschenswert erachtete Lösung aufzuoktroyieren. Das würde ich sogar für Saudi-Arabien letztlich sagen. Wenn die Mehrheit der dortigen Bevölkerung es akzeptabel findet, von der Minderheit wie Vieh gehalten zu werden, was soll man da tun? Man kann nur die Mehrheit, wenn sie ernstlich einen Wandel aktiv anstrebt, unterstützen. Ansonsten hält man sich besser heraus.

Ich werde Deinen Kommentar an den Autor weiterleiten und sehen, was er dazu sagen will.

Nun ja, ich sagte ja das eine demokratische (und möglichst gewaltfreie) Lösung vorzuziehen wäre. Wie die Erfahrung zeigt, funktioniert das aber leider nicht immer. Und in Situationen wie der von Venezuela braucht es eine baldige Lösung. Ob und wieviel Einmischung von außen dabei im Spiel ist, ist dabei eine eher akademische Frage. Natürlich, schön wäre dies und besser wäre das... Doch während man hofft, wartet und abwägt sterben dort Leute, oder flüchten in andere Länder (was wieder neue Probleme schafft).
Aber selbst wenn die Mehrheit der Einwohner eines Landes ihre Regierung unterstützt, heißt das noch lange nicht das alles in Ordnung ist. Bestes Beispiel sind wir (die Deutschen) selbst. Hätten die Alliierten im 2. Weltkrieg auf einen Umsturz des Nazi-Regimes von innen warten sollen? Dann wäre die NSDAP wahrscheinlich immer noch an der Macht.
An sich bin ich immer ein Verfechter der "sich besser raushalten Methode", zumindest wenn es um aktives militärisches Eingreifen geht, zB in Afghanistan oder Vietnam usw.
Leider ist das aber so, wie das Leben an sich: alles ist viel komplizierter als man sich das wünscht. Wer glaubt, immer Gut und Böse sofort erkennen zu können, hat schon versagt.

Der Autor selbst sagt zu Deinem ersten Kommentar:
"Ganz klar, es geht um den Willen der Bevölkerung. Was dabei herauskommt, hängt natürlich von der Erwartungshaltung in der Bevölkerung ab. Die unterscheidet sich zum einen von unserer hier in Zentraleuropa, aber auch in Venezuela selbst, schicht-spezifisch und auch ethnisch: Während aus Europa eingewanderte Leute sich auch in der zweiten und teilweise dritten Generation noch an ihren Herkunftsländern orientieren mögen, sieht es bei den Latinos vielleicht etwas anders aus. Jedenfalls sollten wir uns davor hüten, die Maßstäbe Zentraleuropas auf die Länder der Region anzuwenden. Die Länder müssen sich - das gilt im Übrigen weltweit - selbst finden!"

Zu Deinem zweiten Kommentar verweise ich vorerst einmal auf meinen neuen Beitrag zum Nichteinmischungsgebot.

Gedankenexperiment:
In Deutschland sind offenbar 87% (mit den Nichtwählern sogar mehr) gewillt, das Land ins Verderben laufen zu lassen und es quasi abzuschaffen. Was, wenn es im Ausland eine Initiative zur Rettung Deutschlands vor den Atlantikern/Eliten/Umvolkern gäbe - müsste man die dann nicht gutheissen?
Kann man jetzt gar nicht mit Venezuela vergleichen, ich meine nur die moralische Frage der Einmischung. Wäre es in diesem Fall moralisch gerechtfertigt? Mit dem Argument, dass die Schlafschafe es nicht besser wissen und von der Medienpropaganda eingelullt sind.

Die Nichtwähler (Auch ich bin dabei.) darf man nicht ins Regime-Lager einordnen. Sie sind bestimmt in ihrer Mehrheit auf der Gegenseite.
Du bist ein Fuchs, stayoutoftherz! Ja, zugegebenermaßen, Dein Beispiel zu widerlegen fällt schwer. Aber so, wie die Dinge hier gelagert sind, ist Hilfe von außen graue Theorie. Ich glaube, gerade in dieser Hinsicht haben wir allen Grund, die Nichteinmischungsklausel hoch zu halten. Von außen wäre da nichts Gutes zu erwarten.

Die Regierung würde auch keine Einmischung zulassen, selbst wenn Deutschland bald ringsum von "vernünftigeren" Nationen umgeben ist (Öst., Dänemark und die Visegrad-Staaten).

Naja, wenn es dazu käme, hätte das Regime keine andere Wahl. Die Genannten aber reichten nicht dazu aus.

Und hier noch die Reaktion von Erasmus Konsul:
"Hm enigmatisch. “Hilfe” von außen sehe ich bei uns in großem Stil vielleicht über die Feindstaatenklauseln? Oder gibt es irgendetwas im EU-Vertrag oder dem NATO-Vertrag, das ein Eingreifen der Amerikaner rechtfertigen würde, um uns auf den rechten Weg zurückzubringen???? Ich gehe davon aus, dass auf verdeckter Ebene ohnehin die ganze Zeit “mitgesteuert” wird. Da geht es aber um Aufrechterhaltung des status quo... ."
Seine Überlegungen lagen auch meinem Kommentar zu Grunde.

Zitierst du einen msn Artikel? Den Erasmus Konsul kenne ich überhaupt nicht

Posted using Partiko Android

Der Text stammt von einem unter dem Pseudonym "Erasmus Konsul" schreibenden Autor, der mir namentlich bekannt ist. Ich weiß nicht, wen Du alles kennst; aber ab sofort auch Erasmus Konsul. Gratulation! Man sollte ihn kennen. Er schreibt nicht zum ersten Mal hier.

Hier? Ist er ein steemian?

Posted using Partiko Android

Nein, er ist ein Verweigerer sozialer Netzwerke. Du kannst aber dennoch mit ihm diskutieren, wenn Du möchtest. Mitlesen kann er. Seine Antworten würde ich dann für ihn hier veröffentlichen.