Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Zwei namens Kurt (türkisch: Wolf), die - außer dem Vornamen, der Nationalität und der Aspiration auf das höchste Staatsamt - wenig verband, nimmt unser Freund Notan Dickerle zum Anlaß einer sehr aktuellen Betrachtung über politische Erziehungsmaßnahmen und ihre Wirkung. Was Notan so alles ausgräbt, ist schon bemerkens- und bewundernswert.
Zwei kleine Akzente würde ich gerne etwas anders setzen, als Notan es tut.
Kurt Waldheim, mein Dozent an der Diplomatischen Akademie in Wien, wo er selbst einst studiert hatte, und wo er nach seiner gescheiterten Bewerbung für eine weitere Amtszeit als Generalsekretär der Vereinten Nationen und vor seiner Inauguration als Staatspräsident der Republik Österreich Zwischenstation einlegte zur Niederschrift seiner Memoiren und zur Weitergabe seiner immensen Berufserfahrung an die kommende Diplomaten-Generation, war im privaten Umgang keineswegs die flamboyante Person, die ohne das Rampenlicht nicht hätte leben können. Er erwies sich vielmehr als ausgesprochen freundlich, bescheiden und umgänglich.
Kurt Waldheims Einsatz zur Gründung einer Niederlassung der Vereinten Nationen in seinem Land war nicht dazu gedacht, ihm einen Wirkungskreis zu sichern oder gar ihm ein Denkmal zu setzen. Beides hätte sich eher als Kollateralnutzen eingestellt. Vielmehr aber wollte er seinen Erfolg in den Dienst Österreichs stellen. Für ein Land zahlt sich der Status als Sitzstaat einer internationalen Organisation in mehrfacher Hinsicht aus. Der Sitzstaat gewinnt an Einfluß und Profil durch die Möglichkeit der Übernahme der Mediatorenrolle in Konflikten. Das Gewicht der Landessprache innerhalb der Organisation wird gestärkt, was auch auf Deutschland positiv reflektiert hätte. Schließlich geht es dabei nicht zuletzt um einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Durch die Demontage Kurt Waldheims vermochte Wien als Sitz der Vereinten Nationen nie die ihm zugedachte Rolle wirklich auszufüllen. Österreich hat sich selbst schweren Schaden zugefügt.Kurt Waldheim ist schon lange tot, aber unvergessen durch sein Lebenswerk und bei allen, die ihn persönlich kannten. Sein Gegner hat es nie zu weltweiter oder gar zeitüberdauernder Bekanntheit gebracht. Ein wenig Ausgleich für Ungerechtigkeit gibt es bisweilen doch.
Vom pädagogischen Nutzen der „Watchlist“ - vor (etwas über) 100 Jahren wurde Kurt Steyrer geboren, Auslöser der „Waldheim-Affäre“
von Notan Dickerle, Anwärter auf den Leuchtturmpreis für mutigen Journalismus gegen “Bunt”
Die Hängepartie um die amerikanischen Präsidentschaftswahlen sowie die Aussicht auf einen neuen „Meilenstein der Erinnerungskultur“ im an Mahnmälern deutscher Schande nicht eben armen Berlin (https://www.heise.de/tp/features/Von-der-deutschen-Vergangenheitsbewaeltigung-4939920.html) erinnert mich daran, Kurt Steyrer zu gedenken, der bereits am 3. Juni d.J. seinen 100. Geburtstag gehabt hätte. Sie kennen ihn nicht? Er war einer jener Figuren, die eher passiv mit bescheidenem Beitrag in die Geschichte eingegangen sind, als Katalysatoren von Entwicklungen, die jenseits ihres Horizonts lagen. Steyrer war ein österreichischer Arzt, Dermatologe, der in den 70-er Jahren für die SPÖ im Nationalrat saß, bevor er von Bundeskanzler Bruno Kreisky 1981 zum Minister für Gesundheit und Umweltschutz ernannt wurde. 1985 nominierte ihn seine Partei für das Amt des Bundespräsidenten, das im streng in eine schwarze und eine rote Reichshälfte geteilten Nachkriegsösterreich bisher ausschließlich von Sozialdemokraten besetzt war: Renner, Körner, Schärf, Jonas, Kirchschläger.
Doch diesmal drohte der SPÖ eine Niederlage. Die schwarze Konkurrenz von der ÖVP präsentierte mit dem ehemaligen UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim ein Schwergewicht, dem der brave Hautarzt und Minister wenig entgegenzusetzen hatte, den „Mann, dem die Welt vertraut.“ Waldheim, Ende der 60-er Jahre österreichischer Außenminister und viele Jahre Botschafter bei den Vereinten Nationen, wirkte im Anschluß daran für zwei Fünfjahresperioden von 1972 bis 1981 als deren Generalsekretär. Eine beabsichtigte dritte Amtszeit scheiterte am Veto der Volksrepublik China, die auf geographischer Rotation bestand: zehn Jahre Europa seien genug. Die Amtsführung Waldheims wurde keinesfalls beanstandet, mit Kritik am Vietnamkrieg sowie Verständnis für die Position der Palästinenser im damals brandheißen Nahostkonflikt machte er sich in Israel und den USA allerdings nicht nur Freunde. Die Einrichtung Wiens als einer der Amtssitze der Vereinten Nationen seit 1979 ist wesentlich dem Einfluß Waldheims zuzuschreiben, dem ein Leben ohne Scheinwerferlicht nicht befriedigte.
In ihrer Not entsann sich die SPÖ des Nazi-Jägers Simon Wiesenthal, dessen Dokumentationen möglicherweise kompromittierendes Material zu Waldheim enthielten. Dieser war wahrscheinlich NSDAP-Mitglied, mit Sicherheit aber als Offizier der Wehrmacht auf dem Balkan tätig gewesen. Kreisky, ein Intimfeind Wiesenthals, der trotz des parteipolitischen Gegensatzes die Bewerbung Waldheims zum Generalsekretär der UNO seinerzeit unterstützt hatte, war zu dieser Zeit nicht mehr im Amt. Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl im Mai 1986 startete tatsächlich eine Nazifizierungskampagne gegen Waldheim, die im wesentlichen vom Nachrichtenmagazin „profil“, der „New York Times“ sowie dem „World Jewish Congress“ (WJC) geführt wurde. Nachdem WJC-Präsident Edgar Bronfman den früheren UNO-Generalsekretär öffentlich als „Teil der Nazi-Tötungsmaschinerie“ beschimpft hatte stand fest, daß zumindest das organisierte Judentum Waldheim nicht als österreichischen Präsidenten haben wollte; das schuldverstrickte Wahlvolk hatte dem gefälligst Rechnung zu tragen (in Österreich wird das Staatsoberhaupt direkt gewählt, nicht von handverlesenen Parteimarionetten wie in D)! Dem armen Doktor Steyrer kam diese Schützenhilfe allenfalls insoweit zu Gute, als er nicht gleich im ersten Wahlgang unterlag, sondern erst in einer Stichwahl im Juni. Nach dem ostentativen „Jetzt erst recht!“ (neudeutsch: „rallye around the flag“) der Wähler brach der antifaschistische Furor indes jetzt erst so richtig los, hatten sich die Österreicher doch dem Verdikt der siegreichen Opfer bzw. deren Funktionäre aus Übersee störrisch widersetzt. Jetzt half kein Beten und kein Stöhnen und weder der Freispruch eines Fernsehtribunals noch die Feststellung einer internationalen Historikerkommission, Waldheim könne kein schuldhaftes Verhalten im Zweiten Weltkrieg nachgewiesen werden. Die Staaten der „westlichen Wertegemeinschaft“ schnitten Waldheim systematisch (nur der deutsche Kanzler Kohl besuchte ihn 1992 kurz vor Ende seiner Amtszeit), „das Verhältnis Österreichs zu Israel blieb bis 1992 belastet“ (Wikipedia) - und verschlechterte sich übrigens mit dem Amtsantritt einer Mitte-rechts-Regierung aus ÖVP/FPÖ zur Jahrtausendwende bald wieder, als Israel aus Protest gegen eine Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen seinen Botschafter aus Wien abzog. Im Gefolge dieser Aktion fuhren auch die Staaten der EU ihre Österreich-Kontakte erneut herunter – die „Sanktionen gegen Österreich“ waren die Ursünde gegen den Geist einer Demokratie, die diesen Namen verdient, und der Ursprung jener vorgeblich werteorientierten politischen Nivellierung, für die rechts von der Mitte die Meinungsfreiheit endet und das (Gedanken-)Verbrechen beginnt.
Der österreichische Nationalratspräsident Heinz Fischer (SPÖ) stellte bei Waldheims Verabschiedung im Juli 1992 fest, dem Präsidenten sei Unrecht geschehen, er sei zu einer Art Projektionsfläche für schlechtes Gewissen hinsichtlich der Vergangenheit geworden. Bei anderer Gelegenheit gab er auch zu, daß zumindest der Beginn der Waldheim-Affäre, die Nachforschungen bei Wiesenthal, parteipolitisch motiviert gewesen sei. Kurt Steyrer zog sich nach seiner erfolglosen Kandidatur aus der Politik zurück und wurde Präsident des ARBÖ, des österreichischen Auto- Motor- und Radfahrerbundes. Nachfolger Waldheims wurde mit Thomas Klestil wieder ein Mann der ÖVP.
Die USA liessen sich für Waldheim noch eine spezielle Demütigung einfallen: Auf Initiative von Bronfman sowie des damaligen amerikanischen Botschafters in Wien, Ronald Lauder, wurde Waldheim im April 1987 auf die „Watchlist“ für unerwünschte Personen gesetzt, was eine Einreisesperre für den Mann bedeutete, der 10 Jahre lang Chef des UNO-Hauptquartiers am East River gewesen war. Selbst zum 50-jährigen Bestehen der Vereinten Nationen 1995 durfte er nicht eingeladen werden. US-Präsident Reagan hatte bei den Jüdischen Organisationen wohl noch Abbitte zu leisten für den Besuch des Soldatenfriedhofs in Bitburg anlässlich des 40. Jahrestages der deutschen Kapitulation, eines Friedhofs, auf dem neben einfachen Soldaten auch mehrere Mitglieder der Waffen-SS bestattet waren – Kriegsverbrecher! Helmut Kohl hatte auf dem Besuch bestanden, sozusagen als Schlussstrich-Symbol. Nicht mit Bronfman und Lauder, der heute als WJC-Präsident fungiert! In dieser Funktion besucht er regelmäßig unsere gute Kanzlerin, selbstverständlich mit Beschwer im Gepäck. Einem Interview zufolge will diese noch einen Lebenstraum verwirklichen: mit dem Auto durch die USA reisen, die Rocky Mountains sehen, Bruce Springsteen hören... (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-zum-mauerfall-in-westdeutschland-lebten-nicht-nur-mutbolzen-a-1294911.html). Da sollte man nicht die Watchlist riskieren, schön brav bleiben und keinesfalls den westlichen Werteuniversalismus in Frage stellen, den unsere Verbündeten jenseits des Atlantiks in so überzeugender Weise verkörpern! Waldheim ist schon lange tot – er starb wie sein Herausforderer Kurt Steyrer im Jahr 2007. Das Exempel, das an ihm statuiert wurde, wirkt indes weiter. Wie sagte schon der große Mao Zedong: Bestrafe einen, erziehe hundert ....